Ein Reisebericht - Teil 1
02.05.2017 - Addis Ababa - Little Entoto (24.08.2009 nach dem äthiopischen Kalender)
Da
man uns auf dem Weg nach Madagaskar von hiesigen Veranstaltern mit "dem
Nippel durch die Lasche ziehen" und erst mit dem Flieger nach
Dubai, Ankara oder Südafrika schicken wollte, haben wir
natürlich den kürzesten Weg über
Äthiopien selbst gewählt. Leider hatte kein
Reiseveranstalter dies als Option angeboten. Ja und wenn wir einmal mit
der Ethiopian Airlines in Addis landen, wäre es doch
verrückt, wenn wir bei der Gelegenheit nicht unsere Freunde
besuchen und ein paar Dinge unternehmen. Das wegen dem
längeren Aufenthalt nötige Visum nehmen wir da gerne
in Kauf.
Obwohl man uns in Frankfurt
vor dem Start erst 30 Minuten auf der Rollbahn warten lässt,
fliegt die Ethiopian Airlines so gut, dass wir sogar 20 Minuten
früher als geplant am nächsten Morgen auf
äthiopischen Boden aufsetzen.
Das übliche Prozedere auf dem Flughafen ist heute schnell
erledigt. Keine langen Warteschlangen, keine chinesischen Bauarbeiter
mit Vortrittsberechtigung, ... nichts. Selbst am Wechselschalter haben
wir
freie Bahn, um uns noch schnell mit frischen Birr eindecken zu
können.
Vor dem Flughafengebäude ist unser Freund Henok auch schon zur
Stelle. Die Fahrt zum Hotel fällt dieses Mal aus. Da wir Henok
und seine Frau im vorigen Jahr zu einem Deutschlandbesuch
eingeladen und für eine Woche unser Umfeld intensiv erkundet
hatten, können wir die Bitte nicht ausschlagen, dieses Mal mit
Familienanschluss zu wohnen.
Bei der Fahrt durch Addis zu Henoks Woreda, fühlen wir uns ein
bisschen als würden wir heimkehren. Bekannte Gebäude
und Örtlichkeiten ziehen an uns vorüber. Die
Menschen, die Musik und vieles mehr, ... und schon ist unsere Vorfreude
auf die Madagaskar-Reise erst einmal in Vergessenheit geraten.
Wer die früheren Reiseberichte gelesen hat, wird wissen, dass
wir Henoks Haus und Hof schon kennen. Direkt vorfahren können
wir dort nicht. Der Stadtteil besteht aus vielen kleinen aneinander
gebauten
Häuschen, die durch schmale Gassen voneinander getrennt sind
und keine Hausnummern besitzen. Wie im Großen so im Kleinen,
gibt es deshalb auch hier zur Orientierung verschiedene Woredas.
Dennoch ist es schwierig eine Familie zu finden, wenn man sich nicht
auskennt.
Schwer bepackt auf beiden Seiten, wegen der Balance, wie Henok betont,
eilt dieser leichtfüßig die ansteigenden Gassen
hinauf, dass wir fast Mühe haben zu folgen, obwohl uns nur
noch das Handgepäck verblieben ist.
Meseret begrüßt uns erst einmal mit einem
kräftigen
äthiopischen Kaffee, währenddessen wir
genügend Zeit haben unser Wiedersehen zu feiern und den Ablauf
der nächsten Tage zu besprechen.
Ein wichtiger Punkt ist der Besuch von His Imperial Highness Crown
Prince Zera Yacob Amha Selassie. Wir kennen einen nahen Freund der
kaiserlichen Familie, mit dem wir schon ein paar Wochen vor unserer
Reise den Besuch besprochen haben. Sobald wir in Addis und bereit
für den Besuch sind, sollen wir uns telefonisch melden. Was in
Vorbereitung recht einfach erschien, entpuppt sich vor Ort allerdings
als schwieriges Projekt. Bevor man zum Kronprinzen kommt, muss man erst
einmal an seiner jüngeren Schwester und Princess Mariam
Senait vorbei, die alle wichtigen Entscheidungen für ihn
trifft. Das Urteil über uns und ihren Bruder hat sie
allerdings
noch nicht gefällt. Wir sollen später noch einmal
anrufen. Und so geht es Stunde um Stunde den ganzen Tag lang.
