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JAMAICA EINMAL ANDERS

Teil 5
22.07.2008 – Buff Bay – Annotto Bay – Kingston – Blue Mountains – Port Royal

Hermans House Am Morgen geht´s schon wieder um´s Geld. Bevena möchte unüblicher Weise schon vor unserer Abfahrt das Geld. Nach den bisherigen Erfahrungen ist das natürlich völlig abwegig, sich darauf einzulassen. Entweder bezahlen wir jeweils am Ende des Tages an Tony oder maximal 50% schon jetzt im Voraus.

„Den Rest bezahlen wir, wenn wir nach den drei Tagen wieder zurück sind.“ biete ich ihr an. Klar, dass sie da lieber die 50% nimmt, bevor Tony das gesamte Geld in die Hände bekommt. Ein annehmbarer Kompromiss. So haben wir wenigstens noch eine variable Größe in der Hinterhand, für den Fall, dass irgendetwas nicht klappen sollte. Die einzig richtige Entscheidung, wie sich später noch zeigen wird. 

Frühstück im Spring Garden Peter und Tony im Spring Garden

Bild links: Frühstück im Spring Garden
Bild rechts: Peter und Tony vor dem Guesthouse


Heute wollen wir also nach Kingston fahren und dort zwei Nächte übernachten. Geplant ist seit langem, dazu die landschaftlich reizvolle Strecke, von Buff Bay ausgehend, durch die Blue Mountains zu nehmen. Tony ist inzwischen auch schon eingetroffen und wir können unsere Sachen ins Auto packen. Endlich wieder raus hier. Das wird uns gut tun – zwei Nächte ohne Bevena und vor allen Dingen mit Klimaanlage. Unterwegs eröffnet uns dann Peter, dass wir wohl nicht die Straße durch die Blue Mountains nehmen können. Angeblich wären Teile der Straße durch einen Erdrutsch verschüttet worden und nur mit größeren Fahrzeugen ein Durchkommen möglich. Jedenfalls könne Tony dort nicht lang fahren. Peter meint, wir könnten ja auch von Kingston aus in die Berge hineinfahren.
Uns bleibt nichts anderes übrig als einzuwilligen. Die Sache mit dem Erdrutsch jetzt noch zuverlässig nachzuprüfen, würde uns auch wieder einige Zeit und Nerven kosten. Hauptsache wir schaffen trotzdem noch unseren Tagesplan. Also geht die Fahrt weiter nach Annotto Bay und von dort die bessere Straße in Richtung Kingston. Tony war wieder ohne Frühstück gekommen und muss natürlich unterwegs eine Picknickpause an einem Imbiss einlegen. Da haben wir schon nicht viel Zeit, müssen einen Umweg fahren und dann auch noch das. Also schaue ich mir inzwischen die Gegend an und betrachte die unzähligen Plakate von vergangenen und künftigen Reggae-Events. Natürlich passt wieder nichts davon in unseren Tourplan. Das ist schon ärgerlich. Da sind wir nun schon an der Quelle unserer musikalischen Leidenschaft und können bis jetzt noch kein einziges Konzert einplanen. 

Auf der A3 zwischen Annotto Bay und Kingston Auf der A3 zwischen Annotto Bay und Kingston

Auf der A3 zwischen Annotto Bay und Kingston Auf der A3 zwischen Annotto Bay und Kingston

Auf der A3 zwischen Annotto Bay und Kingston Auf der A3 zwischen Annotto Bay und Kingston

