ETHIOPIA - THE SOUTH
Ein Reisebericht - Teil 2 01.06.2019 – Von Addis Ababa nach Shashemene (24.09.2011 nach dem äthiopischen Kalender)
Nach
einem Tag Akklimatisierung in Addis Ababa starten wir heute in den
Süden. Man könnte dazu von Addis bis Arba Minch
fliegen oder übers Land fahren wie wir das tun. Auf halber
Strecke wollen wir in Shashemene pausieren. Auch wenn sich ein paar
Dinge mit einer früheren Reise überschneiden, werden
wir ganz sicher auch neue Eindrücke gewinnen.
Gegen 8:00 Uhr fällt
für heute der Startschuss. Wir verlassen unser Monarch Hotel
und Addis Ababa in Richtung Süden über die A1 und
wechseln später auf die A7. Kurz nach dem Wechsel auf die A7
erreichen wir nach reichlich anderthalb Stunden den Lake
Koka, der auch Gelilasee genannt wird. Er ist im Zeitraum
1957-1960 entstanden, als man den Awash mit einem 47 m hohen Damm
angestaut hat.
Bild 44 + 45: Am Rande des
Lake Koka der von unzähligen violetten Wasserhyazinthen
gesäumt wird.
Heute ist der See zirka 183 km² groß, fasst knapp 2
Mrd.
m³ Wasser, dient der Energiegewinnung und der Regulierung des
Awash. Als Nebeneffekt hat sich natürlich eine üppige
Pflanzen- und Tierwelt angesiedelt, die auch den jährlichen
Fischfang von über 600 Tonnen ermöglicht und somit
viel zur Nahrungsmittelversorgung beiträgt. An einem
der Fischverarbeitungsplätze halten wir an und schauen dem
Treiben zu, ... wie zahlreiche gelangweilte Einheimische ebenfalls.
Wobei das immer nur auf die Männerwelt zutrifft. ;-) Die
meiste
Arbeit an
den Fischen verrichten wohl die Kinder, und die Abfälle werden
von unzähligen Marabus, Hammerköpfen, Ibissen und
anderem Getier entsorgt.
Marabus,
Ibisse und Hammerköpfe
Hammerköpfe
Bild 46 - 52: Fischverarbeitung am Lake Koka
Den Plastikmüll und andere Abfälle können
die tierischen
Helfer natürlich nicht verwerten. Wenn das so weiter geht,
wird
sich die Bevölkerung ihre Lebensgrundlage selbst entziehen und
das
Naturparadies in eine Müllhalde verwandeln. Der Müll
hat schon
jetzt den Rand der bunten Teppiche aus Wasserhyazinthen erreicht. Wir
wollen gar nicht wissen wie es im Wasser aussieht, obwohl die
unzähligen Hyazinthen eine Visite wert wären.
Bild 53 - 55: Fischverarbeitung am Lake Koka
Gleich nebenan befindet sich ein kleiner Gemüsemarkt auf dem
heute ein paar Frauen überwiegend Tomaten und Zwiebeln
anbieten. Wer hat wohl den schönsten Tomatenturm errichtet
oder die meisten Tomaten in einem Eimer untergebracht?
Bild 56 - 60: Kleiner Gemüsemarkt
am Lake Koka
Video: Fischverarbeitung und
Gemüsemarkt am Lake Koka
Am Lake Koka befindet sich auch eine Ortschaft gleichen Namens an
dessen Südrand sich riesige Gewächshäuser
befinden. Wer
ahnt schon wenn er hier vorbeifährt, dass viele der hier
gezüchteten Blumen zu großen Teilen auf
Deutschlands Balkone, in unseren Gartenanlagen und nicht zuletzt in der
Weihnachtsdeko ihren Auftritt haben werden. Die Red
Fox PLC Blumenfarm (Dümmen Orange) züchtet
auf über 40
Hektar überwiegend Weihnachtssterne und Pelargonien.
Über 2.400 Beschäftigte, die überwiegend aus
Frauen bestehen, sorgen für ständigen Nachschub.
Weitere Informationen findet ihr unter dem angegebenen Link.
