Ein Reisebericht - Teil 2
18.06.2014 – Addis Ababa - Mount Entoto (11.10.2006 nach dem äthiopischen Kalender)
Heute
setzen wir unsere Erkundung von Addis Ababa fort und werden auch den
naheliegenden Mount Entoto unter die Lupe nehmen, der mit 3.200 Metern
über dem Meer, die durchschnittliche
Höhenlage der Stadt um fast 1.000 m
überragt. Neben einigen sehenswerten Kirchen und den ersten
Palastanlagen von
Menelik II., haben wir einen Teil des Tages für den Mercato,
den
größten Freiluftmarkt Afrikas vorgesehen. Wir werden
sehen
wie viel Zeit uns am Ende des Tages verbleibt. Schon bei unserer letzten
Äthiopien-Reise hatte es dafür leider nicht mehr
gereicht.
Punkt 9:00 Uhr steht unser
"Taxi" bereit. Bevor wir uns auf den Mount Entoto begeben,
möchte Henok seine Verhandlungen mit der Priesterschaft der
Meskea-Hazunan Medhane Alem fortsetzen. Also warten wir ein zweites Mal
auf dem Hof dieser Kirche, während Henok auf der zeitraubenden
Suche nach
dem obersten Kirchenvater ist.
Bild
114:
Meskea-Hazunan Medhane Alem - Rückseite
Er hat tatsächlich Erfolg. Wenn wir zweimal 200 Birr der
Kirche überlassen, dürfen wir uns frei im
Gelände bewegen und aufnehmen was wir wollen. Nach so viel
Mühe um die Sache, gehen wir selbstverständlich
darauf ein. Was dann passiert, ist irgendwie unglaublich. Ab sofort
beobachtet uns keiner der Aufpasser mehr, und man lässt uns
gewähren. Wie hat sich das nur so schnell herumgesprochen?
Schließlich wollte auch niemand die Genehmigung sehen.
Auf die besondere Geschichte und den Stellenwert der Kirche, sind wir
gestern ausführlich eingegangen. Wer sich erst an dieser
Stelle zu uns gesellt, sei deshalb zuerst auf Teil
1 dieses Berichts verwiesen.
Bild
115 + 116:
Die Chefgenehmigung und eine Seitentür der Kirche
Ganz entspannt und völlig unheimlich, können wir nun
mit der Kamera hantieren und schauen uns zuerst noch einmal im
Außenbereich um.
Über dem Haupteingang der Kirche ist eine Tafel angebracht,
auf der ein Zitat von Kaiser Haile Selassie verewigt worden ist.
Bild
120: Zitat
von Kaiser Haile Selassie - Detail aus Bild 119
Hier die englische Übersetzung von unserem Freund Henok:
"We, Haile Silasie I, Emperor of Ethiopia
Put the corner stone of ‘MISKAYE HIZUNAN
MEDHANEALEM’/”The Holy Savior, shelter of people in
poverty” church on May 05, 1948 (Miazya 27, 1940E.C) for the
liberation of our soul & the commemoration of our name.
It was finished within two years on May 05, 1950 (Miazya 27, 1942E.C)
and the replica Ark of the Covenant that we took in was the one that we
used to pray when we were in our little prayer cell in England starting
on May 05, 1937 (Miazya 27, 1929E.C).
Then, when our God make us return back home safely, we built his place
where he will be praised by his people."
Gehen wir nun hinein und schauen uns den Kirchenraum an.
Bild
121 - 124:
Meskea-Hazunan Medhane Alem
Bild
125:
Meskea-Hazunan Medhane Alem - Blick in die Kuppel
In keiner Kirche sollte man den Blick nach
oben vergessen. Auch
hier ist die Hauptkuppel prächtig ausgemalt. Die
Atmosphäre ist immer wieder beeindruckend. Aus jedem Winkel
hört man das Flüstern der Betenden, und ein
Lichtstrahl fällt ausgerechnet jetzt, fast wie auf Bestellung
auf den Heiligen Georg, dem wichtigsten Schutzheiligen der
äthiopischen Herrscher.
