Nach einjähriger Pausierung und zweimaliger Verschiebung haben
es
die
hiesigen Inzidenzen und Corona-Verordnungen endlich gestattet, dass die
Live-Musik an der Wasserburg in Rosslau endlich wieder richtig Wellen
schlagen konnte. Einfach war es dennoch nicht, denn wenn man von
Corona-Verordnungen spricht, wissen wir ja alle, dass es regional und
weltweit unterschiedliche Herangehensweisen und auch unterschiedliche
Inzidenzen gibt. Wenn auch die aktuelle Welle rund um die Wasserburg
bei einer Inzidenz im einstelligen Bereich harmlos dahin
plätscherte, war sie in anderen Gebieten schon wieder im
Anstieg begriffen, was bis zu letzt bei den Organisatoren zu
Unsicherheiten
führte. Besonders im Bereich der internationalen
Artists erschwerte und verhinderte die Corona-Politik einige
Auftritte. So machten z.B. komplizierte Einreisebedingungen
oder nicht in Deutschland anerkannte Corona-Impfstoffe, den
Auftritt einiger Artists unmöglich. Wir sollten in Deutschland
und der EU endlich damit aufhören so zu tun, als
wären nur die wenigen von unseren Institutionen zugelassenen
Impfstoffe geeignet, die Pandemie zu bekämpfen. Weltweit gibt
es über 300 Impfstoffe, von denen nicht nur die vier in der EU
zugelassenen, erfolgreich zum Einsatz kommen. Manche auch deutlich eher
und somit auch mit längeren Erfahrungswerten. Meines Erachtens
ist das nur ein Politikum, besonders im Fall des russischern Impfstoffs
Sputnik. Es ist nur sehr schade, dass deswegen Bands wie das Kyiv All
Girl Ska Orchestra nicht einreisen durften. So musste man
immer wieder an dem Line-up basteln und Ersatz suchen. Leider kam es
auch da zu weiteren unvorhersehbaren Problemen, denn kurz vor dem
Festival musste Vin Gordon absagen, da ihm nach dem Überstehen
einer Herzattacke die Ärzte von dem Festivalbesuch abrieten.
Selbst die Judge Dread Memorial Show kam ins Wanken, als einige Tage
vor der Show den Prince of Rudeness ein Gehörsturz kurz
außer Gefecht setzte. Zum Glück gab es da wieder
Entwarnung, bevor diese Info überhaupt alle Beteiligten
erreicht hat. Unter den vorgenannten Umständen sind also die
Poster mit den unterschiedlichsten Line-ups nicht so ernst zu nehmen.
Das Poster von 2020 blieb leider insgesamt nur ein Traum, da diese
Ausgabe komplett ins Wasser fiel. Tragischer Weise hat es damit Derrick
Morgan in den letzten Jahren zum dritten Mal aus verschiedenen
Gründen erwischt, wenn wir das Dynamite Skafestival (selbe
Veranstalter) mitzählen. Hoffen wir, dass seine
nächste Nominierung endlich zum Erfolg führt, egal ob
beim This Is Ska oder beim Dynamite Ska.
Aber genug der Vorrede und Probleme und auf zur Wasserburg in Rosslau.
Hier zum Einstieg die endgültige Running Order der 2021er
Pandemie-Edition:
Freitag -
03.09.2021
Als wir in der Umgebung von Rosslau einfahren ist auffällig,
dass man keinerlei Werbung für das Festival entdecken kann.
Verständlicher Weise hat man sich diese Kosten eingespart,
denn die meisten Karten aus dem Vorverkauf des ausgefallenen TIS 2020
und der zweimaligen diesjährigen Verschiebung behielten nach
wie vor ihre Gültigkeit. Weiterhin musste
nach Hygienekonzept die Besucheranzahl eingeschränkt
werden. Aus terminlichen Gründen und der für das
Festival geltenden 3G-Regel (geimpft/genesen/getestet), wurden zwar
einige Karten zurückgegeben, aber diese zu vertreiben reichte
die Werbung im Internet und einige Flyer auf anderen Veranstaltungen
aus.
Auf dem
Burghof wird erfreulicher Weise schon einmal das nächste Event
verkündet.
So gestaltet sich der Einlass an der Wasserburg, der schon seit 14:00
Uhr im Gange ist, entsprechend entspannt. Bis 17:10 Uhr ist laut
Running Order Zeit in aller Ruhe eines der 3Gs nachzuweisen und die
Karten kontrollieren zu lassen. Für Besucher die
keine Zeit hatten einen
Negativtest einzuholen, wurde ein örtliches Testzentrum
eingerichtet.