Auf der A3 zwischen Annotto Bay und Kingston

Mit frisch gestärktem Tony geht es dann erst einmal weiter bis zur nächsten Tankstelle. Bevor wir nach Kingston kommen, soll der Tank noch aufgefüllt werden. Das Tanken dauert ewig. Irgendetwas stimmt hier nicht. Es ist inzwischen so viel Zeit vergangen, da wäre ein LKW-Tank schon befüllt gewesen. Tony wird doch nicht einen Spezialtank haben und uns so über den Tisch ziehen wollen? Er schaut abwesend in die Ferne. Auch der Tankwart kaut gelangweilt auf seinem Streichholz herum. Niemand scheint was aufzufallen. Als ich mir Preis und Literzahl an der Zapfsäule anschauen will, fällt mir auf, dass sich dort keine Anzeige bewegt. Was soll denn das jetzt wieder? Mir schwant schon wieder neuer Streit um´s Geld und teile Tony und Peter meine Bedenken mit. Jetzt kommt aber Bewegung in die Beiden und der Tankwart wird ins Gebet genommen. Der ist völlig überrascht und kommt endlich zu sich. Unfassbar, der hatte die Säule gar nicht an gehabt und nicht ein einziger Tropfen Sprit ist in der ganzen Zeit in unseren Tank gelangt. Wie lange hätte der uns wohl noch betankt ohne das zu merken? Kurz danach kommen wir nach Stony Hill. Hier in den Bergen bei Stony Hill soll Joseph Hill (Sänger von Culture) gelebt haben. Ob denn sein Sohn Kenyatta auch noch hier in der Nähe wohnt? Man könnte ja mal fragen und schauen. Immerhin haben wir eine Reihe von Bildern mit, die wir ihm geben könnten. Tony will nicht. „Das sagt uns sowieso niemand hier!“, ist er der Meinung und will nicht anhalten. „Ich weiß aber wo Beres Hammond wohnt.“ meint er ganz beiläufig. Als ich deshalb noch einmal nachfrage, sind wir schon fast vorbei. So ein Kerl aber auch, der weiß doch genau, dass uns so etwas interessiert. Beres´ Anwesen ist riesig und macht einen gut gepflegten Eindruck. Es ist deutlich erkennbar, dass Beres gut im Geschäft steht. Leider haben wir für ihn keinen Aufhänger dabei und wissen nicht so recht, wie wir einen Besuch bei ihm begründen könnten. Nicht einmal ein Foto zum signieren haben wir in unserem zusammengestellten Album. Man kann ja auch nicht alles auf solch eine Reise mitschleppen. Da fahren wir doch lieber weiter.

Das Anwesen von Beres Hammond in Stony Hill Das Anwesen von Beres Hammond in Stony Hill

Das Anwesen von Beres Hammond in Stony Hill

Stony Hill geht nahezu fließend in Kingston über. Ehe wir uns versehen sind wir mittendrin und fahren gerade am Devon House vorbei. Zuerst wollen wir unsere Zimmer im Chelsea Hotel abklären und das Gepäck loswerden. Die Adresse ist „5 Chelsea Ave, Kingston 5“ und ist recht schnell gefunden. Wir kommen so ziemlich an der richtigen Stelle nach Kingston hinein und müssen nur einmal danach fragen. Hinter der Grundstücksmauer des Hotels befindet sich ein kleiner staubiger Parkplatz, wo wir gerade noch das letzte freie Plätzchen ergattern können. Bevor wir unser Gepäck ausladen geht es erst einmal zur Rezeption, die sich hinter schweren Eisengittern verbirgt und dann noch einmal extra vergittert ist. Obwohl noch lange nicht Mittag ist, können wir schon unsere Schlüssel in Empfang nehmen und unser Gepäck einräumen. Für jeden Schlüssel müssen wir 10 USD Kaution bezahlen.
Zwei Zimmer haben wir vorbestellt, eines für uns und eines für Tony und Peter. Jeweils für zwei Nächte. Egal, ob das Zimmer mit zwei oder drei Personen belegt ist, es kostet 154 USD für zwei Nächte ohne Verpflegung. Erst viel später bemerken wir die Hotelregel auf der Quittung: „No rooms will be rented to two men or two woman – no children.“ Da haben wir ja Glück gehabt. Was es nicht alles gibt. Ein Zimmer müssen wir zwar noch einmal tauschen, da ein Bett fehlt, aber ansonsten ist alles da was wir brauchen. An der Wand hängt sogar ein extra vergitterter Fernseher – Kingston lässt grüßen. 

