HORACE
ANDY & DAWN PENN
backed by Soul Stereo & Heartical Sound
15.05.2015 - YAAM Berlin
Ob „Skylarking“ oder
„No No No“, wer Reggae hört kommt
irgendwann nicht daran vorbei, und jederman denkt sofort an
Reggae Queen Dawn Penn und die lebende Legende Horace
„Sleepy“ Andy. Beide Künstler gaben
kürzlich eine exclusive Deutschland-Show im Berliner YAAM und
wurden im Soundsystem-Style von Heartical und Soul Stereo gebackt. Die
beiden Pariser Sounds gehören mit zu den besten Europas und
sind nicht alle Tage zusammen auf einer Bühne zu sehen.
Passender Weise gab´s danach auch noch die Berlin Vintage
Reggae Night, präsentiert von Selector Barney Millah und Panza
von Supersonic. Auch zwei Namen die in Berlin Programm sind.
Begeben
wir uns ohne lange Vorrede in das Berliner YAAM und
lassen Teile der Show in
Ton und Bild Revue passieren.
Barney Millah hat auch das Warm-up übernommen und sorgt neben
den richtigen Klängen zur Einstimmung, auch für
erheblichen Qualm auf der Bühne - und das ganz ohne
Nebelmaschine. ;-)
Das YAAM ist schon gut gefüllt, als Barney dann auch noch
„No, No, No“ aus den Boxen dröhnen
lässt, und somit wohl die letzten Trödler aus dem
Außengelände hereinlocken will. Haha, das war
falscher Alarm. Dawn Penn ist noch nicht da und lässt sich
Zeit. Frank Stephan von Topline Events, dem die heutige Show zu
verdanken ist, telefoniert schon ständig und fragt nach wo die
Queen denn bleibt. Als schließlich Sergio mit seinem
obligatorischen Hut neben Barney auf
der Bühne erscheint und seinen Sound einrichtet,
können wir davon ausgehen, dass es nun nicht mehr lange dauern
wird, bis Dawn Penn erscheint.
Für uns liegt es sage und schreibe bereits 10 Jahre
zurück, als wir Dawn Penn zuletzt gesehen haben. Irgendwie
hatten wir in den zurückliegenden Jahren nie das
Glück eine ihrer Shows zu erwischen. Nach einem derart langen
Zeitraum ist man natürlich besonders gespannt auf das
Wiedersehen und Wiederhören.
Dann ist es endlich so weit. Sergio eröffnet mit einem
Soundmix von Dawn Penn und heizt die Massive zur
Begrüßung der Reggae Queen an.
Das haben wir nun gar nicht erwartet - Dawn Penn ganz orange im
Jogginganzug!? Der samtige Anzug ist mit den Worten Love,
Happiness,
Humanity, sowie mit roten Herzen, mittels rotem Flitter bestickt. Der
Anzug mag ja nicht ganz gewöhnlich sein, aber nichts
für ungut, bei einer Reggae-Queen denkt man doch
schon an ein etwas anderes Outfit, oder?
Live
Video: Dawn
Penn & Heartical Sound - 1/8 - Titelmix: Ruffer Yet + I Love
You Too Much + Oh Me Oh My +
The First Cut Is The Deepest
Dawn Pickering, alias Dawn Penn, ist 1952 in Kingston zur
Welt gekommen und damit nur ein Jahr jünger
als
Horace Andy. Mit Klavier und Geige sammelte sie schon im Alter
von 5 Jahren ihre
ersten
musikalischen Erfahrungen. Mit 17
gewann sie beim Jamaican Independent Festival einen Talentwettbewerb.
Ihre allererste Aufnahme im Studio One von
Clement "Coxsone" Dodd, war "When I´m Gonna Be Free". Im
Zeitraum von 1966 bis 1970 nahm sie weitere Songs für
Produzenten
wie Clement "Coxsone" Dodd, Prince Buster und Bunny Lee auf.
In
dieser Zeit landete sie mit „You Don't Love Me (No, No,
No)“ auch ihren ersten großen Hit, der bis heute
unvergessen ist und von zahlreichen Artists auf der Bühne
gecovert wird. 1970 hing sie
leider die Musik an den Nagel. Dawn Penn zog nach Tortola auf die
British Virgin Islands, arbeitete nunmehr als Buchhalterin in einer
Fluggesellschaft und einer Bank und widmete sich der Erziehung ihrer
Kinder. Erst 1987 kehrte sie wieder nach Jamaika zurück.