Alles zusammen sind dies sehr gute Voraussetzungen für ein
entspanntes und
sicheres
Festival. Zusätzlich zu den 3Gs gelten natürlich
allseits bekannte
weitere Vorsichtsmaßnahmen wie Abstand halten und anderes.
Das wird vermutlich
schwer umzusetzen sein, aber bei 3G und an der frischen Luft, sollte
das Risiko deutlich
minimiert sein, wenn die Abstände unterschritten werden.
Masken sind nicht vorgeschrieben.
Vor
dem offiziellen Bühnenprogramm ist das Rudeboy
Soundsystems im Einsatz, welches schon zum Inventar hiesiger
Festivals und Veranstaltungen zählt, wo Ska, Rocksteady und
Early Reggae auf dem Programm steht. Auch während der
Umbaupausen und nach dem Bühnenprogramm werden die Rudeboys an
den Plattentellern stehen und für passende Unterhaltung
sorgen. Zum Inventar des Festivals gehört auch Dr.
Ring Ding, der zumindest als Moderator durchs Programm führt,
wenn er nicht selbst auf der Bühne als Musiker oder
Sänger oder am Soundsystem zum Einsatz kommt.
Bevor wir zur ersten Bühnenshow kommen, ist noch Zeit bei
schönstem Sonnenschein das Gelände nebst
Festivalbasar zu inspizieren und unseren Kleiderschrank etwas
aufzustocken. Irgendetwas findet man immer und natürlich
nicht nur "Kleider".
Vor der Bühne wurde der Tanzbereich ein Stück zu
Lasten von mehr Sitzgelegenheiten eingeschränkt, was den
entspannten Bier- und Festivalgenuss erhöht. Eigentlich
könnte das immer so sein. Wir finden das gut. Wenn ein
Festival nicht so groß ist, ist alles viel angenehmer. Es
muss sich zwar alles rechnen, aber dann eben lieber das Programm etwas
auflockern. Wenn wir uns die Running Order so ansehen, ist das doch
völlig ausreichend für ein schönes Festival.
Eröffnet
wird das Festival von Soulfire Six, einer jungen Band aus Jena, die
sich Skinhead Reggae, Early Reggae, Rocksteady, Boss Reggae und Ska auf
die Fahne geschrieben haben.
Es ist immer eine undankbare Aufgabe als erste Band auf einem Festival
aufzutreten, aber eine muss es eben sein. Das Festivalgelände
ist noch reichlich unterbesetzt, was vermutlich auch der geringen
Präsenz von Soulfire Six im www zu "verdanken" ist. Wir sind
zumindest der Ansicht, dass die Band ein größeres
Publikum verdient hätte.
Außer ein paar Fotos auf Instagram ist noch nichts zu den
Jungs zu finden. So konnte sich im Vorfeld leider niemand
näher informieren. Das wird sich mit dem Festivalbericht
hoffentlich ändern.
Live Video:
Soulfire Six - 1/3 - Summertime
Die Band hat sich im Sommer 2019 gegründet und im Herbst
desselben Jahres ihr erstes Clubkonzert in Jena gegeben. Im Jahr 2020
folgten die ersten Festivalauftritte zum "Papiermühlen Open
Air" in Jena und "Liedermacher im Baum Festival" in Stölln.
Die Musiker spielen auch noch in anderen Projekten wie Babayaga, The
Return of the big Guns und Skavida, allesamt Ska und Reggae Bands aus
Thüringen. Aus diesem Umfeld heraus entstand die Idee eine
60er Early Reggae Formation zu gründen. Von daher muss man
sich nicht wundern, dass diese neue Band schon so gut klingt. Drummer
Simon Mengs ist parallel auch noch in einer Death-Metal Band
namens Deserded Fear aktiv.
Der Großteil des Sets sind Cover Versionen. Momentan gibt es
erst zwei eigene Titel im Programm.
Keyboarder Hannes sagt dazu später: "Der Eigenanteil soll
natürlich in Zukunft ausgebaut werden.
Selbstverständlich gibt es auch bald eine Webseite, sowie
weitere Kanäle. Wir befinden uns noch in einer
Testphase
und schauen was so möglich ist. Absoluter Spaß an
der Sache und am Genre ist absolut zentral."
