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Rat Race
RAT RACE - BOB MARLEY BIRTHDAY BASH
06.02.2015 - Weltecho Chemnitz

Bob Marley Birthday Bash
70 Jahre liegt es zurück, als der spätere King des Reggae das Licht der Welt erblickte. Inzwischen ist es schon wieder über 30 Jahre her, dass uns Bob Marley viel zu früh und auf äußerst tragische Weise verlassen hat. Unsterblich ist aber seine Musik geblieben und klingt heute noch, als hätte sie gerade frisch das Studio verlassen. Bob Marley war und ist immer noch Jamaikas größter musikalischer Exportschlager. Das Wirtschaftsmagazin Forbes ermittelte Bob Marley im Jahr 2014, mit zirka 20 Millionen US-Dollar Jahreseinkommen, auf Platz 5 unter den Top-Verdienern verstorbener Berühmtheiten. In Sachsens Chemnitz hat sich nun mit RAT RACE eine neue Band formiert, um das Erbe Bob Marleys weiter zu pflegen.
Die Idee zu RAT RACE wurde bereits im Jahre 2014 geboren. Der Bandname bezieht sich auf den gleichnamigen sozialkritischen Song aus dem Album "Rastaman Vibration" aus 1976, welches Bob Marley zum Weltstar machte. Es sollte eine reine BOB MARLEY - Tributeband entstehen. Eigene Songs werden nicht auf dem Programm stehen. Der Name Bob Marley ist Programm genug. Es soll nur den Songs aus dem Repertoire von Bob Marley & The Wailers Respekt gezollt werden. Päbstlicher als der Pabst will man dabei natürlich nicht sein und gar nicht erst versuchen ein identisches Abbild zu schaffen. Mit Freude am gemeinsamen und spontanen Musizieren, will man die Vorlagen von Bob Marley mit neuen Elementen vermengen und dabei einen eigenen Stil kreieren. Trotzdem ist eine große Portion Mut und Talent erforderlich, wenn man sich an Songs eines Künstlers heranwagt, der ein solch großes und bisher unerreichtes musikalisches Erbe, wie der legendäre Bob Marley hinterlassen hat. Mut kann man sich nehmen, Talent aber nicht. Aber auch damit hat Rat Race keine Probleme. Die Musiker haben bereits langjährige Erfahrungen in anderen musikalischen Projekten, die sogar soweit gehen, dass man vor der großen Premiere zum 70. Geburtstag des Altmeisters, nicht einmal eine Probe für nötig hielt. Man fand sich lediglich einen Tag vorher, in der Dresdener Groovestation, zu einer Vorpremiere mit einer Minimalbesetzung zusammen. 
In voller Besetzung tritt die Band wie folgt an:
DreadEye (vocals), Katrin Turinsky (background vocals), Josefine Möbius (background vocals), Agneta Hösel (background vocals), Marius Leicht (hammond organ), Johannes Hautop (guitar), Ludwig Hausmann (saxophone), Michael Sambale (trombone), Lukas Schürer (trumpet), Bodo Martin (bass), Toni Müller (drums), Nino Richter (percussion) und Frau B. (live sound).
12 Künstler und eine Technikerin, wenn das nicht reinhaut, was dann!?