Wir bleiben dabei natürlich nicht untätig und machen
zunächst einen Ausflug zur St. Uriel Church oder Kidus Urael
Church. Ein Objekt, welches in unserer inzwischen stattlichen
Kirchensammlung von Addis noch fehlt.
Bild 001:
Auszug Google
Maps - Lage der Kidus Urael Church - Bitte Karte anklicken
zur
weiteren Lageerkundung in Addis Ababa
Bild 002 - 004: Eingangstor, Glockenturm und
Kirchengebäude der Kidus Urael
Die am Nordwestende des gleichnamigen Stadtteiles Urael befindliche
Kirche wurde bereits 1875 EC errichtet und dem Erzengel
Uriel (Das Licht Gottes) geweiht. Dieser hier verehrte
Erzengel findet schon in den Schriften des Alten Testaments und der
Kabbala Erwähnung, die von der
römisch-katholischen Kirche gegenwärtig nicht als
Bibelbestandteil anerkannt werden. Deswegen wird er von dieser auch
nicht als Erzengel angesehen. Die Erfahrung macht man in
Äthiopien immer wieder, dass dort viele der alten Schriften
immer noch in der Kirche ihre Berechtigung haben, die anderenorts
einfach nicht berücksichtigt werden. Deshalb ist auch die
Anzahl der heiligen Persönlichkeiten in Äthiopien
zwangsläufig sehr hoch. Wobei Uriel noch zu den bekannten
Engeln in Europa gehört und in vielen Darstellungen zu finden
ist. Es ist schwer nachvollziehbar, warum die eigentlich ineinander
greifenden historischen Schriften von der römisch-katholischen
Kirche nicht in ihrer Gesamtheit anerkannt und nur einige herausgepickt
werden. Aber wie wir wissen, ist die Kirchengeschichte eine
Wissenschaft
für sich und teilweise sehr schwer nachvollziehbar.
Bild 005 - 009: Kidus Urael Church / St. Uriel
Church in Addis Ababa
Wie wir von Henok erfahren, bekommt jeder Angehöriger der
Äthiopisch-Orthodoxen Tewahedo- Kirche von Geburt an einen
Schutzengel und somit auch "seine" Kirche zugewiesen. Und da Henoks
Schutzengel Uriel heißt, wurde es einmal Zeit, dass
wir auch diese Kirche besuchen. Das "Licht Gottes" oder dessen irdische
Verwalter, sind leider etwas streng und genehmigen uns keinen Zutritt
in das Innere der Kirche. Sehr schade, denn die alten Malereien mit
ihren vielen Geschichten sind immer besonders interessant.
Bild 010 - 017: Kidus Urael Church / St. Uriel
Church in Addis Ababa
So
sind wir mit unserer Kirchen- besichtigung eher fertig als geplant.
Vielleicht ergibt sich bei einer anderen Gelegenheit die
Möglichkeit den Innenraum zu betrachten.
Als wir das Gelände verlassen, zieht uns natürlich
wieder die Musik magisch an, die aus einem gut sortierten Shop vor der
Kirche zu uns dringt. Und so stocken wir unsere Sammlung wieder etwas
auf. So langsam werden wir uns ein Verzeichnis mit den Covern anlegen
müssen, um künftig Doppelkäufe zu vermeiden.
Dafür ist sich Henok heute ziemlich sicher, was in unsere
Sammlung passen würde und empfiehlt eine Neuerscheinung, die
wir ohne ihn, wegen der ausschließlich amharischen
Beschriftungen,
nicht erkennen würden.
Bild 018: Kirchenshop neben dem Tor an
der Haile Gebre Silase Street
Video: Kidus Urael oder St. Uriel
Church im Stadtteil Urael von Addis Ababa
Steuern wir das nächste Tagesziel an, denn von Prinzessin
Senait gibt es immer noch kein grünes Licht für
unseren Besuch beim Kronprinzen Zera Yacob Amha Selassie. Dazu fahren
wir weiter in den Stadtteil Yeka am nordöstlichen Rand von
Addis Ababa.
