Man glaubt es
kaum, 27 Jahre Summerjam sind Geschichte. Noch zwei Festivals und dann
gibt es schon das 30-jährige Jubiläum. Trotz
erhöhter Eintrittspreise und recht durchwachsener
Wettervorhersagen, feierten wieder die knapp 30.000 Fans verschiedener
Musikrichtungen ihre Stars auf der Insel des Fühlinger Sees.
Die Schwerpunkte lagen dabei auf Reggae, Dancehall und seit den letzten
Jahren auch vermehrt auf HipHop.
Noch am Wochenende zuvor tobten schwere Unwetter über
Deutschland und sorgten für Chaos.
Auf einem Heavy-Metal-Festival im nordsächsischen Roitzschjora
sind bei einem Blitzeinschlag 51 Menschen verletzt worden. Die
ICE-Strecke München-Stuttgart war stundenlang bis
Sonntagmittag gesperrt, weil Bäume auf die Gleise und in die
Oberleitungen gestürzt waren. In Bayern wurden beim Afrika
Karibik-Fest in Oettingen 18 Besucher durch umherfliegende
Äste verletzt. Ein von orkanartigen Gewitterböen
entwurzelter Baum erschlug eine Autofahrerin. In
Baden-Württemberg wurden beim Festival Rock am
Härtsfeldsee 10 Menschen durch herumfliegende
Gegenstände verletzt. Zelte wurden vom Sturm mitgerissen. Auch
in Berlin tobten die Unwetter und verwüsteten ganze
Straßenzüge. In Hessen wurde eine Golferin vom Blitz
getroffen und in Kiel standen viele Häuser unter Wasser. Die
Schreckensmeldungen ließen sich noch eine ganze Weile und
flächendeckend für Deutschland fortsetzen.
Mit dem Summerjam hat es der Wettergott aber wieder einmal gut gemeint.
Vielleicht ist er gar Reggae-Fan. Denn das Festival blieb mit Ausnahme
einiger Schauer von Unwettern verschont. Den Löwenanteil der
Bühnenprogramme konnten die Fans in trockenen Sachen
genießen.
Wegen der tragischen Ereignisse bei der Love-Parade 2010 wurden die
Sicherheitsvorkehrungen auf dem Festivalgelände weiter
aufgestockt. Wie schon im vorigen Jahr befand sich das Dancehallzelt
auf dem Gelände des P8 und damit außerhalb der
Festivalinsel. Trotzdem ist es auf der Insel merklich enger geworden.
Der durch Verlegung der Dancehall Arena gewonnene Platz hinter der Red
Stage, wurde wie im vergangenen Jahr dem Backstagebereich zugeschlagen
und große Teile der Inselwiesen durften nicht mehr betreten
werden, da diese als sogenannte Evakuierungsflächen frei
bleiben mussten. Der Sinn ist eigentlich nicht ganz
verständlich, denn die vielen Leute die früher dort
ganz entspannt saßen, müssen nun auch im
Evakuierungsfall erst dort hin laufen. Also im Endeffekt mehr
Gedränge in den übrigen Bereichen.
Festivalberich
- Zum Großformat bitte das Bild anklicken
Sehr positiv für einen Großteil der Camper war
jedoch die Öffnung der dritten Inselbrücke. Dadurch
wird nicht nur das Gedränge an den Eingängen nach dem
Ende der Bühnenprogramme entlastet, sondern auch die Wege der
Camper aus Richtung Merianstraße (westlich der Festivalinsel)
erheblich verkürzt.
Festivalinsel
- Zum Großformat bitte das Bild anklicken
Nachfolgend nun ein paar detaillierte Festivalerinnerungen, die ich
schon zwei Tage vor dem offiziellen Start des Festivals beginne. Um
keinen der Leser zu langweilen, da es ja unterschiedliche Fangemeinden
gibt, hier ein kurzer Überblick zum Verlauf der Story und der
Fotogalerie.
Für tiefer gehende Informationen zu den Künstlern
nutzt bitte die im Text angegebenen Links. Wegen dem großen
Umfang des Berichts wird auf längere biografische Details
verzichtet.
04.-05.07.2012
– Mittwoch und Donnerstag
Vor dem Festival, Welcome Party, Chalice Butto, King C. Red, Zuluman,
Junior Kigwa
07.07.2012
– Sonnabend
Berlin Boom Orchestra, Natty, Hollie Cook, Nneka, Amadou &
Mariam, Groundation, Burning Spear, Beenie Man
08.07.2012
– Sonntag
Dub À La Pub, Sebastian Sturm, J Boog, Million Stylez,
Danakil, Alborosie, Stephen Marley
09.07.2012
– Montag
Abreise
Running
Order - Zum Großformat bitte das Bild anklicken
Mittwoch
– 04.05.2012
Schönes Wetter heute, trotz der schlechten Wetterprognosen.
Alles klappt dieses Mal wie am Schnürchen.
„Blutdruck steigend“ beim Angesicht der Schranken
und Kontrolle der Durchfahrtsgenehmigung, ist heute zum Glück
völlig unnötig. Keine nervigen Ansagen und
Diskussionen. Freundlich gibt uns eine Angestellte des
Sicherheitsdienstes den Weg frei. Na das ist ja mal ein guter Start.
Entspannt erreichen wir am frühen Nachmittag den P2 und
beginnen bei strahlenden Sonnenschein die schweißtreibende
Einrichtung unseres Summerjamstützpunktes. Nach getaner Arbeit
kommen unsere Kühlakkus aus der Kühlbox als
Erfrischungsgetränk sehr gut an.
Nein, nein, natürlich keine richtigen Kühlakkus,
sondern Bier in PET Flaschen. Das spart Platz, Gewicht und gleichzeitig
Kühlung in der Box. Ein paar Minuten Sonne reicht zur
Umwandlung von Biereis in das richtig temperierte Getränk.
Einfach perfekt für Camping und Festivals. Wer sich da mit
schweren Bierkästen und Glasflaschen abschleppt, ist selber
Schuld.
Nach der inneren Erfrischung geht´s zur
äußeren Abkühlung an den See. Dort ist
schon wieder Hochbetrieb. Keine Chance mehr für
Bauplätze im gesamten Bereich zwischen Freibad und P8.
Maximal für kleine Zweimannzelte findet sich noch das eine
oder andere Plätzchen. Größere
Spaziergänge ersparen wir uns heute, um die restliche
Situation zu erkunden. Wir widmen uns lieber der Schwimmerei und lassen
das allgemeine Treiben an Land und im Wasser auf uns einwirken. Die
Festivalinsel ist heute das Ziel vieler Schwimmer, die unbemerkt dort
an Land gehen und ihren Triumph genießen. Offenbar werden gar
Wetten abgeschlossen. Anders ist zumindest nicht zu erklären,
dass dort auf einmal ein Flitzer anlandet und einen Spurt über
die Insel unternimmt. Ganz wohl fühlt er sich offenbar nicht
dabei, denn sein bestes Stück hält er die ganze Zeit
hinter einer Hand versteckt. Drüben registriert es offenbar
niemand so richtig, diesseits aber schon, was zur Belustigung der
Massen führt.