Bild
126 + 127:
Drachentöter St. George im Lichtstrahl der einfallenden Sonne
Noch interessanter wird es, wenn man das Glück hat auf einen
Gottesdienst zu treffen und den Gesängen der Priester
beiwohnen kann.
Hier noch ein kurzes Video zur Kirche inklusive eines kleinen
Ausschnittes vom Gottesdienst.
Live
Video:
Meskea-Hazunan Medhane Alem (Church of the Savior of the World,
Consoler of the Bereaved)
Verlassen wir das Kirchengelände wieder und begeben uns in
Richtung Mount Entoto.
Bild
129:
Meskea-Hazunan Medhane Alem - Toreinfahrt zur Kirche von innen gesehen
Schon bald verlassen wir das Stadtleben und tauchen in einen
Eukalyptuswald ein. Der Samen für die ersten
Eukalyptusbäume
wurde schon Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Franzosen ins Land
gebracht, nach dem der Entoto seiner ursprünglichen Bewaldung
völlig beraubt war. Da sich jedoch Eukalyptus nachteilig auf
den
Wasserhaushalt, die Bodenstruktur, sowie auf die einheimische Pflanzen-
und Tierwelt auswirkt, ist man in den letzten Jahren bestrebt, nach und
nach die einheimischen Gehölze wieder anzusiedeln. Im Rahmen
dieses Entoto
Naturpark Projektes sind bereits erste Erfolge zu verzeichnen.
Auf dem Weg nach oben treffen wir wieder auf unzählige
Lastenträgerinnen, die sich mit Feuerungsmaterial für
die
Stadt abschleppen. Hierzu schaut einfach in die 2013er Reportage
"Ethiopia By Bus" hinein, speziell in Teil
15. Wir schließen heute an jener Stelle an, wo wir
leider in 2013 aufgehört haben.
Also lassen wir heute die Holztransporte undokumentiert hinter uns und
fahren weiter nach oben. Ein Halt an den Aussichtspunkten mit Blick
auf die Stadt,
lohnt sich heute auch nicht. Die "Neue Blume" wie Addis Ababa auf Amharisch heißt, erstickt gerade noch im Morgennebel der
unzähligen Herdfeuer und Autoabgase. Es ist kaum etwas zu
sehen.
Unsere erste Station auf dem Entoto, den Ras Menelik im Jahr 1878 zu
seiner neuen Residenz gewählt hat, wird die Marienkirche
(Kidist
Maryam / St. Mary´s Church) sein. Die Kirche wurde in den
darauffolgenden Jahren,
unmittelbar in Nähe der ersten Palastanlagen von Menelik, von
Handwerkern aus Gondar
errichtet. In dieser Kirche wurde auch Menelik 1878 zum König
und 1889 von
Erzbischof Matewos (Mateos) zum Kaiser gekrönt. Der heutige
Bau wurde jedoch erst nach Meneliks Tod als
Steinbau wieder errichtet. Früher stand an dieser Stelle eine
Holzkirche die langsam verfiel, als Ras Menelik seine Residenz auf
Bitten seiner Frau Taitu, im Jahr 1886 in das Tal des heutigen Addis
Ababa verlegte.
Bild
130 - 132:
Torbogen zum Gelände der Kidist Maryam und der historischen
Palastanlagen von Menelik und Taitu. Links hinter dem Torbogen (nicht
sichtbar) befindet sich das 1987 errichtete Kirchenmuseum, das in der
Bauweise einer äthiopischen Rundkirche ähnelt +
Quittung für Eintritt und Videogenehmigung
Bild
133 - 137:
Im Gelände der Kidist Maryam / Marienkirche
Im unmittelbaren Umfeld der Kirche gibt es noch diverse
historische Bauten aus den Anfängen der Entotobesiedlung und
der unmittelbaren Zeit vor und nach Kaiser Menelik II.