Straßenansicht vom Chelsea Hotel Gesicherter Fernseher im Chelsea Hotel

Chelsea-Quittung

Bild 1: Straßenansicht vom Chelsea
Bild 2: Gesicherter Fernseher im Chelsea
Bild 3: Chelsea-Quittung


Jetzt nur noch schnell Wasser und Klimaanlage überprüfen und dann kann es weiter gehen.
Wir wollen nun in die Berge in Richtung Newcastle und Section. Auf unserer Karte sind ein paar Parks und Botanische Gärten vermerkt, die wir mal mit anfahren wollen. Dann soll es noch da oben eine Rasta-Kaffee-Manufaktur geben, die wir natürlich auch besuchen wollen. Die richtige Straße ist schnell gefunden und es geht immer weiter bergauf. Die Straße ist schmal und schlängelt sich in vielen Windungen durch die wunderschöne Berglandschaft. Immer wieder tolle Aussichten und leider wenig Möglichkeiten zum Anhalten. Dann macht auf einmal Tony was er will. Er nimmt eine andere Route und die Fahrt geht wieder abwärts. Er fährt zu einer Kaffeefabrik, die er offenbar schon kennt.
Wir landen also erst einmal an der Mavis Bank Central Factory und machen dort eine Betriebsbesichtigung mit. Der Eintritt kostet 8 USD je Person. Für Peter muss nichts bezahlt werden.

Mavis Bank Central Factory Mavis Bank Central Factory

Mavis Bank Central Factory Mavis Bank Central Factory

Mavis Bank Central Factory Mavis Bank Central Factory

In der Mavis Bank Central Factory nördlich von Kingston

Der Blue Mountain Kaffee von Jamaica genießt wegen seines guten Geschmacks weltweit einen legendären Ruf und ist in Europa kaum zu haben. Die Preise sind natürlich dementsprechend hoch. Nur Kaffee, der in den Blue Mountains in einer Höhe von mindestens 600 m über dem Meer geerntet und in bestimmten Betrieben von Mavis Bank und Anderen, nach einem festgelegten Prozedere weiterverarbeitet wurde, darf diesen berühmten Namen führen. Über dem gesamten Gelände hängt der Duft von gerösteten Kaffee, der uns schon einfing, bevor wir die Fabrik überhaupt zu sehen bekamen. Wir bekommen sämtliche Schritte von der geernteten Bohne bis zum fertigen Kaffee erklärt und können jede Station des Betriebes besichtigen. Aufwendige manuelle Arbeiten, wie das Auslesen und Sortieren der Bohnen, als auch hoch technisierte Weiterverarbeitung und Verpackungsanlagen sind hier nebeneinander vorzufinden. Am Ende der Führung gibt es natürlich auch die Möglichkeit Kaffee zu kaufen und auch zu kosten. Etwas unklug von der Fabrik organisiert ist, dass man sich vor der Verkostung, noch während der Führung, zum Kauf von bestimmten Verpackungsgrößen und deren Anzahl entschließen muss. Ich könnte darauf wetten, dass die Bestellungen nach der Verkostung weitaus höher ausfallen würden. Die Verkostung ist nämlich echt unglaublich. Eigentlich bin ich ja nicht der Kaffeetrinker, aber dieses Getränk haut einen wirklich um. Nirgends gibt es besseren Kaffee, wie sie das nur machen!? Aber wie immer, wird es uns sicher nicht gelingen, zu Hause dies so hinzubekommen. Jedenfalls haben wir diese Erfahrung mit vielen anderen Urlaubsverkostungen schon machen müssen. Kostproben genießen vermutlich auch eine Spezialbehandlung und sind mit den letztendlich verkauften Produkten nicht vergleichbar. Trotzdem haben wir natürlich wieder ein paar Päckchen erstanden und uns sogar den hier verwendeten Kaffeeweißer notiert. Das halbe Pfund Blue Mountain Coffee kostet hier 14 USD. Das ist auf alle Fälle günstiger als in den Geschäften.
Nach der Besichtigung zeigen wir noch einmal Peter und Tony die Karte und zeigen ihm bis in welche Bergregion wir eigentlich vordringen wollen. Tony stellt sich irgendwie dumm und zeigt uns völlig andere Straßen, als wir bis jetzt gefahren sind. Entweder kann er keine Karten lesen oder denkt uns was einreden zu können. Jedenfalls sind wir weit davon entfernt unsere Route abgearbeitet zu haben. Tony will einfach nicht so fahren wie wir wollen. Peter ist auch schon ein wenig angenervt. Tony verkennt offenbar die Situation. Immerhin wird er von uns bezahlt und hat nach unseren Wünschen zu fahren. Immerhin fährt er jetzt wenigstens wieder bergauf und nicht wieder nach Kingston zurück, wie er schon angekündigt hatte. So kommen wir wenigstens noch ein Stück in die Berge und können einen kleinen Eindruck von dieser Region bekommen. Überall sind kleine Häuschen weit über die Hänge verstreut, deren Zufahrten man kaum nachvollziehen kann. Mit Autos sind sicher die wenigsten Grundstücke davon erreichbar.