Bild
1 - 3: Der
Summerjam-Flitzer auf der Festivalinsel
Donnerstag
– 05.07.2012
Viel Zeit für Erkundungen im ausgedehnten Gelände
rund um den Fühlinger See. Das Wetter sieht wieder gut aus.
Auf dem P2 sind noch die Arbeiten am großen Partyzelt
abzuschließen, denn am heutigen Abend soll dort ab 20:00 Uhr
die „Welcome-Party“ stattfinden, bei der auch
einige Live-Acts zu erwarten sind. Die ersten Verpflegungs- und
Marktstände sind schon geöffnet und verbuchen ihre
ersten Umsätze. Die Ticket-Container und die große
Duschstation nebst Trinkwasserzapfstelle ist alles schon
geöffnet.
Bild 1 + 2: Partyzelt auf dem P2 Bild 3 + 4: Händler und Imbiss
auf dem P2 Bild 5: Container für die
Festivalbändchen auf dem P2
Schauen wir einmal wie es in Richtung Freibad und Reservations-Camp
aussieht.
Das Freibad hat der Betreiber für die Dauer des Festivals
geschlossen. Eingang nur für Kletterparkbesucher steht am Tor.
Offenbar sind in den letzten Jahren dem Betreiber viel Arbeit und wenig
Nutzen durch die Festivalbesucher entstanden. Argwöhnisch wird
man schon beäugt wenn man nur in die Nähe des Tores
kommt. Anweisungen werden hinter dem Gitter ausgetauscht, die nicht gut
klingen. Man kommt sich fast wie ein Krimineller vor.
Bild 1 + 2: Eingang zum Freibadbereich
Gleich hinter dem
Freibad im Bereich des Green Camp wurde dafür eine neue
Sanitärstation errichtet. Alles da was man braucht. Sehr gut.
Durch Wegfall der Freibadnutzung war das offenbar nicht anders
möglich. Es gibt mehrere dieser Stationen auf dem
Campinggelände, die auch gleichzeitig als Verpflegungs- und
Informationsstützpunkt dienen.
Beim Reservations-Camp sieht alles noch sehr entspannt aus.
Große freie Flächen und damit besteht auch
für Spätankommende die Möglichkeit, ganz
ohne Stress und Platzangst ein schönes Plätzchen zu
finden.
Bild 1 + 2: Reservations Camp
Aber auch auf der „Tosh Insel“, wie die zweite
Insel des Fühlinger Sees in diesem Jahr heißt, ist
noch genügend Platz. Und das Beste daran ist, die neue und
direkte Zugangsmöglichkeit zur Festivalinsel über
eine schon immer vorhandene Verbindungsbrücke. Warum man
darauf nicht schon eher gekommen ist? Vor der Brücke auch hier
ein Stützpunkt des Camp Service mit allem Nötigen.
Für die Camper dieser Insel bringt das eine erhebliche
Verbesserung mit sich.
Bild 1 - 7: Campingbereich zwischen
Freibad und P2
Nach 19:00 Uhr geht es dann noch einmal zur Pressestelle, um Aufkleber
und Eintrittsbändchen zu holen. Der Weg ist dieses Mal ein
Stück weiter, aber mit „Die
Kantine“ hat man sich einen sehr
schönen Standort ausgesucht. Für alle Beteiligten
ganz sicher eine gute Lösung.
Bild 1 + 2: Freilichtbühne an der
Kantine
Am Abend dann die große Welcome-Party auf dem P2. Wie
erwartet wieder eine tolle Sache – Platz für Alle,
ordentliches Zeltklima, sauberes Umfeld und natürlich Reggae
auf die Ohren bis zum Abwinken. King bzw. Verantwortlicher der
Bühne ist wie in den vergangenen Jahren King
C Red (Togo). Seine Überraschungsgäste des
Abends sind Chaliss
Butto (Nigeria), Zuluman
(Zimbabwe) und Junior
Kigwa (Rwanda). Highlight und bester Artist dieser
afrikanischen Kontinentalreise ist für mich MC Chaliss von
Buttoklaang,
der mit eindringlicher und überzeugender Stimme die Massive
rockt. Warum der Mann mit dieser genialen Stimme nicht bekannter ist,
bleibt mir ein Rätsel. Hoffentlich hören wir in
Zukunft noch mehr von ihm.
Bild 1 - 7: Chaliss Butto im Partyzelt auf
P2
Bild 1 + 2: King C Red
Bild 1-4, 6: Zuluman Bild 5: King C Red
Bild 1 + 2: Junior Kigwa
Freitag
– 06.07.2012
Verdammt, jetzt bekommen wir doch noch eine gehörige Dusche
ab. Es regnet schon die halbe Nacht und will und will nicht
aufhören. Keine Lust zum Aufstehen, und die Eröffnung
des Festivals rückt immer näher heran. Der
Morgenspaziergang übers Campinggelände fällt
buchstäblich ins Wasser.
Was soll das nur werden? Der Himmel besteht aus tristem Einheitsgrau
und der hernieder prasselnde Regen lässt die Pfützen
immer weiter anschwellen. Doch gegen Mittag passiert das Wunder. Der
Regengott erinnert sich an das Summerjam und dreht den Hahn zu. Kurz
vor der allgemeinen Eröffnung der Insel schauen wir uns noch
einmal die jungfräulichen Bühnen und das
Gelände der Festivalinsel an.
Vor den Bühnen hat man
große Bereiche mit Platten ausgelegt. Das ist sehr gut.
Einerseits steht man ein paar Zentimeter höher und
andererseits gibt’s bei Nässe keinen Schlamm, bei
Trockenheit keine Staubwolken und kein Silagegeruch vom zertrampelten
Rasen.
Bild 1 - 3: Eingang 1 und die Red Stage
Bild 1: Green Stage
Bild 1: Basar an der Red Stage - Der
Ansturm kann beginnen
Eine tolle Neuerung ist auch die große LED Leinwand
neben der Red Stage auf der noch momentan die Running Order des
Festivals zu sehen ist. Später werden dort die Auftritte der
Künstler live übertragen. So haben auch die Fans aus
ungünstiger Position die Chance, ein paar
Großaufnahmen der Künstler aus der Ferne zu sehen.