Bild
138 - 140:
Die erste historische Kirche auf dem Hof der Kidist Maryam, erbaut von
Ras Menelik im Jahr 1877, und ein Blick in das Innere (im westlichen
Bereich des Geländes)
Bild
141:
Daneben das Torhaus "Deje Salam" erbaut von Menelik,
König von
Shoa, im Jahr 1887 (Im Jahr 1878 wurde Ras Menelik zum König
von Shoa und 1889 zum Kaiser Menelik II. von Äthiopien
gekrönt - soweit zum Verständnis der
unterschiedlichen Bezeichnungen)
Bild
142:
Gebäude in Kirchennähe (im Hintergrund von Bild 141
rechts)
Bild
143 + 144:
Glockenturm - Erbaut von Taitu im Jahr 1887
Bild
145:
Eingangstür zum Glockenturm Bild
146:
Eingangstür zu einer Gedenkstätte für
Empress Taitu & Menelik II., erbaut von einem Cousin von Haile
Selassie (südöstlich des Glockenturmes)
Bild
147:
Geländeübersicht - Google Map >> Zur
Vergrößerung auf das Bild klicken
Im Zentrum des Bildes sieht man die Marienkirche, links davon das
Torhaus und die historische Kirche der Bilder 138-141. Leicht
südlich davon, zwischen Torhaus und Marienkirche, befindet
sich
der Glockenturm. Oberhalb der Marienkirche, mit rotem Dach, sieht man
das Kirchenmuseum und rechts unterhalb der Marienkirche, an der
Außengrenze der ringförmigen Bebauung, stehen
Gebäude
der alten Palastanlage (mehrere graue Dächer).
Gehen wir nun weiter am Glockenturm vorbei, in Richtung der
alten Residenz von Ras Menelik und Taitu. Auf halber Strecke befindet
sich die erste Grabstätte von Empress Taitu, die erst
später in das Menelik Mausoleum umgesetzt worden ist.
Bild
148: "Shera
bet", die erste Grabstätte von Empress Taitu von 1918, bis zur
späteren Umbettung in das Menelik Mausoleum auf dem Gibbi,
nach dessen Fertigstellung im Jahr 1927.
Bild
149 - 151:
Auf dem Weg zwischen Taitus erster Grabstätte und den alten
Palastanlagen
Ein Stück weiter befinden sich bereits die mit
Pflanzenmaterial
eingedeckten Bauwerke der alten Palastanlagen.
Äußerlich
sehen die Gebäude recht unscheinbar und nicht sehr
groß
aus. Erst innen erkennt man wie hoch die Räume sind und mit
welcher Kunstfertigkeit früher die Dächer hergestellt
worden
sind. Die alten Gras- oder Schilfdächer werden immer mehr von
Wellblechdächern abgelöst. Die Kunst der alten
Dachherstellung geht nach und nach verloren.
Einrichtungsgegenstände gibt es in den Gebäuden nicht
mehr.
An den verschiedenen Türen sind kleine Schilder angebracht,
die
Hinweise zu den unterschiedlichen Raum- und Türfunktionen
geben.
Nicht jede Tür durfte früher von jederman benutzt
werden,
auch wenn sich später alle Personen im selben Raum getroffen
haben.
Bild
152 + 153:
Wohngebäude von Menelik und Taitu. Im Obergeschoss befand sich
das Schlafzimmer mit Balkon.
Bild 154 +
155: Blick in die kunstvolle Dachkonstruktion des
Schlafzimmers
So richtig öffentlich ist dieser Raum
nicht. Man sollte vorher den Wärter der Anlage fragen, der
sich
diesen Raum als persönliches Domizil auserkoren hat.
Bild
156:
"Wärtergarderobe" im Schlafzimmer
Gehen wir jetzt in das größere Gebäude, in
der sich die Audienzhalle befindet.
Rechts der
Eingang der Prinzessin
Platz
für das Podium von Menelik und Taitu
Bild
157 - 160:
Menelik Palace - Vergleicht man außen und innen, ist man
schon ein wenig überrascht, wenn man die Türen mit
und ohne Größenvergleich sieht. Bild 160:
Links neben der Säule ist der "Fitawrary" Eingang - Eingang
für den Kriegsminister. Der "Dejazmach", Befehlshaber der
kaiserlichen Truppen, hatte ebenfalls seinen eigenen Eingang.