Bild 61: Landschaft zwischen Lake Koka
und Lake Ziway in der Nähe von Alem Tena
Wir fahren ein paar Minuten weiter in Richtung Süden bis Alem
Tena. Normaler Weise wäre dieser Ort hier nicht aufgetaucht,
aber da man gerade eine neue Kirche
errichtet und ein beruflich vorbelasteter Kameramann an Bord ist, muss
diese Baustelle mit ins Bild. Die äthiopische
Gerüstbaukunst ist immer wieder beeindruckend. Alle deutschen
Berufsgenossenschaftler bitte wegsehen. ;-)
Bild 62 - 64: Die Saint Marci of Mary Church
im Bau - Alem Tena - Ethiopia
Eine Baustellenexkursion unternehmen wir heute natürlich
nicht. Da haben wir schon interessantere Objekte gesehen und
werden sicher auch auf dieser Reise noch eine Steigerung finden.
Bild 65 - 67:
Vorsicht "Wildwechsel"! Wild sind diese Dromedare natürlich
nicht.
Irgendwo gibt es immer einen Hüter, auch wenn man ihn nicht
gleich
sieht.
Einige Kilometer weiter erreichen wir den Lake Ziway oder Zway, der
mehr als doppelt so groß ist wie der Koka Lake. Der See steht
heute nicht auf unserem Plan, obwohl dessen Bewohner wie Flusspferde
und zahlreiche Vögel einen Ausflug wert wären.
Darüber hinaus befindet sich im See die Insel Tullo Gudo (auch
Tullo Guddu) auf der sich das Kloster Debre Tsion Mariam befindet. In
ihm soll sich im 10. Jahrhundert für 72 Jahre die Bundeslade
befunden haben, bevor sie nach Axum zurückkehrte, wo sie zuvor
aus Sicherheitsgründen ausgelagert wurde. Behütet hat
sie der Stamm der Zay, der seit über 1.000 Jahren hier lebt
und sie auf dem langen Weg nach Süden gebracht hat. Inzwischen
ist die alte Klosterkirche eingestürzt in der die
Bundeslade aufbewahrt wurde. Das Kloster besitzt aber immer noch
zahlreiche Manuskripte und Relikte, die die Bundeslade auf ihrer Reise
begleitet haben sollen. Ein inzwischen im Jahr 2014 eingeweihtes neues
Museum zeigt nun zahlreiche dieser jahrtausendalten Relikte. Die Insel
kann man mit einer anderthalbstündigen Bootstour erreichen. So
viel als kleine Anregung für eine andere Tour.
Am Westufer des Sees legen wir in der Stadt Ziway erst einmal eine
Kaffeepause ein, nachdem wir mehr als die Hälfte unserer
Wegstrecke nach Shashemene zurückgelegt haben. Ziway liegt auf
einer Höhe von 1.643 m über dem Meer und hat zirka
44.000 Einwohner.
Bild 68 - 70: Kaffeepause in Ziway
Nach der Kaffeepause fahren wir wieder an endlos aneinander gereihten
Gewächshäusern vorbei, die sich am Ortsausgang in
Richtung Süden befinden. Die Anlage ist deutlich
größer als die in Koka. Hier werden Rosen
vom niederländischen Familienunternehmen AQ
Roses (kurz für
Ammerlaan Quality Roses) gezüchtet und unter der Marke Rosa Plaza
verkauft. Für mehr Informationen und zahlreiche beeindruckende
Bilder schaut euch einfach unter dem angegebenen Link um.
Bild 71: Schöne Schirmakazien
am Wegesrand
Weiterhin auf dem Weg nach Shashemene durchqueren wir das Gebiet der
drei Seen Abijata, Langano und Shala. Hier befindet sich der
Abijatta-Shalla Nationalpark und das East Langano Nature Reserve. Der
Lake Langano ist der einzige Badesee Äthiopiens der auch
bedenkenlos von Touristen genutzt werden kann. Wenn wir nach 14 Tagen
wieder auf dem Rückweg sind, werden wir hier noch einmal
Station
machen. Deswegen gehen wir heute noch nicht weiter auf diese Reiseziele
ein.