Das Wetter wird immer besser und mit Beginn der ersten Konzerte lugt
dann sogar hin und wieder die Sonne hinter den Wolken hervor. Instant
Vibes ist
die Eröffnungsband des Festivals. Die Jungs waren die Gewinner
des German Reggae Band Contests im Jahr 2010. Mit „Welcome To
Bavarilon“ haben sie im vorigen Jahr ein Minialbum mit 5
Tracks, und damit schon ihr zweites Projekt nach ihrer 2010er EP
„Movement“ an den Start gebracht. Den Start sehen
wir uns nur aus der Ferne an, nutzen ihn zur Einstimmung und
Hintergrund zur Inspizierung der Marktstände.
Bild 1: Green Stage - Instant Vibes
Rein informatorisch checken wir auch den Start auf der Red Stage mit RAF 3.0.
Wie erwartet passt das natürlich gar nicht in unsere
musikalischen Vorstellungen. Für den heutigen Tag wird sowieso
die Green Stage der Aufenthaltsort von reggaestory.de sein.
Bild 1: Red Stage - RAF 3.0
Mit der serbischen Band Irie FM,
die das letzte Finale des European Reggae Contest gewonnen hat, startet
auf der Green Stage die nächste Runde.
Bild 1 - 8: Irie FM - Green Stage
Bild 1: Sara Lugo & Natty -
VIP-Bereich
Dann wird es schon Zeit langsam eine günstige
Bühnenposition zu beziehen. Denn mit den nachfolgenden Ranging
Fyah geht es schon in die hochkarätigen
Programme. Raging
Fyah gehört zu den erfolgreichsten
Newcomern des Roots Reggae Bandformats aus Jamaika. Viel
Vorschusslorbeeren und Begeisterung für die Band wurden schon
vor einiger Zeit über die Riddim verbreitet. Einigen hat das
zwar nicht gefallen, aber der richtige Riecher war trotzdem auf Seiten
der Riddim. Ihr erfolgreiches 2011er Album „Judgement
Day: Music For The Rebels“ ist
dafür ausreichender Beleg. Raging Fyah nun zum ersten Mal in
Deutschland und hier auf dem Summerjam, darf man natürlich
keineswegs verpassen.
Bild 1 - 11:
Raging Fyah
All die Hits des Albums, die live zum Teil noch viel besser klingen,
lösen die ersten Glücksgefühle des
diesjährigen Summerjam aus. Kumar Bent, Gitarrist und
Hauptsänger, ist dabei der Sympathieträger der Band.
Die Musik scheint eins mit ihm zu werden. Mit geschlossenen Augen oder
weit über die Menge hinwegschauend, manchmal die freie Hand in
den Sachen verkrampft, singt und spielt er äußerst
überzeugend und erfrischend. Zwischendurch immer wieder
verlegen lachend, kann er wohl selbst den Erfolg der Band noch nicht
richtig fassen.
Bild 1 - 11: Raging Fyah
Mit den Stücken „Ganja“
und „Cyaan Cool“ gibt´s dann auch noch
Raum für Gänsehaut.
Live
Video:
Raging Fyah - Ganja & Cyaan Cool
Weiter geht es mit Midnite,
dem Reggae Schwergewicht von den Virgin Islands. Das im wahrsten Sinne
des Wortes, denn ihr Roots Reggae kommt tief und schwer daher und sucht
seinesgleichen in dieser Art. Die Diskographie der Band wächst
und wächst. Obwohl sich die Band erst 1989 gegründet
und erst 1997 ihr Debutalbum „Unpolished“
herausgebracht hat, sind gegenwärtig schon 53
Alben auf
dem Markt. Die
Brüder Vaughn und Ron Benjamin sind dabei die tragenden
Säulen der Band. Kaum zu glauben, dass die beiden
Brüder sind. Während Vaughn der schüchterne
und sehr bewegungsarme Sänger mit unverwechselbarer
spiritueller Stimme ist, kann sich Ron in seinem Bewegungsdrang und
freudestrahlenden Gesicht kaum bremsen.
Midnite insgesamt erscheint mir heute besser und ein Tick schneller als
beim letzten Mal. Auch ist Vaughn deutlich
„aufgeweckter“ und zeigt öfter ein Lachen.
Mir dagegen vergeht es zeitweise. Ständig krakelt mir eine
rücksichtslose Nachbarin mit ihrer Fahne ins Gesicht. Es kommt
fast zum Eklat, und ich bin kurz davor ihr das Teil einfach wegzunehmen.
Live
Video:
Midnite - Rasta To The Bone & Listen
Wir kommen hier nicht weg, denn nun ist mit Daddy U Roy,
„Father of Deejaying“, „The
Originator“, ein Mann mit Legendenstatus aus Jamaika an der
Reihe. Da kann anderenorts kommen wer will, U Roy möchte ich
niemals verpassen. Mit seinen 70 Jahren zeigt er seiner Branche immer
noch wo es langgeht. Im Oktober dieses Jahres kommt sein neuestes Album
„Pray Fi Di People“ heraus. Ich bin schon
mächtig gespannt drauf.
Bevor aber U Roy die
Bühne betritt stellen sich erst seine Backgroundsinger Richie
Kanary und
Winsome
Benjamin mit ein paar eigenen Stücken vor.
Bild 1, 2, 4: Richie Kanary Bild 3: Winsome Benjamin
Dann ist es endlich soweit.
U Roy ist wieder ganz edel gekleidet. Leichtes Hemd und leichte Hose in
hellem Gelb und dazu wie fast immer einen Hut mit breiter Krempe. Es
dauert aber nicht lange und U Roy braucht ein Handtuch zum Abtrocknen
und als Frischluftversorger.
Hit auf Hit führen zur
Begeisterung der Massen. Am liebsten würde ich alles
aufnehmen. Verdammter Mist, ausgerechnet bei „Soul
Rebel“ geht das Band zu Ende.
Die Massive ist im Freudentaumel und singt lautstark mit. Hoffentlich
hat es wenigstens das Fernsehen aufgenommen. Die Chancen stehen
schlecht. Leider haben die sich nämlich nach Raging Fyah
verkrümelt. So richtig wissen die immer noch nicht was wichtig
ist.
Live
Video: U
Roy - Just Another Girl - Ok Fred - Soul Rebel
Als nächster und letzter Artist auf der Green Stage ist Tiken
Jah Fakoly an der Reihe. Ein Mann, der Reggae mit
afrikanischen Klängen vermischt und so ein einzigartiges
Klangbild erzeugt. Tiken Jah gehört zu den Superstars des
afrikanischen Kontinents und lebt wegen seiner wahren Botschaften oder
ungeliebten Wahrheiten in seinen Songs, sehr gefährlich. Sein
Heimatland, die Elfenbeinküste, musste er bereits wegen
Morddrohungen verlassen. Neue Heimat ist inzwischen Mali für
ihn geworden, wo er eigentlich bleiben möchte. Ob er dort
sicher sein wird, ist leider ungewiss. Besonders auf Grund der neuesten
Entwicklungen und der Zerstörungswut von Extremisten im Norden
des Landes, denen schon das Weltkulturerbe Timbuktu zum Opfer gefallen
ist, muss man das Schlimmste für Mali befürchten.