Zu gerne würde ich einmal rückwärts blicken
und das ursprüngliche Treiben in diesen Räumen
beobachten.
Bild
163 + 164:
Menelik Palace
Gehen wir wieder zurück über das Gelände der
Kidist Maryam und drehen noch eine Runde auf der oberen
Kirchenterrasse. Auf der Kirchenrückseite gibt es ebenfalls
einen Zugang zur Terrasse.
Bild
165: Noch
einmal Taitus Glockenturm aus einer anderen Perspektive
Bild
166 + 167:
Kidist Maryam / Marienkirche - Details der Außenfassade -
Interessant ist die völlig unauffällige
Dachentwässerung, die an jeder Holzsäule in
quadratischen Fallrohren nach unten geführt wird.
Bild
168 - 171:
Kidist Maryam / St. Mary´s Church / Marienkirche
Hier noch ein zusammenfassendes Video. Viel Spaß beim
Rundgang und Atmosphäre schnuppern!
Live
Video:
Kidist Marym / St. Mary´s Church / Marienkirche + Menelik
Palace - Mount Entoto
Im Anschluss daran besuchen wir noch das interessante Kirchenmuseum, in
dem nicht nur kirchliche Dinge, sondern auch viele
Gebrauchsgegenstände von Menelik II. und Taitu, nebst Kronen,
Garderobe und Möbel zu besichtigen sind. Hier herrscht
striktes Fotoverbot und gefilmt darf natürlich erst recht
nicht werden. Alles muss vor dem Eintritt in ein nicht sehr viel
Vertrauen erweckendes Schließfach deponiert werden. Henok hat
sein Handy bei sich behalten, natürlich nicht um heimlich
Bilder zu schießen, sondern um für uns bei
bestimmten Begriffen den Translator benutzen zu
können. Da haben wir jedoch die Rechnung ohne die emsigen
Aufpasser gemacht. Irgendwie sehen die hier immer alles und sofort.
Henok kommt gar nicht dazu einen Begriff auf dem Handy fertig zu
suchen, und schon ist das Handy einkassiert. Nach der Museumsrunde
gibt´s das natürlich wieder zurück und in
unserem wackligen Schließfach ist auch noch alles an seinem
Platze.
Fahren wir die Straße noch ein Stück weiter und
besuchen die Kirche des heiligen Raguel. Es sind maximal anderthalb
Kilometer bis dahin. Die Kiddus Raguel Church liegt ein Stück
westlich von der Kidist Maryam im Entoto Natural Park.
Bild 172 - 176: Am
Eingang zur St. Raguel Church
Die Kirche des heiligen Raguel liegt auf einer Höhe von 3.008
m über dem Meeresspiegel. Sie wurde unter Führung des
indischen Baumeisters Haji Khawas um 1885 errichtet. Dadurch entstand
die für äthiopische Kirchenbauten sehr
ungewöhnliche zweistöckige Bauweise, mit Kirchenraum
und dem Allerheiligsten im Obergeschoss. Etwas abseits der Kirche
befinden sich vier in den Fels geschlagene Räume, die zum Teil
der Zeit von Kaiser Dawit (1382 - 1413) zugeschrieben werden und
früher als Kirche genutzt wurden. Dies auch noch unter der
Zeit von
Menelik II, bis die neue Kirche des heiligen Raguel fertiggestellt war.
Neben der Kirche befindet sich eine Gruft, in der Kaiser Menelik II.,
bis zu seiner Umbettung in das Mausoleum auf dem Gibbi, bestattet war.
Bild
177 - 180:
Auf dem Gelände der St. Raguel Church
Besuchen wir zuerst die in den Felsen geschlagenen Höhlen, die
hinter einer weiteren Einzäunung liegen. Viel zu sehen gibt es
in diesen Räumen aber nicht. Zu den berühmten
Felsenkirchen Äthiopiens kann man hier nicht im Entferntesten
einen Vergleich ziehen.
Bild
181 + 182:
Die Höhlenkirche neben der St. Raguel Church
Weiterhin im Gelände befindet sich ein kleiner schmuckloser
Bau, der ein Museum zu Menelik II. enthält.