Gegen 13:00 Uhr treffen wir in Shashemene ein und werden von Alex und
Mastu im Haile Hotel zur Mittagspause abgesetzt. Eigentlich wollten wir
hier gar nicht hin aber Mastu möchte keine Abenteuer
bezüglich Essen und Toiletten eingehen. Die Zeit
könnten wir
uns eigentlich sparen, denn Hunger haben wir sowieso nicht und im Haile
Hotel gibt es außer Erinnerungen zu einer früheren
Reise
nichts weiter zu sehen. Da wäre uns ein traditionelles Lokal
bedeutend lieber gewesen. Also versuchen wir die Pause so knapp wie
möglich zu bemessen, wie sie für Alex und Mastu
unbedingt
nötig ist.
Nach der Pause wollen wir ein paar Örtlichkeiten der Rastafari
Community von Shashemene besuchen. Taktisch überlegt wollen
wir
zuerst in die Zion Train Lodge oder zu Ras Hailu und seiner Banana Art
Gallery, um dort das weitere
Vorgehen zu besprechen. Ras Hailu ist eine gute Seele, ehrlich,
besonnen,
sehr
realistisch und weiß was an den verschiedenen
Örtlichkeiten
zu beachten ist. Bei unserem letzten Aufenthalt in Shashemene hatte er
uns einen Begleiter mitgegeben der sich hier gut auskennt. Ohne eines
solchem sollte man sich hier nicht bewegen, wenn man nicht von
verschiedenen Gaunern über den Tisch gezogen werden will.
Leider
hat Mastu unsere Beweggründe nicht verstanden und
hält zuerst
beim Hauptquartier der "Twelve Tribes of Israel" an, und die
ungewollten Probleme nehmen ihren Lauf.
Bild 72: Tor zum Hauptquartier der
Twelve Tribes of Israel in Shashemene
Wir haben ein paar Fotos mit einigen Rastas unserer letzten Reise dabei
und möchten diese zur Einleitung und Kennenlernungsphase an
den
Mann bringen. Sofort ist eine Ansammlung von Rastas und verschiedenen
Wegelagerern um uns herum und bringen in der Folge tatsächlich
eine Person von unseren Fotos zu uns. Die Überraschung ist
gelungen. Er wird für die Verteilung der anderen Fotos Sorge
tragen. Und dann geht doch tatsächlich das Tor der Twelve
Tribes für uns auf. Die Rastas wollen nur eine harmlose
Eintrittsgebühr von 2 USD oder 50 Birr pro Person haben. Wir
sind angenehm überrascht und ahnen nicht in welche Falle unser
Guide Mastu hinter unserem Rücken tappt. Aber dazu
später.
Bild 73: Hinter dem Tor mit Blick auf
das zentrale Gebäude des Hauptquartiers
Ein Rasta namens Mischa nimmt uns in Empfang und wird uns durch das
Gelände führen. Fotos sind überwiegend
erlaubt mit Ausnahme der Vordersite des zentralen Gebäudes
(Bild 73) soweit es Nahaufnahmen der Tafeln im rechten Eingangsbereich
betrifft. Wir hätten gerne ein Video von Mischas
Führung mit seinen ausdrucksstarken und umfassenden
Erläuterungen gemacht. Leider hätte uns das 500 USD
gekostet, was dazu führt, dass wir dankend ablehnen. Immer
wieder erleben wir, dass manche Leute einfach den Bezug zur
Realität verloren haben.
Bild 74 - 80: Veranstaltungsbereiche Bild 77 + 78: Der Davidstern, benannt nach
König David, gilt heute vor allem als Symbol des Volkes Israel
und wurde dereinst auch als "Siegel Salomons" bezeichnet. Dabei wird
jede Flanke eines Zackens einem Stamm Israels zugeordnet, was insgesamt
12 ergibt.
"Morgen Abend haben wir hier ein Event.", erzählt Mischa.