Wir fahren am 06.02.2015 nach Chemnitz zur richtigen Bandpremiere und somit genau zum 70. Geburtstag des Großmeisters. Einen besseren Termin zur Premiere einer Bob Marley Tributeband, kann es wohl kaum geben.
Wir sind schon eher da und treffen die Band inmitten ihrer Aufbauarbeiten und zum Soundcheck an. Für mich hört sich das Geschehen wirklich alles noch sehr unerprobt und ausbaufähig an. Wie soll es auch anders sein, zu einer Premiere ohne richtige Probe? Bodo Martin, alias Mister Crazy Hair, in Eigenschaft des Managers und Bassist der Band, sortiert und verteilt gerade die Setlists. "Wir mussten einen großen Teil der Titel streichen. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, was gestern in Dresden los war. Durch unsere unerprobte Show und den Einbau vieler spontaner Soloeinlagen, waren wir schon bei zwei Stunden Spielzeit angelangt und hatten die Setlist erst zur Hälfte abgearbeitet." Er zeigt mir die Listen, die nun stark zusammengestrichen sind. Bodo schreibt mir noch schnell ´ne Kopie, die schließlich bei Track 18 endet. Es ist eine reine Bob Marley Setlist.
"Und ihr wollt wirklich auch in Zukunft ausschließlich Bob Marley Stücke und kein eigenes Material spielen? Wird denn das langfristig funktionieren?", will ich von Bodo wissen. "Ja klar. Absolut nichts anderes! Von einer Bob Marley Tributeband wird auch nichts anderes erwartet. Ich mache mir keine Sorgen, ob das funktioniert oder nicht. Aber ich denke schon. Mit meiner anderen Band "Bandana", spielen wir schon seit 2001 fast ausschließlich die Musik von Johnny Cash, und es funktioniert auch. Wir sind damit schon in Tschechien, der Schweiz, in Österreich, Frankreich und anderen Ländern, teilweise sogar in ausverkauften Häusern aufgetreten.", meint Bodo überzeugt von dem neuen Projekt.

Rat Race

Rat Race

Rat Race

Rat Race

Rat Race

Rat Race

Rat Race beim Soundcheck im Weltecho Chemnitz

Zum Soundcheck und heutigen Abend hat man aber immer noch nicht alle Musiker zusammenbringen können. Katrin, die dritte Backgroundsängerin, weilt gerade in Indien, und so müssen die "I-Threes" zwangsläufig als "I-Twos" auftreten. Dann hat sich auch noch Lukas kürzlich das rechte Handgelenk gebrochen, was zum Verlust des Trompeteneinsatzes führt. Aber die Bühne ist trotzdem schon mit den anwesenden Musikern überlastet. Keyboarder Marius und Drummer Toni müssen sich nahezu unsichtbar hinter den vor der Bühne stehenden Säulen platzieren, um überhaupt irgendwo Platz zu finden.

Schließlich ist alles vorbereitet und der Einlass in den kleinen Saal und Café des Weltechos kann beginnen. Mit Alt und Jung, vom Schüler bis zum Rentner, ist das Publikum heute bunt gemischt vertreten. Alle sind gekommen um Bob Marleys Geburtstag zu feiern. Wer da auf der Bühne spielt, war für die Entscheidung vielleicht erst einmal nebensächlich. Rat Race wird erst nach der Show in Chemnitz einen Namen haben. Der Dresdener Auftritt dürfte sich in 24 Stunden kaum herumgesprochen haben. Urteilt selbst am Ende dieses Berichtes.

Die Band beginnt mit "Precious World" und "Positive Vibration". Bei der zweiten Nummer beginnt DreadEye mit seinem Einsatz.

DreadEye DreadEye

Rat Race - Marius Rat Race - Nino

Rat Race - DreadEye Rat Race - DreadEye

DreadEye am Gesang, Marius am Keyboard und Nino an den Percussion



Live Video: Rat Race - 1/9 - Positive Vibration + Trenchtown Rock

Wer jetzt eine Bob Marley ähnliche Stimme oder Erscheinung erwartet hat, wird vielleicht erst einmal wenig Begeisterung zeigen. Aber darum geht es auch nicht, das ist sowieso nicht zu erreichen. Davon darf man sich nicht beeinflussen lassen. Einfach von diesem Gedanken verabschieden und Musik und Gesang unvoreingenommen aufnehmen.

Rat Race - DreadEye

Rat Race - DreadEye Rat Race - DreadEye

Rat Race - Josefine + Bodo

Agneta, Josefine + DreadEye (Gesang) und Bodo am Bass

Es folgt "Get Up Stand Up" und gleich danach mit "Rat Race" der Namensgeber der Band. In dieser Zeit hat die Band erheblich zugelegt, klingt deutlich besser und DreadEye performt, als hätte er bisher noch nichts anderes gemacht. Inzwischen hat sich sicherlich auch jederman an das Spektrum seiner Stimme gewöhnt, die er immer wieder in verschiedenen Tonlagen präsentiert.