In den Blue Mountains In den Blue Mountains

In den Blue Mountains In den Blue Mountains

In den Blue Mountains

Ein wenig später halten wir auf einem Bergrücken, wo man schön nach beiden Seiten in die Bergwelt sehen kann. Ein kleines Dorf befindet sich ebenfalls hier. Obwohl man kaum sagen kann, wo hier ein Ort beginnt oder endet. Wir wollen ein paar Schritte laufen und die Natur genießen. Tony will nicht mitkommen und am Auto bleiben und meint, wir können unsere Sachen ruhig im Auto lassen. Ein paar Meter weiter sitzen ein paar Männer auf der Mauer und unterhalten sich. „Kann man diesen Weg hier langgehen?“, fragen wir und zeigen auf einen Pfad, der zu einer weiteren Bergkuppe führt. Sie nicken nur und zeigen den Weg hinauf. Ein Rasta begleitet uns, der verblüffende Ähnlichkeit mit Turbulence hat. Hoffen wir, dass nicht wieder am Ende eine Forderung auf uns zukommt. Dann ist auf einmal Tony wieder da. Verdammt noch mal! Da hätte ich doch den Rucksack nicht im Auto gelassen. Peter schüttelt nur mit dem Kopf. Auf einmal ist Tony wieder voller Energie und läuft uns weit voraus. Auf der Bergkuppe dann ein herrlicher Ausblick in die Umgebung und auf Kingston. Wir können sogar bis Port Royal sehen. Auf dem uns umgebenden Gelände befinden sich ein paar verfallene Mauerreste, ein nicht mehr bewohnbares Häuschen und eine Reihe von Pflanzen, die mit Sicherheit ursprünglich nicht hierher gehören. Wir sehen blühende Gerberas, Azaleen, Wasserhyazinthen in ein paar zu gewucherten Tümpeln und viele andere Pflanzen. Sogar Korkeichen, Eukalyptusbäume und unseren heimischen Klee finden wir hier oben. Peter will mir nicht glauben, dass dies tatsächlich Eukalyptusbäume sind, muss mir dann aber fassungslos Recht geben, als er nach mehreren Versuchen endlich einen Zweig herunterschlagen und daran riechen konnte. Alles deutet darauf hin, dass hier früher einmal ein kultivierter Aussichtspunkt mit einer parkähnlichen Anlage war. Schöne Luft auch hier oben, fast so kühl wie in Deutschland. Unser „Turbulence“ schaut ebenfalls gedankenverloren auf Kingston hinunter, als wir ihn auf diese Ähnlichkeit hin ansprechen. Der lacht nur und sagt: „Ja klar, ich bin sein Bruder.“ Dann verabschiedet er sich und verschwindet auf einem Trampelpfad irgendwo im hohen Gras zwischen den Hügeln.