"Dazu seid ihr herzlich eingeladen. Es werden auch einige
Künstler auftreten." Leider sind wir da schon weiter im
Süden. Da haben wir offenbar unsere Reise um einen Tage
verplant. Nach unseren Informationen sollte eigentlich immer Sonnabend
ein Nyabinghi im Tabernakel stattfinden, welches wir mitnehmen wollten.
Das bei den Twelve Tribes am Sonntag was los ist, hatten wir leider
nicht in Erwägung gezogen. Es ist auch schwierig vorher zu
planen, da man äußerst selten von den
örtlichen Kontaktmöglichkeiten ein Feedback
erhält. Hinzu kommt, dass Informationen des Vorjahres im
nächsten Jahr schon wieder überholt sind. Also
verlasst euch nicht darauf.
Bild 81 - 87: Die Zuordnung der 12 Tribes of
Israel zu Farben, Monaten (Geburtstage), Körperteilen,
Eigenschaften und Aposteln, an der Rückwand des zentralen
Gebäudes.
Die zwölf Stämme Israels gehen auf biblische
Erzählungen zurück, nachdem Jakob der auch Israel
genannt, 12 Söhne hatte, die zugleich Stammväter und
somit Namensgeber der 12 Stämme wurden. Die Reihenfolge der
Farben, die sich am Eingangstor und an der Rückwand des
zentralen Gebäudes wiederfinden, ist dabei keineswegs wahllos
angeordnet. Der erste Sohn Jakobs war Reuben oder Ruben, der zweite
Simeon oder Simon, der dritte Levi, der vierte Judah usw.. Allerdings
werden bis zu 20 verschiedene Reihenfolgen diskutiert. Die Reihenfolge
der Monate beginnt dabei hier mit April (Ruben) und endet mit
März (Benjamin). Neben den Monaten und Farben wurden den 12
Stammvätern auch noch bestimmte Bereiche unseres
Körpers, Eigenschaften und die 12 Apostel zugeordnet. Mein
Geburtsmonat Mai trifft doch tatsächlich mit Simon Peter
zusammen, was für ein Zufall. ;-) Darüber hinaus
steht Simeon für "Ohren" und "Glaube". Was den anderen Monaten
und Stammvätern zugeordnet wurde, könnt ihr auf den
Fotos gut nachlesen.
Bild 88: Die Rasdenmäher der
Twelve Tribes
Bild 89: Das blaue
Einlassgebäude mit dem Gästebuch und das Tor von
innen. Zu den zuvor erläuterten Farben kommen oben drauf die
äthiopischen Nationalfarben grün, gelb und rot, die
zugleich die Farben der Rastafari sind. Darunter dann die Farben der
Twelve Tribes in derselben Reihenfolge wie auf den Bildern 81-87. Am
Blechtor ist der Drachentöter St. George, Schutzheiliger der
salomonischen Dynastie zu sehen.
Bild 90: Mischa und Marion im
Kassenhäuschen mit dem Gästebuch, in dem gleichzeitig
die Spenden eingetragen werden. Leider ist das Bild etwas verblitzt.
Wir können euch jetzt viel erzählen was wir
für einen Summe den Twelve Tribes noch hinterlassen haben. ;-)
Bild 91: Wieder draußen
Im Außenbereich wird es plötzlich
ungemütlich, als wir
dem weiteren Begehren verschiedener Wegelagerer nach Spenden oder
"Bezahlung" angeblicher Dienste während unseres
Aufenthalts
nicht nachkommen. Der Hüter der Rasenmäher wirft
sogar mit
Steinen und will Fotos vom Eingangstor der 12 Tribes verhindern.
Eigentlich wollten wir noch entspannt ein Stück weiter am
Black
Lion Museum vorbei gehen und die nachfolgenden Wandbilder ansehen, aber
nun ist auch unsere Stimmung gekippt, was uns zur schnellen Weiterfahrt
veranlasst. Mastu ist der Situation nicht gewachsen. Er ist offenbar
zum ersten Mal an diesem Ort. Er schaut mächtig irritiert und
bedrückt aus der Wäsche. Als er uns dann auch noch
erzählt, dass man ihm noch einmal 5x 300 Birr für uns
alle
und 50 Birr extra für Mischa aus der Tasche gezogen hat,
verstehen
wir warum. Unabhängig davon, dass wir schon den offiziellen
Eintritt bezahlt hatten, ist es offenbar jemand gelungen Mastu
hereinzulegen. Darüber hinaus ist es völlig
unüblich,
dass Fahrer und Guide noch zusätzlich zur Kasse gebeten
werden.