Erstaunlicher Weise darf hier nicht fotografiert werden, obwohl die
Museumsausstattung gar nicht so herausragend ist.
Gehen wir weiter und unternehmen nun eine gründliche
Besichtigung der St. Raguel Church.
Bild
183 - 185:
St. Raguel Church - Kuppelkreuz und Menelik II.
In völlig untypischer Weise betreten wir also den Kirchraum in
der zweiten Etage, dem wiederum ein Umgang vorgesetzt ist, wie an der
äußeren Dachabstufung bereits deutlich erkennbar
ist. In diesem relativ schmucklosen Umgang wird man von Kaiser Menelik
II., von einem großen Gemälde
begrüßt. Der von außen erkennbare zentrale
Kuppelbau setzt sich als innerer Kubus nach unten fort, beinhaltet das
Allerheiligste und ist mit vielfältigen Malereien
ausgestattet. Versuchen wir einige dieser Wandgemälde im Bild
einzufangen.
Bild
186 + 187:
Reiterheilige
Bild
188: Engel
Raguel und der Kaiser (rechts unten fortführend um die Ecke zu
Bild 187
Bild
189 + 200:
Drachentöter St. George und darunter das Martyrium der 12
Apostel.
Bild
201 + 202:
Bild 201:
Fortsetzung nach oben von Bild 189
Bild
203 - 206: Bild
204: Die
Guten in den Himmel und die Bösen in die Hölle ;-) Bild
205: Haile
Selassie und links daneben Zauditu (Tochter von Menelik)
Bild
207 - 209:
Alle drei Bilder jeweils in Fortführung von oben nach unten
- Wundertaten von Jesus und ganz unten Marias Tod mit Jesus
und 11 Apostel
Bild
210: Detail
aus Bild 208
Bild
211 - 213:
Eine der 8 Bildseiten von oben nach unten jeweils fortgesetzt (rechts
anschließend an Bild 207-209)
Bild
214 + 215:
Details aus Bild 211 Bild 214:
Jesus wäscht Petrus die Füße Bild 215:
Das Abendmahl - Judas wird vom Teufel "geritten"
Soweit der ausgedehnte Streifzug durch die Malerei der St. Raguel
Church und durch die biblische Geschichte.
Bild
216 - 218:
St. Raguel Church - Der Prophet Elias
(Elija, Ilja, ...) wird von Raben ernährt - Werbung
für Bau eines
Kirchenmuseums
Und hier noch ein zusammenfassender Rundgang in bewegten Bildern.
Live
Video: St.
Raguel Church
- Mount Entoto
Jetzt wäre es eigentlich Zeit irgendwo ein Imbiss einzunehmen,
und da
rückt Henok plötzlich mit einer
Überraschung heraus. Er lädt uns zu sich nach Hause
ein. Seine Frau hat schon ein Essen für alle vorbereitet. Die
Überraschung ist ihm gut gelungen.
So verlassen wir den Entoto und fahren wieder nach Addis hinunter. Das
Zuhause von Henoks Familie liegt fast auf unserer weiteren Tagesroute.
Etwas abseits der Hauptverkehrsstraßen wird es schlagartig
ruhiger und viele kleine Häuschen liegen
ineinandergeschachtelt an einem Hügel. Henok führt
uns durch zahlreiche schmale Gassen, bis wir das Gehöft auf
seinem Grundstück erreichen. Allein würden wir uns
nicht wieder hierher finden. Wir treten durch eine Holztür in
einer schmalen Nebengasse auf einen Innenhof um den sich mehrere kleine
Häuschen scharen, die eng aneinander gebaut sind. Henok stellt
uns seine Frau und seine kleine Tochter vor. Als die Speisen
aufgetischt werden, sind wir nahezu sprachlos. Es wird ein regelrechtes
Festmahl. So gut haben wir in Äthiopien bisher in noch keinem
Restaurant gegessen. Henoks Frau hat sich auf alle Geschmäcker
eingestellt und entsprechend vielfältig ist das Essen und
zahlreich die Gefäße auf dem Tisch. Wir
"müssen" natürlich alles ausprobieren und sind am
Ende so satt, dass wir das Wort Essen sicher erst am nächsten
Tag wieder hören können.