In den Blue Mountains In den Blue Mountains

In den Blue Mountains In den Blue Mountains

In den Blue Mountains In den Blue Mountains

In den Blue Mountains In den Blue Mountains

Wir begeben uns auch wieder langsam auf den Rückweg. Am Wegesrand stehen viele rot-orange blühende Pflanzen. „Das ist eine Eliconia, die wir auch Lobsterkralle oder Lobsterschere nennen.“, erklärt Peter. „Aber pass mal auf, was die Pflanze noch kann!“ Er trennt einen Blütenstängel ab, lässt ihn nach unten hängen und bewegt ihn immer hoch und runter. „Na was hörst du?“, will er wissen. „Naja, es quietscht eben.“, meine ich dazu. „Mann, dass sind die Betten die hier im Rhythmus quietschen!“, verkündet Peter lachend, und ganz spontan wird das Gewächs „Boom Wuk – Pflanze“ von uns getauft. Tony schüttelt ganz begeistert die Pflanze immer weiter und grinst ohne Ende. Offenbar ist er schon in Gedanken zu Hause in seinem Schlafzimmer.

Eliconia oder im Volksmund Lobsterkralle oder Lobsterschere Tony mit Eliconia

Eliconia oder im Volksmund Lobsterkralle oder Lobsterschere

Als dann langsam unser Auto in der Ferne auftaucht, bleibt mir fast das Herz stehen. Das kann doch nicht wahr sein! Da ist doch tatsächlich noch das Fenster herunter gekurbelt. In meinem Kopf laufen schon die fürchterlichsten Vorstellungen ab – Geld weg, Pässe weg, Stress mit Polizei und Behörden usw. usf.. Die letzten Meter bis zum Auto sind eine Qual und Tony bekommt von allen Seiten Feuer. Der lässt sich aber nicht aus der Ruhe bringen und ist der Meinung, dass hier oben nichts passiert und nur ehrliche Leute hier wohnen. Na hoffentlich hat er Recht. Total entnervt finden wir tatsächlich noch unsere Rucksäcke im Auto. Papiere, Finanzen usw. sind auch noch alle da. Uns fällt ein Stein vom Herzen. Das darf nicht wieder vorkommen. Wir ärgern uns mächtig über Tony. Es ist offensichtlich kein Verlass auf ihn. Erst will er am Auto bleiben und dann lässt er auch noch alles offen, als er sich anders entscheidet. Selbst im verschlossenen Auto würden wir niemals Geld und Papiere zurücklassen. Das ist uns eine Lehre.
Danach geht es wieder die Serpentinen zurück ins Tal in Richtung Kingston. Tony lehnt es ab, weiter nach oben zu fahren, redet allen möglichen Blödsinn und behauptet allen Ernstes, dass wir schon am Ziel gewesen seien. Dann gibt er aber doch noch zu, dass er nur keine Lust hat und ihm die Sache zu lange dauert. Wir fangen an zu bereuen, dass wir nicht doch einen anderen Fahrer organisiert haben. Wir diskutieren, was wir dann mit dem restlichen Tag noch anfangen. Wir würden ja gerne einmal das Rasta Camp Bobo Hill bei Bull Bay sehen, auch wenn es nur aus der Ferne ist. Aber ohne Einladung und Begleitung eines Insiders ist es vielleicht nicht ratsam in diese Gegend zu fahren. Für Tony ist das sowieso völlig abwegig und kommt überhaupt nicht in Frage. Auch in Kingston will er nur bestimmte Straßen fahren und cancelt unseren morgigen Plan völlig, obwohl er den vor Abfahrt in St. Margaret´s genügend erläutert bekommen hat. Nun kann Lothar niemand mehr die Schuld geben. Morgen wollen wir ins Bob Marley Museum und von dort mit Braga, einem alten Freund von Bob Marley, einige Ecken von Kingston besuchen. Unter anderem wollen wir in die Tuff Gong Studios, nach Trenchtown in den Tenement Yard und Sizzla im Judgement Yard in August Town besuchen. Tony stehen offenbar die Haare zu Berge, nur wenn er daran denkt. Er lässt sich nicht beruhigen mit der Einwendung, dass wir mit Bragga den richtigen Mann zur Begleitung haben und auf dessen Einschätzung zur örtlichen Lage vertrauen könnten. „Ich weiß gar nicht wer Bragga ist. Ich lasse mich doch nicht auf fremde Leute ein.