Zumal Alex im Auto geblieben ist. Ganz nebenbei hat sich Mastu auch
noch
einen örtlichen Guide aufzwingen lassen, ohne den wir uns
angeblich nicht in Shashemene bewegen dürften. Unsere
Wahl
fällt auf Mischa, da wir ihn bisher ganz gut verstanden haben.
Da
kommt also noch einmal etwas auf uns zu. Langsam versteht Mastu unsere
Beweggründe, warum wir zuerst zu Ras Hailu oder in die Zion
Train
Lodge wollten.
Kurz darauf klopfen wir an Ras Hailus Wellblechzaun und freuen uns das
er da ist und ihn wiedersehen können. Er öffnet
persönlich das Tor und erinnert sich mit den Worten: "Das
Gesicht
kenne ich." Da hat er natürlich recht und bekommt gleich ein
paar
schöne Fotos von unserem letzten Besuch. Leider sind nicht
mehr
alle unter uns, die auf den Bildern zu sehen sind. Seine lieben Hunde,
die er damals mit Reggae-Boys gerufen hatte, sind inzwischen leider
gestorben. Aber wie wir sehen, tröstet er sich inzwischen mit
anderen Hunden in seinem Garten.
Bild 92 - 95: In der Banana Art Gallery von
Ras Hailu in Shashemene
Bandy Payne, alias Ras Hailu a.ka. Hailu
Tefari ist ein
Rastafari der von der karibischen Insel St. Vincent 1994 nach
Äthiopien kam. Er hat schon im Alter von 10 Jahren eine
besondere Kunst entwickelt, die
weltweit bisher einmalig ist. Er gestaltet Bilder aus
Bananenblättern, allein mit den unterschiedlichen Farben
verschiedener Blattbereiche, die er sorgsam zusammenpuzzelt. Im Laufe
der Zeit hat er sich einen hohen Bekanntheitsgrad erworben und ist
schon zu verschiedenen Ausstellungen eingeladen worden. In seinem Haus
betreibt er eine kleine Banana Art Gallery und bietet seine Kunstwerke
zum Kauf an.
Bild 96 - 98: Ras Hailus Banana Art Gallery
Im Vergleich zu unserem letzten Besuch scheint die Auswahl an Bildern
etwas weniger geworden zu sein. Viele der damaligen Kunstwerke erkennen
wir aber wieder, nur die Preise nicht. Teilweise hat er sie mehr als
verdoppelt, was sicher in Anbetracht seiner Arbeit mehr als berechtigt
ist. Sein Lieblingsbild "Hurricane Janet" ist nicht mehr zu entdecken.
Als wir ihn danach fragen erzählt er uns, dass dieses Bild ein
reicher Russe gekauft hätte. Wenn er schon "reicher" Russe
sagt, können wir uns vorstellen, dass er sich den Abschied von
seinem Lieblingsbild sehr gut bezahlen lassen hat. Wenigstens haben wir
noch ein Foto davon.
Seine Auswahl an verschiedenen Abzeichen und Orden, Banknoten und
anderes aus der Kaiserzeit, ist ebenfalls erheblich zusammengeschrumpft.
Bild 99 - 101: Ras Hailu verabschiedet uns.
Wenn wir wieder einmal nach Shashemene kommen sollten, werden wir ihn
auf alle Fälle wieder besuchen. Wer mehr zu Ras Hailu und
seiner Banana Art Gallery sehen und hören möchte,
schaut einfach in unseren früheren Reisebericht "Ethiopia
Again
- Teil 5"
hinein.