Bild 019:
Auszug Google
Maps - Lage der Enqu Ledeta Lemariam Church - Bitte Karte
anklicken
zur
weiteren Lageerkundung in Addis Ababa
Hier gibt es eine Erhebung die im Volksmund "Little Entoto" genannt
wird und die wie sein großer Bruder einen guten Ausblick
über Teile der Stadt zulässt. Auf der Bergkuppe steht
auch die unscheinbare und kleine Enqu Ladeta Lemariam Church, die in
den nächsten Jahren interessante Gesellschaft bekommen wird.
Bild 020 - 025: Enqu Ledeta Lemariam Church
auf dem Little Entoto
Zum Kirchengelände führt ein steiler und steiniger
Weg, den wir nicht benutzen mussten. Denn heute kann man alternativ
auch eine Straße mit dem Auto nehmen, die direkt bis
zur Kirche führt. Etwas abseits vom Weg und dem
übrigen Bestattungsgelände steht eine
Begräbnisanlage in Mauerform. Der Friedhof mit den
Einzelgräbern befindet sich weiter nördlich (siehe
Bild 19).
Bild 026 - 034: Enqu Ledeta Lemariam Church
auf dem Little Entoto
Ein paar Meter bergauf werkelt man bereits an einem modernen Nachfolger
der Kirche. Mehrere Werbeplanen an der alten Kirche verschaffen schon
einmal einen Eindruck, wie es in ein paar Jahren hier aussehen
könnte. Wenn man allerdings sieht, unter welchen Bedingungen
die Bauarbeiter ihrem Ziel näherkommen müssen, wird
es bestimmt noch viele Jahre dauern. Wer sägt denn
Bewehrungsstahl mit der Handsäge oder führt heute
noch Mörtel- und Erdstofftransporte mit einer Trage durch? In
Äthiopien ist das nicht selten. Die Bauarbeiter
können sich deshalb auch nicht erklären, warum sie in
unser Interesse gerückt sind.
Bild 035 - 039: Der neue Kirchenbau beginnt
Nach der Fertigstellung des interessanten Neubaus und der
Außenanlagengestaltung, wird der Ort zusammen mit der
Aussicht, sicher ein schönes Ausflugsziel werden. Wobei wir
uns allerdings immer wieder fragen, ob es denn nicht schon genug
Kirchen gibt und das Geld nicht besser verwendet werden könnte?
Bild 040 - 044: Ausblick vom Little Entoto in
Richtung Gibbi Bild 041: Kebena Medhanealem Church Bild 043: Menelik II. Mausoleum Bild 044: Holy Trinity Cathedral
Die Fernsicht vom Little Entoto ist leider etwas eingetrübt.
Aber man muss schon großes Glück haben, wenn man bei
einer Stadt wie Addis Ababa einen klaren Blick bekommt.
Bild 045 + 046: Auffällige
Lehmputzstruktur an einem Nebengebäude der Enqu Ledeta
Lemariam Church auf dem Little Entoto
Video: Enqu Ledeta Lemariam Church
Nebenbei fragen wir immer wieder unseren Kontaktmann zum
äthiopischen Kaiserhaus ab. Es gibt leider immer noch keinen
konkreten Termin, aber so lange wir uns immer wieder melden sollen,
besteht noch Hoffnung eine Audienz zu bekommen.
Also fahren wir zurück ins Zentrum von Addis und begeben uns
erst einmal in die Mittagspause. Inzwischen haben auch schon
Meseret´s Kochkünste zu einem üppigen
Speiseplan geführt, der auf unserer Rückkehr wartet.
Bild 047 - 050: In den engen Gassen eines
typischen Woredas von Addis Ababa
Nach dem Essen warten wir weiter, wie sich Prinzessin Mariam Senait
entscheiden wird und schlummern dabei ein Stündchen dahin.
Immerhin sind wir schon bis zur Besprechung des Dresscodes gekommen,
was bei einem Besuch des Thronfolgers natürlich nicht
vergessen werden sollte. Die konkrete Ansage für Zeit und Ort
unseres Treffens bekommen wir leider immer noch nicht. Wieder werden
wir um ein bis zwei Stunden um Geduld gebeten.