Wer einmal Tiken Jah live gesehen hat, wird ihn immer wieder sehen
wollen. In seinem Programm gibt es keine Aussetzer. Man stürzt
von einer Begeisterung in die nächste und vergisst dabei, was
denn für Hits alles noch kommen können. Dazwischen
immer wieder Jubel vor der Bühne und lautstarke
Unterstützung bei verschiedenen Textpassagen durch die Fans.
Zwischendurch wandert Andrew Murphy mit seinem Bruder durch den
Fotograben und wird von den Leuten der ersten Reihe freudig
begrüßt. Sean Paul auf der Red Stage
überzeugt ihn offenbar nicht so sehr, wo er eigentlich als
Moderator gebunden ist. Zugabe und krönender Abschluss der
Show ist heute „Il Faut Se Lever“ von seinem 2010er
Album „African Revolution“.
Live
Video:
Tiken Jah Fakoly - … - … - African Revolution -
Il Faut Se Lever
Jetzt hätten wir noch die Möglichkeit in die
Dancehall Arena in Richtung P8 zu ziehen, dort könnten wir
noch Artists wie Skarra
Mucci, Christopher
Martin, Lord
Kossity und andere erleben. Das soll nicht unerwähnt
bleiben. Aber irgendwo muss man eben Prioritäten setzen, wenn
man das Festival einigermaßen geordnet und fit verleben oder
„überstehen“ will.
Sonnabend
– 07.07.2012
Das Wetter sieht heute wieder etwas besser aus, obwohl im Radio
völlig widersprüchliche Meldungen zu Regen und
Gewitter verbreitet werden. Kann ja noch kommen – hoffen wir
es lieber nicht. Vor dem Frühstück geht´s
noch schnell zum Infopoint auf den P2. Vor den heutigen Shows sind noch
die Energiequellen aufzustocken. Aber Fehlanzeige. „Wir
machen das nicht mehr. Voriges Jahr ist etwas vorgefallen.“,
meinen die freundlichen Damen vielsagend. Wer jetzt einen Akku laden
möchte muss draußen am Tisch Platz nehmen, auf
seinen Akku selber aufpassen und warten bis er geladen ist.
Die Zeit habe ich natürlich nicht, mich dort stundenlang hin
zu setzen. Zum Glück habe ich noch genügend
Reserve-Akkus.
Werbung an
den Zäunen
Auf dem See sind die Trommler unterwegs und ständige
Begleitung beim Morgenspaziergang. Am Ufer geht es zu wie bei einer
Laola Welle im Fußballstadion. Überall wo das Floss
mit den Trommlern entlang gleitet, springen die Leute auf und klatschen
mit.
Bild 1 - 13: Impressionen vom Campingplatz
- Östlich der Festivalinsel
Kurz vor Eröffnung der Insel dann ein Gewitterguss, der zum
Glück nicht von Dauer und bis zu unserem Gang auf die Insel
vergessen ist. Der heutige Plan ist klar. Zuerst geht es wieder an die
Green Stage und erst am späten Nachmittag werden wir bei
Amadou & Mariam zur Red Stage wechseln. Wer hat als Reggae Fan
schon Interesse für „Die
Orsons“ oder „Prinz Pi“.
Zum Glück ist die Running Order dieses Jahr weitestgehend gut
sortiert, was ein ständiges Hin und Her erübrigt.
Green Stage
- Berlin Boom Orchestra
Also schauen wir uns die neunköpfige Berliner Bumskapelle (Berlin
Boom Orchestra) an, die mit ihrer Mischung aus
Reggae, Dancehall und Ska seit 2006 aktiv ist. Im Jahr 2008 kam ihr
erstes Studioalbum „Kaboom“ bei MKZWO heraus. Mit
„Live in Kreuzberg“ wurde im Mai 2009 die
nächste Scheibe veröffentlicht. Diese Live-Aufnahmen
wurden vom allseits bekannten Multitalent Ganjaman
abgemischt und mit einer Release Party, im Club Maria am Ostbahnhof,
der Öffentlichkeit präsentiert.
Ein besonderer Meilenstein in der noch jungen Bandgeschichte ist die
Teilnahme am „European Reggae Contest 2009“, den
sie in Deutschland für sich entscheiden konnten. Mit
„Hin Und Weg“ gab´s im Jahr 2010 schon
das nächste Album, und mit „3 Stück
Schlauer“ gibt es aktuell eine neue EP.
Bild 1 - 9: Berlin Boom Orchestra
Heute müssen wir uns nicht länger an der Green Stage
einrichten. Die Zeit die wir hier bleiben ist kein allzu
großes Gedränge zu erwarten. So bleibt zwischen den
Auftritten immer wieder etwas Freiraum ein wenig umher zu wandern,
Leute zu treffen und hier und da auch einmal ein Schwätzchen
abzuhalten.
Bild 1: Uwe Banton
Bild 2: Jaqee
Zweiter Auftritt auf der Green Stage ist Natty aus
England. Natty ist schon seit gestern im Gelände und uns schon
mehrmalig über den Weg gelaufen. Die Erleuchtung kommt aber
erst, als er auf der Bühne steht. Ja klar doch –
Natty. Seine Musik ist vielseitig und nicht nur reiner Reggae. Er
selbst hat neben Reggae deshalb auch Alternative auf seine Fahne
geschrieben.
An der Bassgitarre entdecken Jahmel Ellison von Ras-I-Tes,
den wir auch schon gesehen aber nicht erkannt haben, da er seine Dreads
in ein Tuch gewickelt hatte. Erst jetzt auf der Bühne zieht er
sein rot-gelb-grün gestreiftes Tuch herunter.
Bild 1 - 5: Natty
Bild 6: Jahmel Ellison
Die Akustik ist miserabel eingestellt. Irgendwie schläft die
Technik. Besonders die rechten Boxentürme dröhnen
derart, dass man es im Kopf nicht aushält. Das verdirbt den
ganzen Klanggenuss. Selbst mittig vor der Bühne stört
dieses Gedröhne immer noch. Sehr schade für Natty.
Live
Video:
Natty – Bedroom Eyes
Mit Hollie Cook,
wiederum eine Künstlerin aus England, kommt als
nächstes die Tochter von Sex Pistols Drummer
Paul Cook und The
Belle Stars Sängerin Jennie Matthias auf
die Bühne. Irgendwie erstaunlich wie eine Tochter von Punk-
und Rockeltern ausgerechnet zum Reggae findet.