Live Video: Rat Race - 2/9 - Rat Race

Das war doch wirklich gut, oder? Gehen wir deshalb gleich weiter zu "War", dem nächsten Stück auf der Setlist.



Live Video: Rat Race - 3/9 - War

DreadEye läuft mit seiner Interpretation von "War" wirklich zur Höchstform auf. Im Gesamtkonzept mit der Band, klingt dieses Stück bis hierher am besten.

Rat Race - DreadEye + Josefine Rat Race - Toni

Rat Race - DreadEye + Nino + Josefine + Bodo

Rat Race - DreadEye + Michael Rat Race - DreadEye + Nino

Toni an den Drums, Bodo am Bass, Michael an der Posaune und Nino an den Percussion

Als nächste Aktion des Abends erschießen wir erst einmal mit fettem Sound den Sheriff. ;-)



Live Video: Rat Race - 4/9 - I Shot The Sheriff

Nun steht "Exodus" auf dem Plan, auch für die Filmerei. Ich lege erst einmal ´ne Pause ein. Wir wollen ja für ein nächstes Mal auch noch etwas übrig lassen.

Rat Race - Agneta - DreadEye + Josefine

Rat Race - Josefine + Bodo Rat Race - Josefine

Rat Race - DreadEye + Josefine

Rat Race - Bodo Rat Race - Johannes

Bodo am Bass und Johannes an der Gitarre

Dann folgt "Iron Lion Zion". Die Band ist mit dem Ergebnis nicht ganz glücklich. Warum eigentlich? Alle jubeln und das ganz besonders bei Ludwigs Einsatz am Saxophone. Das können wir nun wirklich nicht weglassen. Einverstanden? Wer hier meckert, soll das erst einmal ohne Probe nachmachen. Sch... auf die paar Patzer, das passiert ganz anderen Leuten, die das Stück dann ganz sicher mit mehreren Pull-Ups abwürgen würden.



Live Video: Rat Race - 5/9 - Iron Lion Zion

War doch klasse oder?

Rat Race - Nino

Rat Race - Bodo Rat Race - Bodo

Rat Race - Marius

Weiter geht´s mit "Is This Love".



Live Video: Rat Race - 6/9 - Is This Love

Danach will DreadEye mit dem größten Missverständnis aller Zeiten aufräumen und erklärt warum "No Woman No Cry" natürlich nicht "Keine Frau kein Ärger heißt". Agneta beginnt mit ihrem Einsatz - das Publikum ist begeistert. Johannes mit seinem Solo an der Gitarre richtig gut, ach was, der ganze Sound der Band ist hier richtig perfekt.

Rat Race

Rat Race Rat Race

Rat Race



Live Video: Rat Race - 7/9 - No Woman No Cry

Nächstes Stück der Setlist ist "Slave Queen", bevor es mit "Steppin´ Out Of Babylon" und nur mit den Mädels, in die nächste Runde geht. DreadEye erholt sich derweil für den danach folgenden Höhepunkt und Bodo hat dazwischen ein Küsschen für ein erfrischendes Fiedler nötig.

Rat Race - Johannes Rat Race - Bodo



Live Video: Rat Race - 8/9 - Steppin´ Out Of Babylon

Dann gibt´s "Natural Mystic" auf die Ohren. DreadEye singt mit drei verschiedenen Stimmen. Insgesamt ist die Auslegung des Stückes ein kleines Meisterwerk und erweckt in mir den Eindruck als sei hier "Natural Mystic" nicht "in the air" sondern "on the wall". Hört´s euch an, und ich glaube, ihr werdet merken was ich meine.

Rat Race - DreadEye

Rat Race - DreadEye + Bodo

Rat Race - Marius

Rat Race - Josefine - DreadEye + Bodo



Live Video: Rat Race - 9/9 - Natural Mystic

Mannomann - Respekt! Wenn jetzt noch DreadEyes Stimme streckenweise etwas kräftiger werden könnte, was für die meisten Stücke gilt, wäre das noch ein deutlicher Qualitätssprung nach oben.
Vorerst letztes Stück der Show ist schließlich "One Love", bevor es zur obligatorischen Verbeugung der Band kommt und in die kurze Pause geht.