Umd die Zeit auszufüllen, unternehmen wir einen Ausflug in den
Kindergarten, um Henoks jüngstes Familienmitglied abzuholen.
Alle Kinder toben im Hof herum und warten auf ihre Abholer. Der
lautstarke Trubel
ist bis auf die enge Straße vor dem Kindergarten zu
hören und breitet sich auf dieser immer weiter aus. Das
Tagesprogramm der Einrichtung läuft ab wie in einer Schule und
ist gerade zu seinem Abschluss gekommen. Alle Kinder werden in einem
engen Zeitfenster abgeholt. Leider erlauben die Erzieher keine
Aufnahmen im Kindergarten, um hier einen Eindruck vermitteln zu
können.
Bild 051: Der Kindergartentag und die
Abholung sind geschafft. ;-)
Inzwischen ist es Abend geworden und Prinzessin Mariam Senait hat nach
mehreren weiteren Nachfragen unseren Besuchstermin abgesagt. Der
Kronprinz sei heute nicht in der Verfassung irgendwelche Besuche zu
empfangen. Auch für den nächsten Tag wird uns keine
Hoffnung gemacht. Damit verschließt sich für uns das
Zeitfenster den Kronprinzen in diesem Jahr zu treffen. Unser
Kontaktmann möchte sich aber noch einmal am späten
Abend mit uns in einem Restaurant zu einem Gespräch treffen.
Wir sind gespannt, was sich daraus noch ergibt.
Bevor wir uns auf den Weg machen, glit es aber noch einmal
Meseret´s Küche zu genießen. Und wie das
in Äthiopien so üblich ist, geht keine Mahlzeit ohne
Injerea über die Bühne. Dieses Nationalgericht ist
ein weiches und sauer schmeckendes
Fladenbrot. Es wird aus Teffmehl, dem Produkt einer Zwerghirsenart aus
der Familie der Süßgräser, hergestellt. Das
Mehl wird mit Wasser zu einem Teig gemischt und muss danach erst einige
Tage gären, bevor es weiter verarbeitet werden
kann. Es ist in Äthiopien und Eritrea nahezu
unmöglich, nicht auf dieses Gericht zu treffen. Injera ist
Speise, Teller und Besteck zugleich und wird zusammen mit verschiedenen
Fleischragouts gereicht. Man reißt beim Verzehr kleine
Stücke des Fladenbrotes ab und nimmt damit die anderen Speisen
auf.
Bild 052 + 053: Injera
Das folgende Treffen mit unserem Kontaktmann der kaiserlichen Familie
schwankt zwischen einem entspannten Kennenlernen und einem
Auftragsverhör. Wir haben das Gefühl, als ob man
sämtliche Korrespondenzen in Vorbereitung unseres
Besuchswunsches gar nicht richtig gelesen hat. Viele Fragen von unserem
Gegenüber hätten sich schon beantwortet, wenn man
sich mit dem zur Genehmigung eingereichten Interview näher
befasst hätte. Dennoch lässt ihn die Frage nicht los,
wieso man ausgerechnet den Kronprinzen treffen und mit ihm ein
Interview machen
möchte. Man sieht ganz deutlich an seinem zweifelnden Blick,
wie es hinter seiner Stirn arbeitet. Uns ist bewusst, dass die Familie
in allen Dingen sehr vorsichtig sein muss und versuchen so gut es geht
unsere Beweggründe zu erläutern. Im weiteren
Gespräch ergibt sich schließlich, dass der
Kronprinz schon längere Zeit von der Familie abgeschirmt wird
und öffentliche Auftritte weitestgehend vermieden
werden. Es gibt da
verschiedene Spekulationen über seinen Gesundheitszustand, die
wir nicht weiter kommentieren möchten, so lange wir uns selbst
kein eigenes Bild machen konnten oder es kein öffentliches
Statement der kaiserlichen Familie gibt. Immerhin bekommen wir das
Angebot unser Interview ohne Fotos auf schriftlichem Wege zu bekommen.
Wir sehen uns morgen an dieser Stelle wieder, wenn wir unsere
Pause in Addis auf einen längeren Landausflug verlegen und die
berühmte
Klosteranlage Debre Libanos besuchen.
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Fotos: Marion & Peter Joachim
Text + Videos: Peter Joachim