Live Video:
Soulfire Six - 2/3 - Thank You Baby (Lee Perry Cover)
Mit dem Stück "Thank You Baby" erinnert gleich die erste Band
des Festivals an den schmerzlichen Verlust der Reggae- und Dub-Legende
Lee "Scratch" Perry, der erst wenige Tage vor dem Festival am 29.08.
auf Jamaika verstorben ist. Trotz seiner 85 Jahre stand er bis zuletzt
auf der Bühne und war aktiv bei der Arbeit in verschiedenen
Studios. Seine körperliche Fitness ließ eigentlich
nichts zu wünschen übrig, was bisher über
die Umstände seines Todes rätseln lässt. Wer
von dem tragischen Ereignis erst hier auf dem Festival erfahren hat,
für den ist vermutlich der Tag gelaufen. Hier auf dem Festival
war Lee Perry zuletzt im Jahr 2012.
Live Video:
Soulfire Six - 3/3 - Hong Kong Flu (The Ethiopians Cover)
So weit unsere Ausschnitte zum Auftritt der Soulfire Six. Das war doch
schon einmal ein sehr gelungener Festivalauftakt, den leider viele der
noch zu erwartenden Besucher verpasst haben. Auf der Bühne
standen Viktor Ochrimenko
(Posaune/Gesang), Simon Mengs
(Schlagzeug), Alexander Fischmann
(Bass), Oliver Rochler
(Gitarre 1), Steve Jüngling (Gitarre 2) und Hannes Wehrhan
(Keyboards).
Booking-Kontakt: soulfiresix@gmail.com
Nach
der Pause wird der erste internationale Act erwartet, der allerdings
nur eine Grenze überwinden musste und aus Polen kommt, genauer
gesagt aus Szczecin. Die Band nennt sich Vespa und
zählt zu
den Pionieren des Ska in Polen. Obwohl es ihnen die jamaikanischen
Rhythmen angetan haben, scheuen sie sich nie diese mit Swing, Soul oder
Rock'n'Roll zu mischen. Dem Ska stehen sie jedoch am nächsten.
Inzwischen ist die Band 25 Jahre aktiv und hat 5 LPs
veröffentlicht. Zu ihren Auftrittsorten zählen
besonders Polen, Deutschland, Russland, Finnland und
Tschechien.
Live Video:
Vespa - 1/3 - Ściemniacz (Foey man)
Die Band hat sich 1995 gegründet und bereits 1997 ihr erstes
Album "Vespa" veröffentlicht. Im Jahr 2003 folgt "Bujaj się"
(Swing it), 2007 "Potwór" (Monster), 2010 "Starsi Grubsi
Bogatsi" (Older Fatter Richer) und 2016 "Diamenty i jedwabie" (Diamonds
and Silks) als fünftes Album. Im Jahr 2017
veröffentlichen sie ihr eigenes Tribute-Album "A Tribute To
Vespa", auf dem verschiedene Bands ihre Interpretationen verschiedener
Vespa-Songs vorstellen. Weitere Lonplayer stehen momentan noch nicht
zur Verfügung, das bedeutet aber nicht, dass es danach keine
weiteren
Veröffentlichungen im EP- und Single-Bereich gibt.
Live Video:
Vespa - 2/3 - Gorące lato w mieście (Heißer Sommer in der
Stadt)
Auf der Bühne stehen heute Alicja (Gesang,
Saxophone),
Maciec "Grzegorz" (Gesang, Gitarre),
Bartek "Ponton" (Bass), Artur (Drums) und Agata (Trompete). Was den
Bandnamen betrifft, müssen wir noch einmal in die Tiefe gehen.
Vespa klinkt ja fast wie unsere Wespe und die Band verwendet unstreitig
dieses Insekt in den verschiedensten Darstellungen und sogar auf ihrem
2017er Albumcover "A Tribute For Vespa". Wir haben versucht im
Polnischen das Wort "Vespa" zu finden, sind aber bei der
Übersetzung von "Wespe" nur auf "Osa" gestoßen.
Maciek klärt auf: "Der Name Vespa stammt ursprünglich
von der gleichnamigen italienischen Rollermarke,
aber seit Jahren identifizieren wir uns mit
seiner ursprünglichen Bedeutung in dieser Sprache, die im
Italienischen Wespe bedeutet."
Live Video:
Vespa - 3/3 - Agnieszka
Soweit unserer Ausflug in die polnische Ska-Szene von dem wir
persönlich leider nicht viel verstanden haben, besser gesagt
eigentlich gar nichts, ... außer dem Namen Agnieszka.