“, schließt er das Thema ab. Maximal ins Bob Marley Museum würde er fahren und sonst nirgends hin. Gut, dass wir noch nicht alles bezahlt haben. Ich sage zu Peter, dass wir uns darauf nicht einlassen werden. Entweder Tony fährt den ganzen Tag oder gar nicht. Den Tag bekommt er dann aber auch nicht bezahlt und wir suchen uns einen anderen Fahrer. Das Hin und Her, dort fahre ich hin und dort nicht, da ist weiterer Ärger schon vorprogrammiert. Bis zum Frühstück kann er sich noch dazu entscheiden. Peter will ihn am Abend diesbezüglich noch einmal bearbeiten. Wir lassen das Thema jetzt ruhen, um uns nicht den restlichen Tag zu verderben.
Wir beschließen, für den Rest des Tages nach Port Royal zu fahren. Dazu ist Tony gerade noch bereit.
Port Royal befindet sich auf einer schmalen lang gestreckten Halbinsel, die den Kingston Harbour (Hafen) vor dem Meer schützt. Darauf befindet sich weiterhin der Norman Manley International Airport und am westlichsten Zipfel die Reste von Port Royal und das Fort Charles. Im 17. Jahrhundert war Port Royal eine der reichsten und lasterhaftesten Städte der Erde. Ein Piratennest mit hunderten Kneipen und Bordellen, in denen die Gewinne aus den Beutezügen wieder umgesetzt worden. Der bekannteste und erfolgreichste Vertreter dieser Zunft war Henry Morgen, der es letztendlich sogar bis zum königlichen Gouverneur von Jamaica gebracht hat. Henry Morgan genoss einen Ruf als besonders erfolgreicher Pirat und guter Kapitän. Es galt als eine Auszeichnung, mit ihm auf Beutezug gehen zu dürfen. Seine groß angelegten Plünderungszüge gingen bis auf´s amerikanische Festland. Nur englische Schiffe durften nicht angegriffen werden, da die Piraten von der englischen Krone lizenziert waren. Wer es doch tat, riskierte die Todesstrafe von Seinesgleichen. Fast genau vier Jahre nach dem Tod von Sir Henry Morgan, erschütterte am 07. Juni 1692 ein gewaltiges Erdbeben den Südosten von Jamaica. Port Royal wurde weitestgehend zerstört. Erdspalten öffneten sich und verschlangen Häuser und deren Bewohner. Danach gab eine gewaltige Flutwelle der Stadt den Rest. Ungefähr die Hälfte der Stadt versank mit ca. 2000 Menschen in den Fluten der Karibik. Auch das Grab von Sir Henry Morgen verschwand auf Nimmerwiedersehen. Ebenso all die gewaltigen Schätze, die in der Piratenzeit in Port Royal von Henry Morgan und den Anderen zusammengetragen worden sind.
Wir haben inzwischen die Landzunge nach Port Royal erreicht und genießen von hier aus einen schönen Blick auf Kingston und die Blue Mountains. Die Landzunge ist anfangs so schmal, dass man beidseitig mit wenigen Schritten das Wasser erreichen kann. In der Mitte dann die breiteste Stelle mit dem Flughafen.

Blick auf Kingston von Port Royal aus Blick auf Kingston von Port Royal aus

Blick auf Kingston von Port Royal aus

Wir fahren bis zum Ende der Landzunge zum Fort Charles, wo es Einiges zu besichtigen gibt. Rote Festungsmauern mit vielen Kanonen bestückt begrüßen uns. Fotografieren verboten, ist auf vielen Schildern zu lesen. Na so etwas. Vor dem Fort steht ein kleines Kassenhäuschen.