Rat Race

Rat Race

Rat Race

Rat Race - Bodo + DreadEye Rat Race - Weltecho

Warum tritt eigentlich Keyboarder Marius barfuß auf?

Rat Race und das Publikum sind sichtbar zufrieden mit der Premiere. Da wird natürlich noch ein Zugabenblock hinterher geschoben. Es geht wieder weiter mit "Them Belly Full".

Rat Race

Rat Race - DreadEye Rat Race - Toni

Rat Race - Johannes + Bodeo + Josefine

Rat Race - DreadEye Rat Race - Johannes

Rat Race - DreadEye + Bodo

Als vorletzter Titel des heutigen Abends steht "Lively Up Yourself" auf dem Programm.

Rat Race - Josefine + DreadEye + Bodeo

Rat Race - DreadEye + Bodo Rat Race - Bodo

Rat Race

Dann das unwiderruflich letzte Stück des Abends. Was könnte da besser passen als der "Redemption Song". DreadEye bekommt einen Hocker, mit dem er gar nicht gerechnet hat und schließlich von Bodo die Akustik Gitarre gereicht. Ohne die geht es natürlich nicht.

Rat Race - Bodo Rat Race - DreadEye

Rat Race - DreadEye

Rat Race - DreadEye Rat Race - DreadEye

DreadEye beim "Redemption Song"

Das war doch wirklich eine schöne Geburtstagsparty zu Ehren von Bob Marley´s 70. Geburtstag! Im Nachhinein stelle ich mir auch die Frage, wer eigentlich sonst noch, ein derartiges Event präsentiert hat? Nicht einmal bei den angesagten Reggae Clubs des Landes, noch anderenorts, konnte man zu Bob Marley´s Geburtstag fündig werden. Von daher wird es wirklich Zeit, dass es eine Band wie Rat Race gibt, die sich dem Thema angenommen hat.

Weltecho - Chemnitz

Weltecho - Chemnitz

Weltecho - Chemnitz

Die Party ist aber noch nicht aufgelöst. DreadEye hat inzwischen den Platz an seinem Soundsystem eingenommen und setzt die Unterhaltung mit feinstem Reggae aus der Konserve fort.

DreadEye DreadEye

DreadEye am Soundsystem

Zum Abschluss des Berichtes hier noch ein Interview mit dem Sänger der Band, denn wer bisher zu DreadEye etwas erfahren möchte, tappt bis zum Tage noch relativ im Dunklen. Das ändert sich jetzt gewaltig. DreadEye analysiert jede Frage von allen Seiten, holt zu umfangreichen Antworten aus, mit denen man gar nicht gerechnet hat, so dass einem fast der Kopf schwirrt. An dem Mann scheint ein Philosoph verloren gegangen zu sein.