Bild
219: Henok
und Familie
Nach dieser ausgedehnten und sättigenden Pause, fällt
es recht schwer den Tagesplan fortzusetzen. Aber wir müssen
wieder los. Die Zeit ist schon recht weit fortgeschritten und wird
nicht mehr für alle Tagesziele ausreichen. Aber wir wollen ja
schließlich wiederkommen.
Nächste Station ist die Bole Medhane Alem Cathedral. Bole
Medhane Alem bedeutet "Saviour of the World" und ist eine der
größten Kirchen von Afrika. In Addis Ababa ist sie
momentan die größte Kirche. Vor dessen Errichtung
war die Selassie-Kathedrale / Dreieinigkeits-Kathedrale / Holy Trinity
Cathedral die größte Kirche von Addis Ababa und
Äthiopien. So ein Bauwerk darf
natürlich nicht im Programm fehlen. Sie liegt ein paar
Kilometer östlich vom Stadtzentrum. Der Stadtverkehr ist
gerade jetzt angewachsen und mächtig
zähflüssig. Henok sucht nach Abkürzungen und
fährt wie ein Weltmeister durch ein Verkehr der wenig bis
keine Regeln zu kennen scheint. Das wäre nix für uns.
"Als Autofahrer in Addis brauchst du 1000 Augen, und die auf
allen Seiten!", lacht Henok.
Als wir unser Auto eingeparkt haben und in Richtung Kathedrale wandern,
kommt uns schon aus weiter Ferne ein Wärter laut
gestikulierend
entgegen. Die auf Touristen geeichten Adleraugen der Aufpasser haben
uns schon wieder entdeckt. Also erst einmal ein Ticket lösen,
bevor die Kamera zum Einsatz kommen darf. Dafür wird uns dann
aber
sogar freundlicher Weise die Kirche aufgeschlossen, die eigentlich
gerade nicht geöffnet ist.
Bild
221 - 227:
Bole Medhane Alem Cathedral
Bevor der Schlüssel im Anmarsch ist, bleibt noch etwas Zeit
den großen Vorplatz zu überqueren und die Kathedrale
aus der Ferne aufzunehmen. Auf der Hauptsichtachse wurde eine zirka 300
m lange Fußgängerpromenade
mit einem Jesusbrunnen angelegt, die am Kreisverkehr am Ende der
Namibia Street beginnt und vor dem großen Kirchenvorplatz
endet.
Als wir schließlich eintreten sind wir wieder total
beeindruckt. Jede Kirche, die wir bisher angesehen haben, ist ein
kleines Meisterwerk, und keine hätte man weglassen
können.
Bild
230 - 233:
Eine atemberaubende und wunderschön ausgemalte Kuppel
lässt vor dem Allerheiligsten das Tageslicht in die Kirche
fallen.
Bild 234 + 235:
Kuppeldetails
Wer sich hier mit allen Bildern auseinandersetzen möchte,
sollte viel Zeit und einen Laserpointer mitbringen. Sonst wird es
schwierig mit der Bildererklärung. In diese Situation
gerät man aber bei den meisten äthiopischen Kirchen.
Bild
236: Der
heilige Yared - Erfinder der äthiopischen Kirchenmusik
Ein sehr interessanter Beitrag zu Yared und der äthiopischen
Kirchenmusik ist hier
hinterlegt.
Bild
237: St.
Tekla Haimanot mit nur einem Bein und Flügeln
Langsam müssen wir uns sputen, wenn wir noch einen Einblick in
den Mercato bekommen wollen. Es ist inzwischen fast 17:00 Uhr geworden und
nicht mehr viel Zeit bis zum Einbruch der Dunkelheit. In
Äquatornähe geht das immer recht schnell, da die
Sonne hier nahezu senkrecht unter geht. Den Besuch der großen
Moschee (Anwar Mosque) am Mercato müssen wir streichen,
dafür reicht
die Zeit nun nicht mehr. Eigentlich wollten wir für mehrere
Stunden ganz entspannt den Mercato erkunden und ein paar
Einkäufe tätigen. Auch das bleibt eine Illusion und
kommt auf die Liste für ein nächstes Mal. Ein paar
Kilometer haben wir uns auch noch durch das Verkehrschaos zu bewegen.