Inzwischen
hat sich das Gelände ordentlich gefüllt und die
"Hooligans Of
Love" bereiten sich auf ihren Auftritt vor. Nach dem Titel ihres 2016er
Albums hat sich dieser Spitzname von Yellow Umbrella schon zu
großen Teilen in der Fangemeinde eingebürgert. Die
Bandmitglieder
von Yellow Umbrella sehen zwar nicht im Entferntesten wie Hooligans
aus, aber wer solch eine eingängige Hymne
veröffentlicht, hat
den Namen nun einmal weg. Mal sehen was als nächstes kommt.
Immerhin wird es nach fünf Jahren wieder einmal Zeit
für
neues Material.
Live Video:
Yellow Umbrella - 1/6 - The Day You'll Come Back / Days Will Be Long
Live Video:
Yellow Umbrella - 2/6 - Walk Away
Thomas (Posaune) sagt dazu: "Ja wir arbeiten immer noch am neuen Album,
aber vielleicht werden es sogar zwei." Da sind wir echt
gespannt, was wir da zu hören bekommen. Wir sind davon
überzeugt, dass da wieder eine Steigerung in Sachen "Gefallen"
drin sein wird. Immerhin haben wir das Gefühl, dass der volle
Sound der Band von einem Konzert zum anderen immer besser wird ... oder
wir ihn eben immer mehr mögen.
Live Video:
Yellow Umbrella - 3/6 - Keep All That Love
Live Video:
Yellow Umbrella - 4/6 - Matt And Clive + Rude Boy Company
Über Yellow Umbrella haben wir schon im Rahmen zahlreicher
Shows auf dieser Seite berichtet. Es macht also wenig Sinn sich zu den
biografischen Daten der Band erneut zu äußern. Wer
da noch Informationsbedarf hat und sich tiefer mit der Band befassen
möchte schaut einfach unter diesen Link
nach. Am Ende jener Seite sind sämtliche Berichte zu der Band
aufgelistet und verlinkt. Viel Spaß beim schmökern!
Mehrere Stunden Videos inklusive. Eine kleine Ergänzung
müssen wir hier dennoch
anführen. Für den im Jahr 2017 zu der Band gekommenen
Gitarristen Andreas Wendland, steht heute der Fritz Bayer
auf
der Bühne. Das ist aber nicht sein erster Auftritt bei Yellow
Umbrella. Er ist schon im Jahr 2020 für Andreas Wendland zu
der
Band gestoßen. Weiterhin sehen wir den Fritz besonders bei
The
Magic Touch. Das sind aber noch nicht alle seine Projekte. Hoffen wir,
dass
er Yellow Umbrella lange erhalten bleibt.
Live Video:
Yellow Umbrella - 5/6 - Salomo
Das Intro
von Bernard Lanis immer wieder schön und jedes Mal
anders.
Live Video:
Yellow Umbrella - 6/6 - Perestroiska
In Kenntnis der Setlist verdrücke ich mich kurz vor
"Perestroiska"
ein Stück nach hinten, denn bei diesem Stück kocht es
in der
Regel vor der Bühne, wenn der Song am Ende immer schneller
wird.
Und wir wollen ja bei der Filmerei nicht "umgesprungen" werden. ;-)
Danach ist erst einmal Bühnenabgang angesagt. Die
Massive
will sich damit aber nicht abfinden und fordert lange nach einer
Zugabe. Gerne hätte die Band noch ein Stück
drangehängt
aber der Zeitplan gibt es leider nicht mehr her.
Thomas ist erleichtert das Konzert ohne Probleme überstanden
zu
haben. Immerhin musste er das ganze Set mit einem ihm völlig
unbekannten Instrument spielen. Seit 45 Jahren Musikerlaufbahn ist ihm
das noch nie passiert. Zirka 20 Minuten vor dem Auftritt ist am Steg
des Zuges seiner Posaune eine Lötstelle gebrochen. Da war
guter
Rat teuer. Aber zum Glück gibt es auf einem Skafestival in der
Regel so einige Posaunisten und Viktor Ochrimenko von den Soulfire Six
stand Thomas zur Seite und lieh im sein Instrument. Thomas sein
Mundstück passte zwar nicht so recht auf das Ersatzinstrument,
aber da konnte etwas Textilklebeband Abhilfe schaffen. Und was will man
sagen, es hat alles funktioniert. Thomas: "Ich bin dem Viktor von
Soulfire Six unendlich dankbar dafür, dass er mir geholfen
hat.