Video: Ras Hailu - Banana Art Gallery
- Shashemene
Unsere nächste Station in Shashemene ist das Nyabinghi
Tabernakel. Wir sind gespannt wie sich das Objekt entwickelt hat und ob
die zahlreichen internationalen Spenden der Vergangenheit inzwischen
Früchte tragen. Allerdings werden wir von einer herben
Enttäuschung empfangen. Der ehemalige Eingang zum
Gelände ist verbarrikadiert, das
Einlasshäuschen verwaist und das Grundstück
verwildert. Wir kommen durch eine unscheinbare Seitentür durch
eine Wellblechwand von einer Sandstraße her, die uns
überhaupt nicht in dieser Lage geläufig ist. Aber das
schlimmste ist das verfallene Tabernakel. Das Dach ist verschwunden und
mit ihm alle Inneneinrichtungen nebst der vielen Bilder. Das
Unkraut wuchert in alle Richtungen und eine Nutzung ist nicht mehr
erkennbar.
Das angedachte Nyabinghi für heute Abend können wir
also knicken. Das ist wohl ein für alle Mal Geschichte, wenn
nicht in Zukunft noch ein Wunder geschieht.
Bild 102: Der neue Eingang zum Nyabinghi
Tabernakel
Bild 103: Das Dach ist weg und das
bisher Geschaffene ist zum Verfall verurteilt
Bild 104: Der mit großen
Steinen verbarrikadierte ehemalige Eingang und das
Einlasshäuschen aus besseren Tagen. Das Tor wurde mit Blechen
verkleidet um den Einblick zu verhindern.
Auch hier haben wir ein paar Fotos unseres letzten Besuchs dabei und
eines extra groß als Wandbild zur Erinnerung an Ras Mweya
anfertigen lassen. Wir dachten die Nyabinghis freuen sich
darüber aber die zwei jungen Männer die uns in
Empfang nehmen und sich mit uns unterhalten, scheinen keinerlei
Beziehung zu Nyabinghi oder dem Tabernakel zu haben. Nach dem
überraschenden Tod von Ras Mweya im Jahr 2016, der an Syphilis
erkrankt gewesen sein soll, fehlt den Leuten offenbar der
führende Kopf und alles geht drunter und drüber bzw.
steil bergab. Unglücklicher Weise kam auch noch hinzu, dass
man dem Tabernakel ein Stück Land für den
Straßenbau weggenommen hat, was diese neue und provisorische
Eingangssituation an ungewohnter Stelle erklärt. Wenn das
Tabernakel nicht den Status einer Kirche hätte, der in
Äthiopien besonders geschützt ist, wäre wohl
das gesamte Grundstück verloren gegangen, wie wir
später erfahren.
Bild 105: Das Funktionsgebäude
hinter dem Tabernakel
Wir wollen noch ein paar Bilder und ein kurzes Video machen.
Für die jungen Männer die uns eingelassen haben geht
das in
Ordnung. Wir haben aber die Rechnung ohne die gerade eintreffenden zwei
Rastafari-Ladies gemacht, die mich fast in der Luft zerreissen und
sofort alles unterbinden. Der Hintergrund
ihres Verhaltens ist sicher die Furcht, dass der internationale
Spendenfluss an das Tabernakel versiegt. Allerdings haben wir den
Eindruck, dass die Spenden nur noch für den
persönlichen Lebensunterhalt und nicht mehr für das
Tabernakel verwendet werden. Man schafft ja nicht einmal mehr die Bank
vor dem Haus zu reparieren, die schon lange keinen Hintern mehr
gefühlt haben dürfte (vergleiche 2015, Bild 556).
Bild 106: Im Funktionsgebäude
des Tabernakels
Auch im Innenbereich des Funktionsgebäudes ist Schluss mit
Fotos.
Vielleicht ist es auch besser so. Wir behalten lieber die Erinnerungen
aus 2015 in unserem Kopf, als wir hier noch Ras Mweyas
Vorträgen
gelauscht haben. Die zahlreiche Bildersammlung ist sowieso erheblich
geschrumpft. Sehr schade darum. Die beiden Damen sind nicht auf
Gespräche aus und die Bilder von Ras Mweya scheinen ihnen auch
keine Freude zu bereiten. Ich versuche weiter die angespannte Situation
zu entkrampfen und frage nach der Spendenbox. Immerhin hat man uns
freundlicher Weise auf's Gelände gelassen. Besonders zu
besänftigen scheint meine Frage die Damen aber nicht. "Du
kannst
das Geld dort in den Schlitz stecken.", meint eine der beiden und
deutet auf die rot-gelb-grüne Tür zum Nachbarraum.