Reggaestory.de: Hallo DreadEye wie bist du mit der heutigen Premiere der Band zufrieden?
DreadEye: Insgesamt können wir sehr zufrieden sein. Das war tatsächlich das erste Mal, dass wir in voller Besetzung gespielt haben und von daher gibt es natürlich noch ein paar Details, an denen wir arbeiten müssen. In erster Linie betrifft das für mich die Kommunikation durch die Musik. Wenn ich mit so vielen Akteuren zusammen auf einer Bühne stehe, versuche ich immer einen „Draht“ zu jedem Einzelnen zu bekommen und das dann in ein Gesamt(klang)bild zu fügen. So präsentieren sich dann nicht etwa zehn Musiker, die für sich auf der Bühne spielen, sondern EINE Band.
Gestern haben wir vergleichsweise nur mit der Rhythmus-Sektion in Dresden, beim Bob Marley Birthday Bashment, in der Groove Station gespielt. Dort stellte sich sehr schnell ein „Flow-Gefühl“ ein, bei dem wir uns teilweise mit kurzen Blicken, aber manchmal auch im wahrsten Sinne des Wortes blind und nur durch die Musik, das heißt durch die Handhabung unserer Instrumente, verständigt haben. Ähnlich wie heute haben wir uns aus reduziert gespielten Passagen zu einem Crescendo gespielt, bei dem ich beispielsweise Impulse vom Drummer (Toni) mit meinen Lyrics akzentuieren und an den Pianisten (Marius) oder den Gitarristen (Johannes) weitergeben konnte, woraus ein höchst komplexes musikalisches und kommunikatives Moment entstand. Das sind für mich die sogenannten „magischen Momente“ auf der Bühne oder beim Musizieren überhaupt. Ein perfekter Auftritt ist dann für mich, wenn sich diese Momente durch das ganze Set ziehen und dieser Funke sich auf die (nur scheinbar passiven) Zuhörer überträgt. Denn im Gegensatz zu beispielsweise einem Theaterstück, bei dem die „vierte Wand“ zum Publikum wesentlich schwerer zu durchbrechen ist, bietet sich in der Musik die Möglichkeit, durch diese „magischen Momente“ das Publikum einzubeziehen. Das ist dann für mich auch das Besondere an LIVE-Auftritten: Häufig wird immer davon gesprochen, die Band hat gut gespielt oder Ähnliches, aber das Publikum ist es, dass den entscheidenden Faktor zu einem Auftritt fügt. Eine gute Band vermag es, durch musikalische Offenheit eine kommunikative Offenheit zu schaffen, die es jedem erlaubt mit in diese Situationen „einzustimmen“. So kann das Publikum (im Gegensatz zu „Nicht-Brecht’schen“ Theaterstücken) entscheidend auf das Bühnengeschehen zugreifen und die musikalischen Impulse aufnehmen und in Form einer Stimmung auf die Musiker zurückwerfen. Daraus entsteht ein Kreislauf, bei dem Musiker und Zuhörer miteinander in Kontakt treten. Und genau das ist für mich ein wesentlicher Teil der Message, nicht nur durch Musik von Bob Marley & The Wailers, offen mit Menschen in Kontakt zu treten. Mit den Worten Jimmy Cliff’s: „Even if you can’t understand my language, music is a universal language.” Nach den Auftritten gestern und heute sind namentlich “fremde” Menschen spontan auf mich zugekommen, haben mich angesprochen oder schlicht und wortlos Blickkontakt aufgenommen, gelächelt oder mir ihre Hand gereicht. Das sagt mir, dass es diese besonderen „magischen Momente“ gegeben haben muss, und dies stimmt mich wie gesagt, sehr zufrieden.
Reggaestory.de: Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen eine Bob Marley Tributeband zu gründen und wie habt ihr euch zusammengefunden?
DreadEye: Ich glaube, wir sind nicht die ersten, die die Idee hatten, Bob Marley & The Wailers musikalisch Respekt zu zollen. ;-)
In diesem Fall war es aber Bodo „Mr. Family Man“ Martin, der Johannes und mich auf das Projekt angesprochen hat. Der Mann hat einfach ein besonderes Gespür und einen Blick für Menschen. Er sagte mir zum Beispiel einmal, dass er das Projekt nicht gemacht hätte, wenn er nicht ganz bestimmte, nämlich exakt diese Musiker dafür bekommen hätte.