Das ist wirklich nicht selbstverständlich!" Wer nachschauen
möchte wo der Zug an der Posaune ist, findet hier
eine Erklärung.
Nach
der Umbaupause geht es bis 1983 in die deutsche Skageschichte
zurück. Die Berliner Band Blechreiz gehört somit zu
den Urgesteinen der hiesigen Ska-Szene und zu den wichtigsten
Vertretern dieser Musik in den letzten 1980er und den frühen
1990er Jahren. Enge Weggefährten aus diesen Jahren waren unter
anderen Bands wie Skaos, The Busters, El Bosso & die Ping Pongs
und No Sports. Als Basis ihrer Musik sehen Blechreiz den
britischen Ska der frühen 1980er Jahre von Bands wie
Madness, Bad Manners, The Selecter, The Specials und andere.
Live Video:
Blechreiz - 1/3
In den 1990er Jahren nach dem Mauerfall weitete die Band ihren
Wirkungskreis auch auf den Osten Deutschlands aus und war in vielen
Locations die erste "West-Band". Touren in Frankreich, Belgien,
Italien, England, Österreich und Polen sorgten für
Bekanntheit auch außerhalb der deutschen Landesgrenzen. Mit
ihrer Musik sympathisierte die Band stets mit antirassistischen und
antifaschistischen Skinheads und der antirassistischen Bewegung
"SkinHeads Against Racial Prejudice (SHARP = Skinheads gegen Rassismus).
Live Video:
Blechreiz - 2/3
1993 schaffte es Blechreiz zur besten Berliner Live-Band
gewählt zu werden und 1995 wurde sogar ein Fernsehfilm mit dem
Titel "Which Side Are You On – Ska in Berlin" über
die Ska-Bands Blechreiz (Westberlin) und
Michele Baresi (Ostberlin) gedreht. Trotz ihres Erfolges in der Szene
ging Blechreiz in 1996 auf große Abschiedstour, die im
Berliner SO36 endete. Nach 12 Jahren der Pause konte sich die Band aber
nicht mehr bremsen und fand in der Besetzung der 1990er Jahre wieder
zusammen. 2009 folgte dann schließlich auch ein neues
Live-Album mit dem Titel "Those (Were) Are The Days". Inzwischen ist
die Band seit Jahren wieder ein gern gesehener Gast auf den
Bühnen Deutschlands und darüber hinaus.
Zur aktuellen Besetzung der Band findet man folgende Angaben: Christian
"Prüfer" Proofley (Gesang), Herman Lamboy
(Schlagzeug), Matthias Bonjer (Bass), Michael Rühl
(Tenor-Saxophon), Rüdiger "Rütze" Rossig (Gesang,
Gitarre), Olli "Professor" Scholz (Gitarre), Wolfram Segond von Banchet
(Saxophon) und JB Beat (Orgel). Ob diese Besetzung auch mit dem
heutigen Bühnenbild übereinstimmt, können
wir allerdings nicht garantieren, da es uns bis heute leider nicht
gelungen ist, das Management oder die Band zu bewegen mit uns Kontakt
aufzunehmen.
Live Video:
Blechreiz - 3/3 - Guns Of Navarone
Schließlich
geht es wieder in die Umbaupause und wir können uns auf den
unstreitigen Headliner des Abends freuen, der gemeinsam mit der Band
The Magic Touch gleich zweimal auf diesem Festival mit
unterschiedlichen Sets die Fangemeinde beglücken wird.
Für heute Abend ist eine Auswahl aus den 1969er Jahren von
Symarip (ehemalige Band von Roy Ellis) im Stil des Boss-Reggae
angesagt. Ob es dabei bleiben kann, ist allerdings fraglich. Die
Fangemeinde wird ihn sicherlich nicht ohne ein paar anderer Hits davon
kommen und auf den Folgetag vertrösten lassen.
Roy Ellis
kurz vor seinem Auftritt im Backstage.