Bild 1 - 9: Hollie Cook - Green Stage
Jahmel Ellison ist
wiederum mit von der Partie, nur hat er jetzt die Bühnenseite
gewechselt. Hollie Cook präsentiert sanften, unbeschwerten und
tanzbaren Reggae, der durchgängig gut anzuhören ist.
Rein optisch gibt sie eine gute Figur ab und verblendet durch gekonnte
Drehungen ihres Kleides immer wieder mit ihrem Darunter die Augen der
Zuschauer. Leider kommt ihre Stimme nicht so stark zur Geltung wie bei
ihren Studioaufnahmen. Dafür würzt die Stimme von
Drummer und MC Horseman, die meisten Stücke zu einem sehr
guten Gesamtkonzept.
Live
Video:
Hollie Cook & Horseman - Cry & Hurts So Good
Weiter geht´s mit Frauen-Power. Nneka, ist eine
gebürtige Nigerianerin, die aber eine deutsche Mutter hat und
seit 1999 in Deutschland lebt. Sie hat sich dem Afro-Beat, HipHop und
Soul verschrieben. Dementsprechend vielseitig ist ihr Programm.
Bild 1 - 12: Nneka - Red Stage
Dazwischen sind aber auch ein paar Reggae-Töne zu vernehmen
und das Gesamtprogramm ist sehr hörens- und sehenswert. Eine
außergewöhnliche Künstlerin mit
einprägsamer Stimme und sehenswerter Mimik und
Ausdrucksstärke.
Live
Video:
Nneka - Africans
Jetzt ist unser Bühnenwechsel angesagt. Protoje würde
zwar auch in unser Beuteschema passen, aber Amadou & Mariam
haben wir schon länger nicht mehr erleben dürfen.
Außerdem rückt mit Burning Spear das Highlight des
Sonnabends immer näher, und wer zu spät kommt, muss
sich dann mit den hinteren Rängen begnügen. Zum
Glück ist durch das für uns gute
Bühnenkonzept ein fast kompletter Austausch der Fangemeinde
vor der Bühne der Red Stage im Gange. Der Auftritt von Irie
Révoltés ist gerade zu Ende
gegangen und die Massen strömen von dannen, wohin auch immer.
Selbst Andrew Murphy, der Moderator der Red Stage scheint erleichtert.
„Ooh die Gesichter wechseln, denn jetzt kommt andere
Musik.“, bemerkt er passender Weise mit strahlendem
Gesichtsausdruck.
Mariam Doumbia und Amadou Bagayoko, alias Amadou & Mariam,
kommen aus Mali. Mit ihrem stark von westafrikanischer traditioneller
Musik beeinflussten Musikstil, sind sie nicht nur in Afrika bekannt
geworden. Trotz Blindheit haben sich die Zwei, die auch privat ein Paar
und verheiratet sind, eine Weltkarriere aufbauen können. Mit
ihrem diesjährigen aktuellen Werk
„Folila“, haben sie seit ihrem 1998er Debutalbum
„Se Te Djon Ye“, inzwischen das siebente Album auf
den Markt gebracht.
Schön gekleidet sind die Beiden wieder einmal und haben
dafür bei ihrem Schneider, die gleichen Stoffe in Farbe und
Muster ausgewählt, die sich aber trotzdem auf den ersten Blick
völlig unterscheiden.
Begleitet werden Amadou & Mariam
von zwei Tänzerinnen, die identisch gekleidet und
schön anzusehen sind und für Bewegung auf der
Bühne sorgen. Trotz Drehgenehmigung untersagt mir doch ein
übereifriger Mann vom Sicherheitsdienst den Mitschnitt
während der ersten drei Titel. Begründung: Meine
Beine stehen auf der falschen Seite von der ersten Absperrung. Der
Videopass lässt ihn unbeeindruckt. Wenn ich filmen und
fotografieren will, müsste ich in den Fotograben kommen, so
seine Ansage. Nun ich kann, muss aber nicht, aber was will man machen.
Rumstreiten bringt nichts. Dann bleibt es eben. Da war es an der Green
Stage doch viel entspannter.
Ein weiteres Ärgernis ist die
Bühnenbeleuchtung. Vom Konzert ist fast nichts zu sehen. Die
Fans der ersten Reihe werden mit starken Strahlern geblendet, dass
einem die Augen weh tun. Nix rührt sich an der Stellung der
Scheinwerfer. Gequält muss man immer wieder nach unten sehen,
wenn man sich nicht völlig die Augen verblitzen will.
Bild 1 + 2: Chaotische
Bühnenbeleuchtung auf der Red Stage bei Amadou & Mariam
Den
herangewunkenen „Freund“ vom Sicherheitsdienst
interessiert das nicht.
Dafür könne er nicht, ich solle zum Turm gehen und
mit der Technik reden. Sehr witzig. Der wird doch mal die Info
weitergeben können, damit die Beleuchter geweckt werden. Wenn
einer umfällt, sollen wir wohl auch noch selber den Notdienst
übers Handy anrufen!? Genervt schütteln einige Fans
mit dem Kopf und reiben sich die Augen. Freie und ungeblendete Sicht
auf die Künstler ist leider die große Seltenheit im
Bereich unseres Standortes. Da denkt sich wohl einer: „Na
und, Amadou & Mariam sehen ja auch nix.“
Bild 1: Amadou & Mariam und
die Band verabschieden sich.
Weiter geht es mit Groundation aus
Kalifornien. Seit 1998 hat sich die Band mit ihrer unverwechselbaren
Mischung aus Roots Reggae, Dub, Funk und Jazz einen Namen gemacht. Die
Meinungen in der Reggae-Welt über die Band sind immer wieder
unterschiedlich. Tatsache ist aber, dass die Band weltweit erfolgreich
mit ihrem ganz eigenen Musikstil ist und gefeiert wird. Es wurde schon
oft an dieser Stelle über Groundation berichtet, zuletzt
im Mai dieses Jahres. Einfach mal reinschauen und
-hören.
Das Kamerateam ist wieder mal echt zum Brüllen. Die Massive
tobt und jubelt wegen der unglaublich tollen Tanzeinlagen von Kim
Pommel und Kerry-Ann Morgan, und was machen die – halten stur
auf Harrison Stafford drauf!? Können die sich ihre Zielobjekte
nicht besser teilen? Ehe die mitkriegen was los ist, sind die
schönsten Szenen schon wieder vorbei. Ich kann leider auch
nicht mit einer entsprechenden Aufnahme dienen, will ja nicht
unnötig meinen „Freund“ anlocken, der
sowieso schon argwöhnisch und mit verbissen grimmiger Miene
die erste Reihe abschreitet, als wären wir alle
Aussätzige.
Dann endlich ist es soweit. Burning
Spear, die lebende Legende und hoch gehandeltes Highlight des
gesamten Festivals, der seit 10 Jahren nicht mehr hier war, wird
angekündigt. Der Fotograben ist natürlich
gefüllter als sonst. Ohne uns. Wegen drei Titel nur ein
Stück näher dran sein, verzichten wir doch nicht auf
das Gesamtkonzert.