Nix mehr mit gewissenhafter Buchführung mit Eintrag ins
Gästebuch, wie das dereinst bei Ras Mweya noch üblich
war. Wenigstens
können wir auf Nachfrage noch den aktuellen Kalender der
Empress Menen Foundation erwerben, den die Jungs aus einem Nebenraum
holen.
Allen Fans von Äthiopien und Rastafari bzw. deren
Anhängern ist dieser Kalender zu empfehlen. Dieser
mit vielen historischen und aktuellen Bildern versehene Kalender, zeigt
nicht nur die äthiopischen und gregorianischen Daten, sondern
präsentiert auch viele Informationen zu Äthiopien und
Rastafari weltweit.
Bild
107 - 110:
Auszug des Kalenders der Empress Menen Foundation 2018-2019 Deckblatt,
Rückseite und die ersten beiden Seiten
Inzwischen hat es angefangen zu regnen und wir ziehen uns aus dem
Tabernakel zurück. Mischa möchte wissen, ob wir noch
in das Bobo Camp fahren möchten, aber unsere Lust
hält sich nach dem bisher Erlebten in Grenzen.
Darüber hinaus ist uns bekannt, dass dort auch fast niemand
mehr auf dem absterbenden Ast sitzt. Den Rest zur Entscheidungsfindung
besorgt der Regen. Also geht es jetzt zu unserer Unterkunft, die wir
passend zum Thema dieses Mal mit der Zion Train Lodge von Alex und
Sandrine ausgewählt haben. Die Lodge hatten wir
während unseres letzten Besuchs von Shashemene besichtigt und
schon damals für die nächste Reise eingeplant. Siehe
"Ethiopia Again" - Teil
6.
Während uns Alex und Sandrine begrüßen und
unsere Bungalows zeigen, kämpft Mastu den letzten Kampf mit
Mischa aus, der nach dem Verlassen der Twelve Tribes of Israel
eigentlich nur noch unser Gast war und keinerlei Nutzen gebracht hat.
Dennoch lässt sich Mastu noch einmal 100 Bir pro Person aus
der Tasche ziehen. Der erste Rundreisetag ist somit für Mastu
"richtig gut" gelaufen, was man ihm auch deutlich ansieht. Wenn das so
weiter geht, reicht seine Reisekasse nur den halben Weg. Heute ist
jedenfalls erst einmal Schluss und wir machen es uns in der Zion Train
Lodge gemütlich, die ein schöner Naturfleck inmitten
des Jamaican Safar ist, wie das Land Grant der ehemals afrikanischen
Heimkehrer hier genannt wird. Mastu und Alex bleiben nicht hier. Sie
wollen sich eine andere Bleibe suchen und uns morgen früh
wieder abholen. Jetzt haben wir zwei Alexe, ... also bitte nicht
verwechseln. ;-)
Bild 111: Ein kühles Walia Beer
zum "Feierabend" in der Zion Train Lodge
Wir unterhalten uns mit Alex über unsere heutigen
Eindrücke von der Rastafari Community, die uns etwas Sorgen
bereiten. Natürlich kennt er diese negative Entwicklung und
versucht sich inzwischen aus den verschiedenen Gruppierungen
herauszuhalten und sein eigenes Leben zu führen. Schwerpunkt
ist dabei natürlich die Lodge, deren Zukunft keineswegs sicher
ist. Ein wichtiger Umstand ist dabei die komplizierten Rechte am
Landbesitz
weiterhin zu sichern. Der nächste Punkt ist das Bleiberecht,
denn
die Rastas sind noch immer nicht als offizielle Äthiopier
anerkannt und haben keine entsprechenden Papiere. Alle paar Jahre
müssen sie ihr Bleiberecht verlängern lassen. Was die
Rastafaris betrifft, weiß Alex
nicht genau wie viele echte Rastas überhaupt noch auf dem Land
Grant übrig sind. "Die Alten sterben weg und Junge kommen kaum
nach.", so seine ernüchternde Feststellung. Dann schmunzelt er
und sagt: "Wir werden schwächer, aber darin liegt unsere
Stärke." Dann ergänzt er: "Sogar Priest Paul ist
abgehauen und das Bobo Camp ist aufgelöst. Im zweiten Bobo
Camp
sitzt auch nur einer herum."