Live Video:
Roy Ellis - 1/4 - Phoenix City + Must Catch A Train Tonight
Roy Elis beginnt mit "Phoenix City", einem Song der mit ganz wenigen
Vocals auskommt. Ein herrliches Stück zur
Einstimmung. Danach seine Begrüßung mit
"Jah ..." und im zweiten Versuch kommt tatsächlich "Rastafari"
aus der Massive zurück, was bei einem Ska Festival nicht ganz
selbstverständlich ist. Dann eine teilweise deutsche Ansprache
von Roy Ellis mit einer Erklärung über seine
zwei Auftritte auf dem Festival, dessen Ursache die krankheitsbedingte
Verhinderung von Vin Gordon ist. Roy Ellis macht seinen Spaß
damit und kommentiert dies mit dem englischen Spruch: "His mistake is
my beef steak". Das natürlich nicht aus Schadenfreunde,
sondern weil er sich einfach riesig darüber freut ein zweites
Konzert geben zu können. Weiter geht's mit seinem Hit
"Must Catch A Train Tonight", der auf Platz 15 der britischen
Hitparade war. Roy Ellis im Anschluss ergänzend dazu: "Alles
was ich hier heute Abend bringe war in der Hitparade."
Wegen dem kurzfristigen und unvorhergesehenen Ausfall von Vin Gordon,
hat sich natürlich bei The Magic Touch etwas Stress ergeben.
Das eingeübte Set für Vin Gordon, das The Magic Touch
ebenfalls spielen sollte, musste nun gegen eines für Roy Ellis
ausgetauscht werden. Zum Glück spielt die Band aber schon seit
vielen Jahren mit Roy Ellis, was sie in die Lage versetzt auf einen
großen Erfahrungsschatz zurückgreifen zu
können. Wenn man die frühere Band der Solitos von
Drummer Sven Koop dazu zählt, gehen diese bis auf das Jahr
2001 zurück. "Die Zusammenarbeit mit Roy Ellis ist
ausgezeichnet. Auch auf der Bühne sind seine Zeichen
eindeutig, die man als Band zu berücksichtigen hat. Das ist
bei anderen Künstlern nicht immer der Fall.", sagt Sven dazu.
Auffallend ist auch sein stetiger Humor, der sicher alles noch ein
wenig unbeschwerter macht. Einen Tag vor der Show ergab sich aber
leider noch ein weiteres Problem. Ein Bläser der Band ist
krankheitsbedingt ausgefallen und als Ersatzmann musste Trompeter
Philipp Reinsch beide Sets an nur einem Tag erlernen. Einfach
unglaublich.
Zur gemeinsamen Probe konnte sich die Band nur kurz vor der Show in
einem kleinen Raum des Backstage zusammenfinden. Aber was will man
sagen, ... alles klingt perfekt!
Live Video:
Roy Ellis - 2/4 - Stay With Him
Roy Ellis, aka Mr. Symarip, wurde am 27. April 1948 auf Jamaica geboren
und ist der Halbbruder von Alton Ellis. Seine Mutter war
Jamaikanerin und sein Vater US-Amerikaner. Seine ersten musikalischen
Schritte begann er als zehnjähriger Solosänger in
einem Gospel-Chor der Baptistenkirche in Kingston. In seiner Schulzeit
zählte er zum Freundeskreis von Jimmy Cliff und Bob Marley.
Seine ersten Aufnahmen gehen bis in das Jahr 1962 zurück.
Seinen Durchbruch hatte er jedoch in England der späten 60er
Jahre, als er mit seiner Band Symarip, als einer der ersten, den
Skinhead-Reggae begründete. Ihr 1970 veröffentlichtes
Album "Skinhead Moonstomp" wurde millionenfach verkauft und
stürmte die UK-Charts. Das Album wurde mehrfach von
unterschiedlichen Labels neu aufgelegt und Hits wie "Skinhead Girl" und
der Titelsong "Skinhead Moonstomp" sind heute unzählige Male
gecoverte Klassiker.
Im Jahr 1983 trennte sich leider die Band, aber Roy Ellis ist als Mr.
Symarip weiterhin im Geschäft und als Solosänger
unterwegs. Sein vorletztes Album "The Boss Is Back" aus dem Jahr 2011,
könnte
den alten Zeiten entsprungen sein und knüpft an die alten Hits
an.
Sein aktuelles Album ist sein 2019er "Almighty Ska", welches
wie sein Vorgänger "The Boss Is Back" beim spanischen Label
Liquidator Music erschienen ist, setzt diesen Stil fort.
Soweit nur kurz ein paar Streiflichter zu Roy Ellis. Wer sich in seine
Biografie vertiefen möchte findet auf seiner Website
eine umfassende Geschichte. Wer mehr auf übersichtliche Daten
steht, kommt besser hier voran.