Bild 1 + 2: Andrew Murphy
Der Sicherheitsdienst ist hochgradig
nervös. Jede Kamera wird genauestens in Augenschein genommen,
auch derer im Fotograben. Bei Burning Spear sind generell keine
Videoaufzeichnungen erlaubt. Wozu dann vorab entsprechende
Verträge von Burning Spear bezüglich Foto- und
Videoaufzeichnungen veranlasst worden sind, bleibt mir verschlossen.
Zumal sowieso jede kleine Digitalkamera und jedes Handy aus der Masse
heraus, in der Lage ist, Filmaufnahmen zu machen. Dies oft auch in
ausreichender Qualität, die an dieser und anderen Stellen
für eine Berichterstattung ausreichen würde. Naja
wenigstens filmt das Fernsehen und Burning Spears Frau Sonia.
Live
Video:
Burning Spear - Jah No Dead (Bühnenposition Sonia Rodney)
Der bekannte klassische Roots Reggae Sound von Burning Spear nimmt
einen sofort gefangen.
Burning Spear ist heute auch gut gelaunt und hat öfter ein
Lachen im Gesicht. Das tut gut. Bei den letzten Auftritten, die ich von
ihm hierzulande gesehen habe, ließ er sich mächtig
lange bitten und feiern, bevor er gute Miene auf der Bühne
machte. Heute ist alles anders. Mit seinen fast 70 Jahren ist er auch
noch äußerst fit, tanzt wie ein Junger über
die Bühne und lässt seine Dreads fliegen. Fetzige
Jeans, bzw. zerfetzte, hat der Mann übrigens an. Die
Löcher sind mit den Farben rot, gelb und grün
hinterlegt.
Immer wieder fordert er die Massive auf, ihn zu feiern.
Vielleicht sollte er ein paar Knaller bringen, dann kommt der Jubel von
ganz allein. Ungeachtet seines Legendenstatus soll eben auch ein wenig
Kritik erlaubt sein. Bei seinen alten Fans wird sich nicht viel
verändern, aber neue Fans wird er mit seiner heutigen Setlist
nicht erreichen können. Das ist sehr schade. Burning Spear
bringt einfach viel zu wenig von seinen grandiosen Hits, die ihn zu
Weltruhm geführt haben. Nicht einmal „Marcus
Garvey“, „The Fittest Is The Fittest“
oder „Repatriation“ stehen im Programm. Ebenso
vermisse ich eingängige Stücke wie
„I´m Not The Worst“, „Cry Blood
Africa“, „This Experience“, …,
die Liste meiner persönlichen „Best“
ließe sich noch ein ganzes Stück unerfüllt
fortsetzen. Neben der Wiedersehensfreude bin ich daher doch ein wenig
enttäuscht.
Am Ende gibt´s noch Geschenke. Burning
Spear verschwindet kurz hinter der Bühne, um kurz darauf mit
einem Stoffbeutel über die Bühne zu tänzeln
und Poster und T-Shirts in die Massen zu werfen.
Schauen wir noch einmal ob´s bezüglich
Pressekonferenzen noch irgendwelche Neuigkeiten gibt.
Leider ist bezüglich Burning Spear nichts zu machen. Meinen
Stapel Albumcover habe ich umsonst mitgeschleppt. Aber besser man ist
vorbereitet als nicht. Wenigstens ´ne Fotosession mit
Autogrammstunde hätte er machen können.
Dafür gibt´s mit Beenie Man
eine Pressekonferenz, der gerade parallel mit Burning Spear auf der
Green Stage war. Auch nicht schlecht.
Live
Video:
Beenie Man – Pressekonferenz
Heute wäre auch die letzte Gelegenheit, der Dancehall Arena
einen Besuch abzustatten, aber wir schaffen es wieder nicht uns
durchzuringen. Immerhin geht es morgen auch noch eher auf der Insel los
als heute. Beenie Man will auch noch hin. Das wird eine
Überraschung werden, denn angekündigt ist es nicht.
Sonntag
– 08.07.2012
Es regnet schon wieder. Aber das ist nicht so schlimm, so lange es
nicht die wichtigsten Auftritte des Tages erwischt. Eigentlich soll es
ja zum Nachmittag hin „trockener“ werden, so
zumindest der örtliche Wetterbericht. Was immer das auch
heißen mag. Rein vorsorglich wird ein großer Schirm
mitgenommen. Da kann man wenigstens aus der Ferne trockenen Hauptes die
Shows verfolgen, ohne jemand zu stören. Im Fotograben kann man
damit natürlich nicht hantieren.
Heute ist durchgängig die Red Stage angesagt. Auf der Green
Stage ist heute „gar nix“ los. Außer „Dreadzone“ versäumen
wir nichts. Das wäre sicher ganz interessant, ist aber nicht
umsetzbar, wenn man die Hauptacts der Red Stage vollständig
und aus guter Position erleben will.
Dub
à la Pub, eine neunköpfige Band aus
Augsburg, eröffnet das heutige Programm auf der Red Stage. Die
Gwinner des 2011er Rototom Band Contests mischen Roots Reggae, Dub und
Ska. Eine gute Einstimmung für den Tag. Vor der Bühne
sieht es zwar noch recht aufgeräumt aus, aber das liegt
bestimmt wie immer am Sonntag und die ständigen Regenschauer
bremsen sicher auch einen nicht unerheblichen Teil von Besuchern aus.
Bild 1 + 2: Dub à la Pub - Red
Stage
Danach geht es mit Sebastian
Sturm und der Exile Airline Band aber schon eine
Stufe höher. Vor der Bühne wird es jetzt erheblich
enger. Seit seinem 2006er Debutalbum „This Change Is
Nice“ ist er ständig auf Erfolgskurs. Mit
„Get Up & Get Going“ hat er im Oktober 2011
sein drittes Album herausgebracht. Sebastian ist einer der wenigen
Künstler der durchgängiges Filmen und Fotografieren
genehmigt hat. Ein sehr guter Zug. Das lockert auch den Andrang im
Fotograben auf, da kein Zwang mehr besteht während der ersten
drei Titel ein paar gute Aufnahmen zu machen.
Bild 1 - 13: Sebastian Sturm &
Exile Airline
Verdammt, schon wieder
beginnt es zu regnen. Irgendwie hat es jetzt auch noch die Kamera
erwischt. Sie streikt, weil sie angeblich Feuchtigkeit auf dem Band
festgestellt hat. Da hilft auch die später strahlende Sonne
nicht mehr, die ich ausgiebig ins Innere des Kameralaufwerks scheinen
lasse. Sie hat keine Lust mehr. Gut, wenn sie nicht mag verschwindet
sie eben im dunklen Rucksack. Pech gehabt.