Live
Video: Dawn
Penn & Heartical Sound - 2/8 - Downtown + Golden Touch + A Love
A Can Feel
Im selben Jahr versuchte
sie ihr musikalisches Comeback, das aber nicht richtig gelang. Erst
1994, als sie mit dem Duo Steely & Clevie und King Jammy zwei
Versionen
ihres 1967er Hits „You Don't Love Me (No, No,
No)“
produzierte, war sie richtig zurück. Das Stück kam
weltweit
in die Charts und wurde erneut ein Hit. Noch im selben Jahr kam ihr
Album „No, No, No“ heraus. 1996
veröffentlichte sie ihr zweites
Album
„Come Again“, konnte aber damit nicht mehr an den
bisherigen Erfolg anknüpfen. Ihren aktuellsten konservierten
Auftritt hat
sie
auf Stascha Baders Musik- und Filmdokumentation „Rocksteady -
The
Roots Of Reggae“, auf der sie gemeinsam mit früheren
legendären Weggefährten wie Stranger Cole, Marcia
Griffiths,
Hopeton Lewis, Leroy Sibbles, U-Roy, Derrick Morgan, Judy
Mowatt und Ken Boothe, mit Neuaufnahmen der früheren
Hits,
die alten Zeiten aufleben lässt. Ihren gegenwärtigen
Wohnort
gibt Dawn Penn mit London an.
Inzwischen ist die Show bei „Night & Day“
angelangt,
ein Ohrwurm der natürlich freudig von der Massive
begrüßt wird und ganz klar ein Pull Up nach
sich ziehen muss.
Live
Video: Dawn
Penn & Heartical Sound - 3/8 - Night And Day + Never Ever
Mit dem anschließenden „Never Ever“, geht
es leider wieder einen Gang zurück. Befassen wir uns an der
Stelle kurz mit
Sergio Marigomez von Heartical.
Heartical hat zum ersten Mal am 21. Juni 1999 aufgelegt.
Gegründet wurde der Sound von Mr. Boo, Wap, Mr. Tam und Sir
Joe.
Heartical hat sich weltweit einen Namen gemacht und ist bereits in
Ländern wie Jamaica, USA, Mexico, Finnland, Norwegen,
Schweden, Holland, Belgien, Schweiz, Österreich, Estland,
Italien, Indien, Tahiland, Spanien, Portugal, Ghana und Senegal
aufgetreten, nur um einige zu nennen. Heartical spielte schon den Sound
für Artists wie General Levy, Al Campbell, Spanner Banner,
Dennis Alcapone, Prince Hammer, U Brown, Mike Brooks, Joseph Cotton,
Lloyd Brown, Robert Lee, YT, Little Roy, Dawn Penn und vielen anderen.
Die Dubplate Kollektion von Heartical ist einer der
größten und wertvollsten von ganz Europa.
Live
Video: Dawn
Penn & Heartical Sound - 4/8 - Long Days Short Nights
Live
Video: Dawn
Penn & Heartical Sound - 5/8 - To Sir With Love
2001
gründeten sie weiterhin mit Heartical Records ihr eigenes
Label. Unzählige Aufnahmen haben sie seit dieser Zeit
produziert. Zum 10-jährigen Bestehen des Labels hat Heartical
den CD-Sampler „Heartical Story – Vol.
1“, am 06. Juni 2011 auf den Markt gebracht und
lässt die
Fans an einem Teil seiner Schätze teilhaben. 16 Tunes auf 8
verschiedenen Riddims sind zu hören, mit Artists wie Sugar
Minott, Alton Ellis, David Hinds, Ranking Joe, Johnny Osbourne,
Luciano, Michael Rose und vielen anderen. Dazu kommen noch vier Bonus
Tracks mit BDF (Basque Dub Foundation), Sly Dunbar und Sugar Minott
(Dubplate).
Mehr Infos zu Heartical gibt´s im Facebook
zu lesen.
Es folgt nun Dawn Penns allererste Aufnahme, die sie bereits
während ihrer Schulzeit gemacht hat.
Live
Video: Dawn
Penn & Heartical Sound - 6/8 - When I´m Gonna Be Free
Doch schreiten wir nun zum absoluten Höhepunkt der Show, bevor
noch jemand beim Chillen zu sehr die Bühne aus den Augen
verliert. Die ersten paar Takte genügen und die Massive ist
wieder voll auf Sendung. Sergio heizt die Massen an und kreist sein
Handtuch über dem Kopf. Und noch einmal auf Anfang, ... und
noch
einmal, so ist es gut - nach wie vor ist und bleibt „No, No
No“
Dawn Penns bestes Stück.
Eine kleine Tanzeinlage von Dawn Penn, die von den Fans noch
zusätzlich lautstark
bejubelt wird,
darf natürlich auch
nicht fehlen. Und weil´s so schön war,
gibt´s gleich noch „Yes,Yes, Yes“
(Jah Loves Me) aus Sergios 2011er Schatzkiste hintendran (dort
auch zu hören auf dem Know
Myself Riddim).