Live Video:
Roy Ellis - 3/4 - Skinhead Girl + Skinhead Moonstomp +
These Boots Were Made For Stomping feat. Dr. Ring Ding
Wie absehbar war, gibt es am Ende dann doch noch etwas Skinhead Reggae
und der obligatorische Tanz der Fans auf der Bühne ist
unvermeidbar. Nach "Skinhead Moonstomp" verabschiedet sich Roy Ellis
kurz
von der Bühne, um noch einmal mit "These Boots Were Made For
Stomping" zurückzukehren. Ich vermute mal ganz stark, dass
wir diesen Block morgen noch einmal hören werden. Nun bittet
Roy Ellis auch noch Dr. Ring auf die Bühne, um mit ihm im
Duett
zu singen. Eine beeindruckende Show geht wieder einmal zu Ende und wir
freuen uns
schon auf das morgige und somit kurzfristige Wiedersehen.
Weiterhin auf der Bühne standen Sven Koop alias "Rimshot"
(Drums), Jonas Hesse alias "Hessy James" (Bass), Fritz Bayer
(Gitarre), David
Reif alias "Darai"
(Keys), Jan Burger (Saxophon) und Philipp Reinsch (Trompete). Seit
einiger Zeit leider nicht mehr dabei ist "Käptn" Alex Buck
(Lead Guitar), der sich aus der Musik völlig
zurückgezogen hat, wie wir leider hören mussten. Ein
Verlust für die Branche. Aber vielleicht kehrt er ja doch noch
einmal irgendwann zurück.
Die Setlist enthielt folgende Songs: 1. Phoenix City, 2. Must Catch A
Train Tonight, 3.
You Can´t Leave Now, 4.
Chicken Merry, 5.
Try Me Best, 6.
Teardrops, 7.
Stay With Him, 8.
You're Mine, 9.
Skinhead Girl, 10.
Skinhead Moonstomp und 11.
These Boots Were Made For Stomping.
Nach der Show müssen wir natürlich Roy Ellis noch
einen kurzen Besuch abstatten. Er ist bester Laune und
hört gar nicht mehr auf zu erzählen, als wir ihn
fragen woher er denn so gut Deutsch kann. Wir erfahren, dass seine
erste Frau aus Deutschland kam und sie zusammen einige Zeit in
München gelebt haben. Nun ist sein Lebensmittelpunkt in der
Schweiz, was auch nicht jederman weiß. Wo wir herkommen
interessiert ihn auch und er erzählt in diesem Zusammenhang,
dass er schon einmal gerne in Dresden aufgetreten wäre. Seine
Band habe ihn aber wegen der dort agierenden rechten Szene davon
abgeraten. "Ich will ja schließlich nicht auf der
Bühne erschossen werden!", sagt er bedauernd dazu. Nun, dass
ist vielleicht etwas übertrieben. So schlimm ist ja die
Situation nun wirklich nicht und vor allen Dingen ist das kein
alleiniges Problem von Dresden oder Sachsen. Andere internationale
Artists spielen seit vielen Jahrzehnten in Dresden, ohne das etwas
vorgekommen ist. Hoffen wir, dass es sich Roy Ellis irgendwann noch
einmal anders überlegt. Darüber hinaus waren die
Probleme mit der rechten Szene bis zur politischen Wende in
Ostdeutschland völlig unbekannt. Wer sich rein sachlich mit
dem Thema auseinandersetzen würde, dürfte schnell auf
die Ursachen stoßen, die nun wirklich nicht im Osten
zusammengerührt worden sind. Aber lassen wir das Thema, dies
ist Aufgabe unserer Politiker. (Laut Band
ging es dabei
konkret um ein Oi! Festival nahe Dresden, dass sich nicht genug von der
rechten Musikszene distanzieren wollte und dazu bereit war,
Grauzonenbands einzuladen. Dies führte zur Absage von
Headlinern
wie Roy Ellis, Bad Manners und anderen, sowie viel Diskussion und auch
Distanz zum Festival von einigen Fans im Netz.)
Mit Roy
Ellis im Backstage und die Rückseite des Booklets von
"Almighty Ska".
Video:
Roy Ellis - 4/4 - Werbung für den nächsten Tag
Während
wir im Backstage noch in aller Ruhe mit Roy Ellis schwatzen
können, wird auf der Bühne der letzte Act des Abends
vorbereitet.
Die Judge Dread Memorial Show mit The
Prince of Rudeness & The Steadytones haben wir erst
kürzlich vor zwei Monaten bei der Corona-Edition des Dynamite
Skafestivals im Biergarten des Leipziger Felsenkellers erlebt.