Erfahrungsgemäß kann das Stunden bis zur Besinnung
dauern.
Live
Video:
Sebastian Sturm - Invitation & Get Going
Nächster Programmpunkt ist Million
Stylez und J
Boog.
J Boog ist zuerst dran. Spätestens seit
Veröffentlichung seines 2011er Albums „Black Yard
Boogie“, der den Hit „Let´s Do It
Again“ enthält, wird er auf jedem Dance hoch und
runter gespielt. J Boog´s Erscheinung lässt den
Unkundigen keineswegs zu der Vermutung kommen, welche musikalische
Richtung er eingeschlagen hat. Der Mann mit der Stimme, die ein wenig
in Glen Washingtons Richtung geht, ist auf dem richtigen Weg.
Let´s do it again! Weiter so!
Bild 1 - 12: J Boog - Red Stage
Und schon wieder gibt´s Wasser auf die Mütze. Die
Massen nehmen es mit Humor, zumal der Himmel am Horizont schon wieder
Besserung verspricht. Dann wird es hoffentlich wirklich trockener wie
angekündigt.
Bild 1 - 4: Regen bei J Boog vor der Red
Stage
Jetzt kommt Kenshin Iryo alias Million
Stylez, der Mann aus Schweden mit den Millionen Musikstilen,
auf die Bühne. Einst hat er seine musikalische Laufbahn mit
Rap und HipHop begonnen, ist aber inzwischen bei Dancehall und Reggae
angekommen. Ganz seinem Namen entsprechend präsentiert er
vielseitiges und sehenswertes Programm.
Bild 1 - 8: Million Stylez - Red Stage
Bild 1 - 3: Vor der Red Stage bei Million
Stylez
Vor der Bühne wird es immer enger. Jetzt ist kein Durchkommen
mehr. Zunehmend hört man Französisch. Der Grund ist
Danakil, die sich nach
der in Äthiopien befindlichen Wüste, dem
heißesten Flecken Erde der Welt, benannt haben. Genauso sehen
es auch die Franzosen. Danakil ist für sie die wohl
heißeste und erfolgreichste Reggae Band Frankreichs. Auch in
Deutschland sorgt Danakil für Begeisterung und hat sich eine
große Fangemeinde aufgebaut. Beim Summerjam sind sie heute
schon zum dritten Mal. Frontmann Balik teilt sich heute die
Bühne mit Natty
Jean, einem Sänger der aus dem Senegal stammt.
Der Auftritt von Danakil ist wie immer ein Ereignis. Schön
anzusehen wie die französische Fangemeinde in Extase
verfällt. Richtig grandiose Stimmung hier. Mittendrin wirft
sich Trompeter Tom-Tom in die Massen zum Crowdsurfing. Viele
Hundert Hände tragen ihn von dannen, bis man ihn kaum noch
sieht. Wenn die den fallen lassen, wird´s schwer
zurückzukommen. Aber alles geht gut, und er ist schneller auf
den Händen zurückgetragen, als man annehmen
könnte.
Bild 1 - 10: Danakil - Red Stage Bild 4 + 5: Frontmann Balik Bild: 6 + 7: Natty Jean Bild 8 + 9: Trompeter Tom-Tom beim
Crowdsurfing
Nach dem Konzert kommt wieder Bewegung in die Massen. Eigentlich nicht
ganz verständlich. Wem Danakil gefällt, kann doch
nicht bei Alborosie gehen?
Als sich Danakil verabschiedet hat, knallt es im Gerüst des
Bühnenaufbaus. Eine der großen Summerjamplanen
beginnt sich zu lösen. Immer mehr Kabelbinder reißen
aus den Ösen wie in einer Kettenreaktion. Die herbeieilenden
Monteure können sie nicht mehr halten. Unglaublich, welche
Kraft diese Plane inne hat, obwohl sie eigentlich sehr dünn
und transparent ist. Schließlich bleibt nur noch eines, die
Plane komplett abzunehmen, bevor sie wegfliegt und Hunderte Fans
zudeckt. Die Plane auf der anderen Bühnenseite wird gleich mit
abgebaut, damit die Bühne wieder ein
gleichmäßiges Aussehen erhält.
Bild 1: Gleich geht´s weiter Bild 2: Die Plane an der Red Stage
löst sich
Bevor Alborosie seine
Show beginnt, bekommt Kadian Blair, alias Ikaya,
eine Sängerin aus Jamaika, die Möglichkeit
für einen Gastauftritt.
Bild 1 - 4: Ikaya im Vorprogramm von
Alborosie - Red Stage
Danach geht es richtig zur Sache. Die Stimmung vor der Bühne
steigt erheblich an. Alborosie, der eigentlich Italiener ist, aber auf
Jamaika lebt, zeigt der Reggae-Insel und der ganzen Welt wo es in
Sachen Reggae langgeht. Er ist momentan einer der besten
Künstler mit gleichbleibendem Erfolg auf seinem Gebiet, hat
ein eigenes Studio aufgebaut und spielt fast jedes Instrument
für seine Albumaufnahmen selber ein. Meine Kamera hat es sich
zum Glück auch wieder überlegt und möchte
noch einmal mitmischen. Schön von der.
Live
Video:
Alborosie - Showeröffnung
Alborosie ist heute besonders gut gelaunt und zu
Späßen aufgelegt. Mit seinen Dreads veranstaltet er
allerhand Spielchen. Da werden sie wie ein australisches Buschtelefon
im Kreis gewirbelt, als Gewehr benutzt oder mit ihnen beim Kameramann
vom Fernsehteam die Linse geputzt.
Bild 1 - 11: Alborosie - Red Stage Bild 6: Backgroundsinger Sandy Smith
und Kemar Williams Bild 11: Sandy Smith
Leider wird von den Fernsehaufnahmen
vermutlich nicht viel gezeigt werden, da sich der
größte Teil der Show ums Ganja dreht. So werden
sicher viele der besten Hits mit der Schere der deutschen Fernsehzensur
herausgeschnitten werden. Die Stimmung vor der Bühne ist auf
dem Höhepunkt. Auch Crowdsurfing ist wieder im Gange. Am
Bühnerand steht Beenie
Man der etwas unvorsichtig ist und längst
von den Massen entdeckt worden ist. Aber nicht so schlimm, von
Alborosie schafft er es nicht abzulenken. Der wiederum macht das Beste
was er tun kann – Beenie Man auf die Bühne
für eine Einlage zu bitten. Der Dancehall-King, dessen Titel
auch noch andere Artists beanspruchen, lässt sich nicht
lumpen. So sehen wir Beenie Man auch noch einmal auf der
Bühne. Wenigstens andere Hosen hätte er sich anziehen
können! Ausgerechnet Jogging Hosen, die man leider
öfter auf der Bühne präsentiert bekommt,
sehen nicht gerade toll aus.