Live
Video: Dawn
Penn & Heartical Sound - 7/8 - No, No, No + Yes, Yes, Yes
Das ist aber noch nicht das Ende der Show, wie man normaler Weise
vermutet hätte. Denn nach einem Megahit wie „No, No,
No“, kann
man die Stimmung kaum noch toppen.
Inzwischen ist auch schon Fatta von Soul Stereo eingetroffen
und
beginnt seinen Sound neben Sergio zu installieren.
Live
Video: Dawn
Penn & Heartical Sound - 8/8 - On & On + Far East
Medley: Fever + True Love
Das waren aber nun wirklich die letzten Stücke der Show und
Dawn Penn verabschiedet sich mit Händeschütteln von
den Fans der ersten Reihe.
Dann übernimmt Fatta von Soul Stereo die Regie und heizt noch
einmal zum Abschied von Dawn Penn die Massive richtig an.
Bevor Horace Andy auf die Bühne kommt, gibt´s aber
erst noch ein paar Stücke ohne ihn.
Horace war zuletzt am 10. April 2014 im Berliner YAAM, damals noch im
alten Standort am Stralauer Platz. Heute nun im neuen YAAM an der
Schillingbrücke.
Als Sleepy schließlich sein Programm startet, wirkt er auf
mich heute um einiges frischer und ausgeglichen, als beim letzten
Mal. ;-)
Live
Video:
Horace Andy & Soul Stereo - 1/7 - Fever - Just Say Who +
Don´t Let The Problems Get You Down
Horace Andy wurde am 19.02.1951 als Horace Hinds in Kingston, Jamaika,
geboren. Seinen Künstlernamen Horace Andy wählte er
als Reverenz an den Sänger Bob Andy. 1966
veröffentlichte er mit „Blackman´s
Country“ seine erste Single für einen Produzenten
namens Phil
Pratt. Seine weitere Sängerlaufbahn folgte bei
Coxsone Dodd im Studio
One. 1969 wurde mit „Skylarking“ sein
erstes Album veröffentlicht. Der Titelsong wurde in Jamaika
für Horace der Nr. 1 Hit und ist bis heute legendär.
In den 70er Jahren arbeitete er weiterhin mit allen namhaften
Reggae-Produzenten zusammen, u. a. mit King Tubby
oder Prince (King) Jammy und
machte sich besonders durch seine charakteristische Falsett-Stimme
weltweit einen Namen. Diese gewöhnungsbedürftige,
nicht alltägliche Stimme und das ihm nachgesagte hohe
Schlafbedürfnis, brachte ihm auch den Spitznamen
„Mr.
Sleepy“ ein.
Live
Video:
Horace Andy & Soul Stereo - 2/7 - Zion Gate + Ain´t
No Sunshine
Live
Video:
Horace Andy & Soul Stereo - 3/7
Ende der 1970er Jahre zog er nach Hartford / Connecticut, USA, und in
den 1980er Jahren ging er nach London. Dort arbeitete er unter anderem
mit Mad Professor zusammen. Außerhalb der Reggae-Szene ist er
auch als Sänger bei den Trip Hop-Pionieren von Massive Attack
bekannt geworden. Außerhalb seiner Roots bewegt er sich unter
anderem auch mit seinen letzten Alben, wie das 2009er
„Inspiration Information 2“, eine Zusammenarbeit
mit dem britischen DJ und Producer Ashley Beedle, oder das 2013er
„One Order“. Den Roots Fans wird es nicht gefallen,
aber immerhin gibt es inzwischen weit mehr als 30 Alben von Horace Andy
auf dem Markt, die für jedermanns Geschmack genügend
Material bereit halten. Heute im YAAM heißt es zum
Glück wiederum ganz klar: „Back To The
Roots“!
Horace spult seine Klassiker einem nach dem anderen ab und Fatta
schraubt emsig am Sound herum, so dass sich die Stücke immer
wieder anders und oft sogar noch besser anhören, als man sie
eigentlich kennt.
Live
Video:
Horace Andy & Soul Stereo - 4/7 - Everey Tongue Shall Tell +
Mr. Bassie
Soul Stereo ist ebenfall ein Sound aus Frankreich, der 1998 von Reecko,
Fatta
& Tarzan gegründet worden ist. Seit ihrer
Gründung haben sie auf mehr als 1.500 Shows überall
in
Europa gespielt. Sie lieferten dabei den Sound für viele
namhafte Artists wie Luciano, Mikey General, Anthony Red Rose, Johnny
Osbourne, Lone Ranger, Carlton Livingstone, Junior Kelly, Morgan
Heritage, U-Brown, Dawn Penn, Earl 16 und viele andere. Seit 2003
betreiben sie darüber hinaus ihr eigenes Label „Soul
Vybz Music“. Soul Stereo gewann unter anderem im
Jahr 2004
den „South Clash 2“ gegen Heartical und 2010 die
„Undertaker Trophy“ gegen Ruff Pack & Back
Inna Days. Weitere Infos zu Soul Stereo gibt es hier.