Henoks "1000 Augen" sind im Dauereinsatz und nebenbei organisiert er
noch einen Freund per Handy, der das Auto später
übernehmen und an eine andere Stelle bringen soll. Das dient
der Optimierung unserer Wanderung durch Teile des Mercato.
Bild
247 + 248:
Benin Mosque an der Wawel Street - Schnappschuss aus dem Auto
Unterwegs gäbe es noch so einige mögliche
Haltepunkte. Leider fehlt uns die Zeit. Neben teilweise schwer
durchschaubaren dichten Straßenverkehr kommen noch jede Menge
Straßenbaustellen dazu, die das Chaos noch
verstärken. Die vielen Baumaßnahmen versprechen aber
für künftige Jahre ein wenig Entlastung. Teilweise
fährt man durch abgebrochene Häuser hindurch, und die
verbliebenen Reste werden weiterhin von der Bevölkerung zu
Wohn- und Handelszwecken genutzt.
Bild
249:
Gebäuderest mit Shop
Bild
250:
Händler am Straßenrand
Wir fahren an der Anwar Mosque vorbei und sind so gut wie am Ziel. Die
nicht uninteressante Fahrt von der Kathedrale bis zum Markt, hat uns
zirka eine Dreiviertelstunde gekostet. Wenn wir mehr Zeit gehabt
hätten, wären bestimmt so einige
Haltewünsche noch dazu gekommen. Zwischendurch hat Henok
seinen Freund abgeholt, der nun das Auto übernimmt und am Ende
unserer Mercato-Wanderung warten soll. Jedes
überflüssige Gepäckstück sollen wir
im Auto lassen, und von Henok gibt´s eine eindringliche
Belehrung zum Verhalten des bevorstehenden Marktdurchganges. Keiner
darf stehenbleiben ohne ihm vorher ein lautes "Stop"
zuzurufen. Die Chance sich zu verlieren oder in ungewollte Situationen
zu geraten ist sonst zu groß. Alle wichtigen Dinge
schön festhalten und ja nichts aus den Augen lassen. Das Thema
kennen wir schon. Bis jetzt hat mir aber noch niemand meine Kamera
entrissen, und wer in finsterer Nacht den Vorabend der Axum-Prozession
überstanden hat (siehe Ethiopia By Bus - Teil
6), wird wohl auch hier gut durchkommen. Also
stürzen wir uns in´s Marktgetümmel so lange
es noch hell ist.
Bild
251 - 260:
Auf dem Mercato von Addis Ababa
Der große Markt von Addis, Mercato genannt, gilt als
größter Markt von ganz Afrika. Das Gelände
erstreckt sich über mehrere Quadratmeilen und
beschäftigt schätzungsweise über 13.000
Menschen in rund 7.100 Geschäften. Gegenwärtig ist an
vielen Bereichen des Marktes ein Umbruch zu erkennen. Die
Stadtführung möchte die vielen kleinen
Freiluftstände und interessanten Einzelshops in
große mehrstöckige Markthallen unterbringen. Einige
davon sind schon fertiggestellt und in Betrieb. Wenn die Entwicklung so
weiter geht, wird man den Markt in absehbarer Zukunft nicht mehr so wie
heute erleben können. Auch für die kleinen
Händler sind die neuen Marktgebäude keineswegs in
jedem Fall ein Vorteil.
Bild
261 - 269:
Addis Ababa - Mercato
Am liebsten könnte man sich hier alle paar Meter irgendwo
unauffällig in die Ecke setzen und nur das Treiben in
diesem endlosen Gassengewirr stundenlang beobachten. Was wir uns
ansehen ist aber nur ein äußerst geringer Teil des
Mercato. Leider können wir den Lauf der Sonne nicht aufhalten.