Von daher sollten die Hits von Alexander
Minto Hughes, alias Judge Dread,
noch in guter Erinnerung sein. Auch zu den Hintergründen der
Show
und den weiteren Informationen zu Judge Dread halten wir uns
zurück und verweisen auf die ausführlichen Angaben im
2013er
Festivalbericht. Ja das ist unbestritten lange her, aber da Alexander
Minto Hughes leider schon am 13. März 1998 unmittelbar nach
einem
Konzert einer Herzattacke erlag, gibt es zu seiner Bio auch nichts
Neues zu berichten. Also einfach zurückblicken.
Live Video:
Judge Dread Memorial mit The Prince of Rudeness - 1/3 - Up With The
Cock + Big Nine
Mit Videoaufnahmen halten wir uns am Anfang ein paar Titel lang
zurück. Irgendetwas stimmt mit dem Ton nicht, zumindest soweit
es Flos Mikro betrifft. Er ist kaum zu hören. Leider versteht
niemand meine Zeichensprache oder nimmt Notiz von mir. Nachdem dann Flo
ein anderes Mikro bekommt, ist endlich der volle Hörgenuss
wieder zu hören. Ihm selbst war das Problem gar nicht
aufgefallen, wie er uns nach der Show berichtet.
Im Publikum
befindet sich auch "Daniela" aus 2013. Wer findet sie?
Kleine Hilfe: Schaut euch "Up
with The Cock"
von 2013 an.
Was Flo und Hörgenuss betrifft, machen wir uns wegen des
eingangs geschilderten Problems, zu seinem erst ein paar Tage
zurück liegenden Hörsturzes, sowieso unsere Gedanken.
Flo ist ja hart im nehmen und der Meinung, die Show schon irgendwie
meistern zu können, aber man sieht im trotzdem an, dass die
Unsicherheit mit auf der Bühne steht. Vermutlich sehen das
aber nur jene Leute, die von dem Vorfall Kenntnis erlangt haben.
Wie bekannt, spielt Flo sonst die Drums, wenn er mit seiner heutigen
Begleitband The Steadytones für andere Künstler auf
der Bühne steht. So benötigt die Band immer einen
anderen Drummer als Ersatz. Kürzlich beim Dynamite Skafestival
in Leipzig war das noch Boris Maintveld von
den Upsessions, die mit Flo zusammen diese Show ursprünglich
ins Leben gerufen hatten. Boris ist heute wegen anderer
Projekte verhindert und dafür spielt nunmehr Tommy Salver
Moser alias Tommy "Stroke" Dread von den Rootz Radicals an
den Drums.
Boss Van
Trigt, Sänger der Upsessions, bei der Judge Dread
Memorial Show
Live Video:
Judge Dread Memorial mit The Prince of Rudeness - 2/3 - Reggae And Ska +
Y Viva Suspenders
Nach "Y Viva Suspenders" ist die Show erst einmal zu Ende und ein
sichtlich geschaffter Flo verlässt mit einem kurzen "Good
Night" schnell die Bühne. Aber die Fans sind in Unkenntnis der
Situation unerbittlich und fordern lautstark eine Zugabe ein, die es
schließlich mit "Will I What" und "Big Six" auch noch gibt.
Live Video:
Judge Dread Memorial mit The Prince Of Rudeness - 3/3 - Will I What +
Big Six
Aber nun ist wirklich Schluss und wir sind erleichtert, dass Flo die
Show unbeschadet überstanden hat. (Nachträgliche
Anmerkung: Zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Zeilen ist Flo wieder
völlig auf dem Posten und
wir müssen uns keine Sorgen mehr machen.)
Inzwischen ist es an der Wasserburg empfindlich kalt geworden und wir
ziehen alles an, was wir noch in der Reserve haben. Wir
könnten uns zwar noch beim anschließenden Programm
im Zelt noch etwas aufwärmen, aber wir suchen lieber unser
Quartier auf, um morgen in aller Frische wieder rechtzeitig auf dem
Festivalgelände stehen zu können.
Also dann bis morgen und von uns auch noch ganz kurz ein "Good
Night".
Copyright: www.reggaestory.de
Text: Peter Joachim
Fotos: Marion & Peter Joachim
Videos: Peter Joachim
Mein besonderer Dank geht an Jörg Folta und Franze Vogel als
Veranstalter, an alle Mitwirkenden hinter den Kulissen und
natürlich an alle Künstler
des This Is Ska 2021.