Live
Video:
Horace Andy & Soul Stereo - 5/7 - See A Man´s Face
Inzwischen sind wir bei „Skylarking“, dem
bekanntesten Stück von Horace Andy, angelangt. Zieht man die
Zusammenarbeit von Horace Andy und Dubmatix noch mit
in Betracht, könnte das 2013er „It´s
A Clash“ (vom Dub Matix Album „Rebel
Massive“), ihm aber durchaus irgendwann den Rang ablaufen,
zumindest bei
der jüngeren Generation.
Live
Video:
Horace Andy & Soul Stereo - 6/7 - Skylarking + ...
Weiter geht es unter anderem mit „I´m
Alright“ in Richtung Programmende, bevor Horace Andy seine
Abschiedsnummer ganz ohne Sound präsentiert. Einziges
„Instrument“ ist das rhythmische Klatschen der
Massive.
Live
Video:
Horace Andy & Soul Stereo - 7/7 - ... + I´m Alright +
Man Next Door
Auch Horace versäumt es nicht, sich bei den Fans der ersten
Reihe persönlich zu verabschieden, bevor er sich unter lang
anhaltendem Jubel der Massive zurückzieht.
Das Programm im YAAM ist aber längst noch nicht an seinem Ende
angelangt, denn heute läuft auch noch die Berlin Vintage
Reggae Night mit Barney Millah und Panza von Supersonic, in der
ausschließlich das gute alte Vinyl zum Einsatz kommen soll.
Jeden dritten Freitag im Monat, kann man hier ausgiebig dieser
Liebe nachgehen.
Wir statten aber erst einmal Dawn Penn und Horace Andy einen Besuch ab,
während Fatta auf der Bühne noch ein
wenig für die musikalische Überleitung sorgt.
Horace ist bester Laune und schaut sich immer wieder ganz entspannt das
Treiben von der Bühne aus an. Heute ist er mal
überhaupt kein „Sleepy“! Sehr
förderlich dafür ist natürlich der direkte
Bühnenzugang vom Backstage her, den man im alten YAAM noch
nicht hatte. Wer dort einmal im Backstage verschwunden war, kam
höchst selten noch einmal zur Bühne zurück.
Fast wie immer haben sich inzwischen neue Fotos oder Albumcover
angesammelt, die wieder auf ein Autogramm warten.
Für Dawn Penn haben wir die 10 Jahre alten Bilder vom
Summerjam dabei. Damals noch mit relativ kurzen Haaren. Heute reichen
ihre Dreads bis zur Hüfte, wie sie uns erzählt.
Bedächtig dreht sie die Fotos immer wieder hin und her und
erkennt einen ihrer Ringe wieder, den sie auch heute trägt.
Wiederholt fragt sie wann und wo das war und kann die Antwort scheinbar
nicht so recht akzeptieren. Zur Sicherheit schreibe ich es noch einmal
auf die Rückseite, aber auch das befriedigt sie nicht so
recht. Der Bildhintergrund lügt aber nicht und jeder Irrtum
dürfte ausgeschlossen sein. Wir wissen es ja sowieso.
;-)
Auch die Booklets der Rocksteady DVD + CD scheinen ihr zum ersten Mal
unter die Augen gekommen zu sein. Sollte ihr denn wirklich niemand eine
Kopie dieser fantastischen Dokumentation gegeben haben, an der sie
selbst teilgenommen hat? Derartige
Reaktionen
haben wir leider auch schon bei anderen Künstlern feststellen
müssen.
Links: Dawn Penn beim Summerjam am
08.07.2005 Rechts: Rückseite Booklet der
CD von „Rocksteady - The Roots Of Reggae“ (2009)
Auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal! Für das YAAM
wird es tatsächlich schon morgen bei Mellow Mood sein, bei
Dawn Penn und Horace Andy wird es sicher eine Weile dauern.
Copyright: www.reggaestory.de
Text + Videokamera: Peter Joachim
Fotos: Marion + Peter Joachim
Mein Dank geht an Frank von Topline Events, Sergio von Heartical,
Fatta von Soul Stereo, das
YAAM Team und natürlich ganz besonders an Dawn Penn und Horace
Andy.