Unsere Zeit mit Handeln und Einkäufen zu verkürzen,
können wir uns heute nicht mehr leisten. Also sammeln
wir alle möglichen Eindrücke, die wir auf
unserer Wegstrecke nur kriegen können. Das nächste
Mal kommt ganz sicher irgendwann.
Bild
270 - 278:
Addis Ababa - Mercato
Wie auf anderen Märkten auch, gibt es hier für jede
Branche einen gesonderten Bereich. Wer sich für Lebensmittel,
Textilien, Korbwaren, Plastikkanister oder was auch immer interessiert,
kann dies bis zur völligen Ermüdung stundenlang
auskosten. Was man hier nicht findet, gibt es vermutlich auch wo anders
nicht.
Und hier könnt ihr noch einmal selber in die
Marktatmosphäre eintauchen.
Live
Video:
Addis Ababa - Mercato
Inzwischen wird es langsam duster und erste Regentropfen fallen aus dem
zugezogenen Himmel. Da haben wir gerade noch so die Kurve bekommen.
Unser "Taxi" wartet auch schon am vereinbarten Treffpunkt, und der
Rückfahrt zum Hotel steht nichts im Wege.
Wieder im Hotel, nehmen wir noch einmal den hauseigenen Shop unter die
Lupe und entdecken eine DVD über das Leben von Kaiser Haile
Selassie. Die muss natürlich auch noch mit in das noch
fertigzumachende Reisegepäck. Es wird sicher interessant sein,
was das heutige Äthiopien über Haile Selassie zu
sagen hat.
Bild
279:
DVD über das Leben von Haile Selassie - Immer wieder
verwirrend sind die unterschiedlichsten Schreibweisen von Personennamen
in Äthiopien. Haile Selassie ist natürlich nicht zu
verwechseln, aber
bei vielen anderen historischen Persönlichkeiten muss man
schon höllisch aufpassen, dass man aus einer Person, auf Grund
der verschiedenen Bezeichnungen, nicht mehrere macht.
Am Abend ist natürlich wieder Kulturprogramm angesagt und
Henok steht punkt 20:00 Uhr vor dem Hotel zur Abholung bereit.
Heute geht es in´s "2000
Habesha Cultural Restaurant", das wir schon vom Vorjahr
kennen. Ans Essen können wir auf Grund der außerordentlichen
Mittagsversorgung bei Henoks Familie, zwar immer noch nicht denken,
aber eine Abendveranstaltung muss schon noch sein. Wir haben
Glück und dürfen auch ohne Inanspruchnahme des
Abendbuffets in das Lokal.
Live
Video:
2000 Habesha Music Band - 1/3 - 2000 Habesha Cultural Restaurant
Live
Video:
2000 Habesha Music Band - 2/3 - 2000 Habesha Cultural Restaurant
Bild
279 - 283:
Im
2000 Habesha Cultural Restaurant
Morgen früh ist leider unser Kurzaufenthalt in Addis schon
wieder vorüber. So können wir uns nur recht schwer
aus dem Geschehen lösen.
Live
Video:
2000 Habesha Music Band - 3/3 - 2000 Habesha Cultural Restaurant
Irgendwann ist der Abschied aber nicht mehr hinauszuschieben, Henok
schießt noch ein Erinnerungsfoto und dann geht´s
zur letzten Nachtruhe.
Bild
284: Auf
Wiedersehen bis zum nächsten Mal!
19.06.2014 -
Addis Ababa - Frankfurt
Henok lässt es sich natürlich nicht nehmen uns 7:00
Uhr morgens zum Flughafen zu fahren. Und während wir in der
Nacht geschlafen haben, hat er doch tatsächlich noch ein
paar der gesuchten St. George Biergläser als Abschiedsgeschenk
aufgetrieben, die wir schon im letzten Jahr vergeblich gesucht hatten.
Die Überraschung ist ihm gut gelungen.
Copyright: www.reggaestory.de
Fotos: Marion & Peter Joachim
Text + Videos: Peter Joachim
Vielen Dank an Henok für seine Unterstützung bei
unserem Aufenthalt in Addis und der nachträglichen
Aufarbeitung unserer Reiseerlebnisse, sowie verschiedener
Übersetzungen aus dem Amharischen.