Bild 112 - 114:
Alex mit den Reggae-Sängern Yécathite
und Jah
Den
Die Zion Train Lodge zieht auch hin und wieder internationale
Reggae-Künstler an, die einmal Shashemene besuchen wollen oder
hier bei einem Event einen Auftritt haben. Die meisten bleiben jedoch
leider in Addis, beklagt sich Alex. Wie wir von ihm erfahren, war kurz
vorher
unser Freund Uwe
Banton aus deutschen Landen hier. Das wäre eine
Überraschung geworden, wenn wir uns getroffen
hätten.
Dafür treffen wir heute die Künstler
Yécathite und Jah Den a.ka. Massa Jah Den.
Yécathite ist auf La Reunion und in Kamerun zu Hause. Jah
Den gibt nur Kamerun als seine Heimat an. Hier ein offizielles Video
von
Yécathite: "Pardonn'
amwin"
Für September 2019 hat er die Veröffentlichung seines
neuen Albums "New Day Revelation" geplant (erschienen am 20.03.2020).
Video:
Yécathite - Jingle
Bild 115 + 116: Yécathite und das
Albumcover von "New Day Revelation"
Bild 117 - 119: Yécathite, Massa
Jah Den und Alex
Jah Den erzählt uns von zwei Alben. Sein erstes mit dem Titel
"Message" wurde schon 2012 veröffentlicht. Für
August dieses Jahres ist die Veröffentlichung seines neuen
Albums "Liberation" geplant. Wie Yécathite singt er dabei
überwiegend in Französisch.
Bild 120 + 121: Jah Den aus Kamerun
Video: Jah Den - Jingle
Bild 122 + 123: Die Albumcover "Message" und
"Liberation" von Jah Den
Hier noch ein Link zu einem offiziellen Video mit Jah Den &
Lion John, damit ihr nicht erst lange suchen müsst: "Militants"
Ein paar kühle Bierchen später und nach einem
vegetarischen
und sehr schmackhaften Süppchen mit Alex und Sandrine an der
frischen Luft, geht dieser erlebnisreiche Tag
für uns zu Ende.
Bild 124 + 125: Die Katzen der Lodge und
Sandrine
Wer mehr über Shashemene erfahren
möchte, dem sei
unbedingt Carsta Schnabels schwergewichtiges Buch "Heimkehr aus
Babylon" empfohlen. Verteilt
über einen Zeitraum von zwei Jahren hat sie auf dem Land Grant
gelebt, dass Haile Selassie Heimkehrwilligen aus der
schwarzen Diaspora zwecks Ansiedlung geschenkt hatte. Die Zion Train
Lodge war dabei ihr beliebter Rückzugs- und Arbeitsort. Der
Wälzer kann beim Rüdiger
Köppe
Verlag, bei Amazon
oder anderen bekannten Plattformen bestellt werden. Mit 621 Seiten
Lesestoff und 1.220 Gramm ist dieses Schwergewicht aber
garantiert keine Reiselektüre. Für alle die sich
schon einmal mit dem Thema auseinander gesetzt haben, wird es momentan
wohl kaum eine umfassendere Weiterbildungslektüre in deutscher
Sprache geben. Hier geht es zu einem gesonderten Artikel
darüber: "Heimkehr
aus Babylon"
Bild 126: Buchcover - Heimkehr aus
Babylon
Wir sehen uns morgen an dieser Stelle wieder, wenn wir weiter nach
Süden in
Richtung Arba Minch fahren und das Volk der Dorze besuchen werden.
Copyright: www.reggaestory.de
Fotos: Marion & Peter Joachim
Text und Videos: Peter Joachim