Bild 1: Beenie Man bei Alborosie - Red
Stage
Bild 2:
Crowdsurfing vor der Red Stage bei Alborosie
Das Ende des Festivals rückt unaufhaltsam heran. Stephen Marley wird
heute die Abschlussshow präsentieren. Stephen ist der zweite
Sohn von Bob Marley und ist inzwischen selbst ein erfolgreicher
Künstler und Produzent geworden. Als durchschlagender Erfolg
erwies sich die Zusammenarbeit mit seinem Halbbruder Damian. Mit ihm
produzierte er im Jahr 2001 das Album „Halfway
Tree“ und 2005 das vielbeachtete „Welcome To
Jamrock“. Mit beiden Alben gewannen sie den Reggae-Grammy.
Darüber hinaus ist aber Stephen mit der Präsentation
der Hits seines Vaters, ein Highlight für jeden Bob Marley
Fan. Schwer zu sagen, wer es nun am besten rüber bringt.
Ziggy, Stephen, Julian, …? Vielleicht in dieser Reihenfolge.
Aussehen und Stimme spielen natürlich eine besondere Rolle bei
dieser Illusion.
Wir stehen äußerst ungünstig. Aus unserem
Blickwinkel steht Stephens Mikro genau hinter der mittig angeordneten
Fernsehkamera. Eine Katastrophe. Die Kamera ist so groß, dass
man so gut wie nichts von Stephen sehen kann. So lang ist mein Arm und
mein Hals nun auch wieder nicht, um ein ordentliches Video oder Fotos
machen zu können. Nach dem ersten Stück gebe ich auf.
Stephen bewegt sich nicht vom Mikro weg. So habe ich eben nur ein
kurioses Video mit Stephen Marley ohne Stephen. Aber die Musik ist
genial. Ausgerechnet die zwei Meter zu erwischen, wo man gar nichts
sieht, ist schon ärgerlich. Irgendwie hätte man die
Kamera auch anders positionieren oder vielleicht eine
kleinere nehmen können.
Live
Video:
Stephen Marley („ohne Stephen“) – Reggae
On Broadway
Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Als der Pressegraben wieder
geräumt wird, kommt auch Stephen in Bewegung und
verlässt immer wieder den festen Mikroplatz. Leider gilt aber
jetzt die Videogenehmigung nicht mehr. Zum Glück gibt es noch
das Fernsehen und die Hoffnung auf ein paar schöne Rockpalast
Aufnahmen. Für die auf dem Technikturm positionierten Kameras
gibt es aber auch ein Problem. Einige Fahnen der Fans verdecken genau
deren Aufnahmerichtung. Der Sicherheitsdienst bekommt ein Signal und
muss sich einen Weg durch die Massen bahnen, damit die großen
Fahnen eingeholt werden.
Bild 1 - 16: Stephen Marley - Red Stage Bild 11 + 12: Jo Mersa Marley, Sohn von
Stephen Marley
Stephen Marley ist ein würdiger Abschluss des Festivals, und
besonders die äußerst perfekt inszenierten Bob
Marley Klassiker, sorgen für einen regelrechten Rauschzustand
bei den Fans.
Einige haben die Augen geschlossen und scheinen sich auf einer
Zeitreise in die Vergangenheit zu befinden. Lautstark wird mitgesungen.
Auch der Kameramann kommt zum Einsatz, dem Stephen lachend das Mikro
vor die Nase hält. Als er schließlich die letzten
Worte des Abschlusstitels „One Love“ gesungen hat,
bricht auch schon das grandiose Abschlussfeuerwerk los. Party ist
angesagt. Bei jeder neuen Erleuchtung des Abendhimmels gibt´s
Jubel und Beifall. Immer wieder klasse das Feuerwerk!
Bild 1 - 3: Abschlussfeuerwerk - Red Stage
Einen Programmpunkt haben wir aber noch. Andrew Murphy ist wie jedes
Jahr gefordert, die Massen wieder runter zu bringen und lässt
sich seine Gitarre bringen. Jetzt gibt´s noch einmal den
„Redemption Song“ und in Verlängerung ein
Stück von „Happy Day“. Tausende singen im
Chor bei beiden Songs und klatschen zu Happy Day in die Hände.
Andrew ist gerührt und seine Augen beginnen zu glitzern. Immer
wieder ist er beim Abschied völlig ergriffen.
Bild
1 - 3:
Andrew Murphy - Red Stage
Live
Video:
Andrew Murphy – Redemption Song & Happy Day
Dann gibt es von Andrew noch ein paar T-Shirts. Der Wurf in die Massen
ist immer eine Lotterie. Aber selbst wer gefangen hat, ist noch nicht
der Gewinner. Oft halten viele Hände das Objekt der Begierde
fest, und der Kampf muss noch weiter ausgefochten werden. Dann holt er
seinen Gitarrenkoffer und steigt von der Bühnenkante, auf die
im Fotograben stehenden Boxen. Hören wir etwa noch eine Zugabe
von ihm? Aber er klettert weiter nach unten. Ein Mann vom
Sicherheitsdienst muss ihm den Koffer hinterher tragen. Jetzt
gibt’s für die Fans noch einmal Andrew hautnah, aber
„gerührt und geschüttelt“. Viele
Hände werden geschüttelt, Andrew abgedrückt,
Autogramme verteilt, Fotos gemacht und vieles mehr. Andrew hat
Tränen in den Augen. „Und warum soll ich
überhaupt noch die Gitarre hinterher tragen?“, fragt
der Mann vom Sicherheitsdienst schmunzelnd sich selbst und die immer
noch zahlreichen Fans in seiner Nähe.
Montag
– 09.07.2012
Wir schlafen heute länger als sonst. Die
„Kehrmaschinenwecker“ sind heute nicht so zeitig da
wie letztes Jahr. Irgendwie läuft alles etwas ruhiger und
entspannter ab. Auch auf dem Zeltplatz hört man keine nervigen
Lautsprecherwagen. Die Toiletten stehen auch noch alle da. Geregnet hat
es nicht mehr und alles ist schön trocken.
Wir haben schon alles abgebaut und eingepackt, drehen eine letzte kurze
Runde übers Campinggelände, fangen noch ein paar
Abschlussimpressionen ein, und begeben uns dann auf den Heimweg.
Bild 1 - 10: Campingbereich zwischen P2 und
Freibad - Aufräumen & Abreise
Hoffentlich sehen wir uns im nächsten Jahr wieder, und
verpasst bis dahin nicht die Mitschnitte vom Rockpalast! Die
„sehr günstig“ gelegene Sendezeit ist:
Montag, den 13. August 2012, 00:15 - 03:15 Uhr / WDR –
Rockpalast.