Port Royal - Fort Charles Port Royal - Fort Charles

Port Royal - Fort Charles Port Royal - Fort Charles

Port Royal - Fort Charles

Die Eintrittspreise sind moderat. Erwachsene müssen 200 und Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre 100 Jays bezahlen. Dafür zieht dieses Mal nicht der Guide-Trick, für Peter ist ebenfalls zu bezahlen. Ich frage noch einmal nach wegen dem Fotoverbot. Man will meine Kamera sehen und fragt nach dem Grund der Fotos. Die geringe Größe der Kamera und die beabsichtigte private Verwendung der Bilder reichen dann aber aus, um mir die Genehmigung zu erteilen. Gut so, da lebe ich ruhiger. Fotografiert hätte ich nämlich sowieso. Im Fort gibt es viele Museumsräume die über die Geschichte von Port Royal erzählen und viele Funde der alten Stadt präsentieren, die Taucher bisher ans Tageslicht gebracht haben. Auf der Umfassungsmauer des Forts kann man entlang gehen und in die Ferne schauen. Überall Kanonen, mehr als genug. In der Ferne sehen wir das Giddy House, ein ehemaliges Lagergebäude der Royal Artillery, welches 1907 bei einem weiteren Erdbeben, schräg in den Sand gesunken ist. Gleich links daneben sind die Überreste einer mächtigen Geschützanlage zu erkennen. Es ist die Victoria and Albert Battery, die vom selben Erdbeben außer Gefecht gesetzt worden ist.

Port Royal - Fort Charles Port Royal - Fort Charles

Port Royal - Fort Charles Port Royal - Fort Charles - Giddy House + Victoria and Albert Battery

Das müssen wir uns natürlich auch noch aus der Nähe ansehen. Wir haben eine ruhige Zeit hier. Weit und breit sind kaum andere Besucher zu entdecken.

Port Royal - Fort Charles - Giddy House Port Royal - Fort Charles - Giddy House + Victoria and Albert Battery

Port Royal - Fort Charles - Victoria and Albert Battery Port Royal - Fort Charles - Giddy House + Victoria and Albert Battery

Als die Abendbrotzeit näher rückt, treten wir den Rückzug an. Besonderen Hunger haben wir nicht. Unser Reiseproviant aus ein paar Minisalami und Obst, hat uns gut über den Tag gebracht. Wir würden gerne eine kleine traditionelle Rastakneipe oder einen Obststand aufsuchen. Tony fühlt sich aber überall unsicher und will so schnell wie möglich nach New Kingston zurück und nirgends anhalten. Also landen wir in einem Kentucky Fried Chicken Restaurant, die wir bisher noch nie von innen gesehen haben. So schlecht ist es dort aber auch nicht. Die Auswahl ist mehr als reichlich, die Preise sind relativ günstig und trinken kann man ohne Ende – allerdings nur alkoholfrei. Das Bierchen zum Abendbrot müssen wir also auf später verschieben. Nach dem Essen noch schnell eine Cola für den Nachhauseweg abgefüllt, Deckel drauf und ab geht´s wieder zum Auto.
Der Weg zum Hotel ist dann nicht mehr allzu weit und schnell erreicht. Wir haben Glück und bekommen auch noch einen Parkplatz im Hotelhof. Dann spülen wir den Staub und Ärger des Tages in der gut funktionierenden Dusche unseres Zimmers ab und gehen im Anschluss in die hoteleigene Billardkneipe. Das Hotel hat zwei Stück davon und somit ausreichend Platz. Das ist gut so, da müssen wir wenigstens nicht auf die nächtlichen Straßen von Kingston und sind hier gut versorgt.
Viele Gäste sind nicht da. Einige schauen in die Glotze, andere spielen was weiß ich was, Madlen, Marion und Peter halten ein Billardturnier ab, und ich genehmige mir endlich ein paar kühle Red Stripes. Wir sind gespannt, was der morgige Tag bringt und vor allem wie sich Tony entscheiden wird.
Mit Bragga ist zumindest schon alles abgesprochen. Er erwartet uns morgen früh im Bob Marley Museum, und dann werden wir weiter sehen.
Die Nacht ist erholsam wie lange nicht. Endlich wieder eine Klimaanlage und ruhig Durchschlafen!

Copyright: Text und Fotos by Reggaestory

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