Nachdem Johannes und ich einmal mit einem Solo-Projekt einen Warm-Up Slot für eine seiner damaligen Bands (Offbeat Foundation) gespielt hatten und er sah, wie wir zusammen auf der Bühne agierten, hat er mit der Rhythmus-Sektion das Herzstück dieser Band im wahrsten Sinne des Wortes „handverlesen“. Persönlich habe ich schon mit vielen Musikern zusammengearbeitet, häufig mit DJ’s und Soundsystems, aber auch vielen „klassischen“ Instrumentalisten oder Backing Bands. Normalerweise braucht es immer eine gewisse Zeit, sich aufeinander einzuspielen, aber, wenn ich auf gestern und heute schaue, war in dieser Gruppe sprichwörtlich von der ersten Note an, ein Verständnis für- und miteinander da.
Um die Frage des Zusammenfindens also pragmatisch zu beantworten: Über einen kurzen E-Mail-Wechsel. Aus sozial-kommunikativer Perspektiver gesprochen: Wir haben uns zusammengefunden, indem wir uns zusammengespielt haben. :-)
Reggaestory.de: Auf der heutigen Setlist standen 18 Titel und 16 davon waren Dein Part. Gestern war ja die Liste noch zirka doppelt so lang. Wie kann man eigentlich nahezu aus dem Stand heraus eine neue Band gründen und schon kurz danach die ganzen Texte von Bob Marley drauf haben?
DreadEye: Kleine Korrektur. Für heute waren ursprünglich „nur“ 25 Titel geplant. Für gestern hatte ich eine Setlist mit 13 Titeln vorgeschlagen und dachte, damit würden wir ca. 1 Stunde spielen. Letztendlich haben wir aber beinah 100 Minuten gespielt. Da wir mit dem Pianisten, dem Drummer, dem Gitarristen und dem Saxophonisten einige fantastische Solisten in der Band haben, die, denke ich, mitunter dazu beitragen können, dass wir nicht nur einfach Bob Marley & The Wailers kopieren, sondern auch eine „eigene Note“ hinzufügen können, gilt es, die richtige Balance zu finden, um jedem dieser Solisten einen gebührenden Platz zu geben. Entsprechend hab ich dann die Setlist für heute angepasst, so dass wir auf ca 2 Stunden Spielzeit kommen.
Aber zurück zu deiner Frage. Die Schnelligkeit im Bezug auf das Zusammenstellen der Band geht auf Bodo’s Konto, da er, soweit ich es überblicken kann, über ein Netzwerk ausgezeichneter Musiker verfügt und einfach weiß, wer mit wem spielen kann, so dass man möglichst schnell und effektiv zu Ergebnissen kommt. Unser musikalischer Leiter Johannes, hat dann in einer kurzen Probe mit mir die Tonarten festgelegt, so dass zum Beispiel die Bläser und Backgroundsängerinnen für sich zu Hause üben konnten. Der Pianist und der Drummer sind diplomierte Musiker, die in akribischer Kleinarbeit alle Songs für sich transkribiert haben. Ergo: Ganz so aus dem Stand geschah das Ganze nicht, da steckt schon eine durchdachte Vorbereitung der einzelnen Beteiligten dahinter.
Auf mich persönlich bezogen: Die GANZEN Texte von Marley habe ich natürlich nicht drauf. Das Gesamtwerk von Bob Marley & The Wailers (inkl. der frühen Solo-Stücke und der „Wailers“-Zeit mit Bunny und Peter) umfasst ungefähr ein Dutzend Alben. Dazu kommen noch unzählige Single-Auskopplungen oder lediglich live performte Titel. Daher ist es schwer eine genaue Zahl zu benennen. Mir fällt zum Beispiel immer wieder auf, wenn mal gerade wieder eine Compilation rauskommt, dass da Titel drauf sind von denen ich noch nie etwas gehört habe – dies nur am Rande erwähnt.
Aber ich habe selbstverständlich auch nicht erst zur Bandgründung die Texte Bob Marley gelernt. Ich beschäftige mich seit ungefähr 15 Jahren aktiv mit der Reggae und Dancehall Kultur, aber auch noch mit vielen anderen Musikstilen, Literaturen und Kulturen. Sieht man mal von Popstilen, mit den relativ repetitiven Melodien und Themen ab, so faszinieren mich vor allem Texte und Künstler, die eine tiefere Aussage verfolgen. Seien es programmatische Bands wie The Doors oder Songwriter a la Bob Dylan, aber eben auch, wenn wir ungefähr in dieser musikhistorischen Epoche bleiben, Texte von Bob Marley, Peter Tosh oder Linton Kwesi Johnson. Ohne überheblich klingen zu wollen, kann ich wohl sagen, dass ich ein ganz brauchbares Gedächtnis habe und mir viele Texte aus verschiedenen musikalischen Genres und Literaturen leicht einpräge.
Um deine Frage also kurz zu beantworten: Ich kannte vorher schon den ein oder anderen Text. ;-)
Reggaestory.de: Wer kommt für dich nach Bob Marley und welche Künstler hörst Du jetzt am liebsten?
DreadEye: Gegenfrage: Beziehst du „nach Bob Marley“ temporär? Beziehungsweise lautet also deine Frage: „Welchen Reggae und Dancehall Künstler betrachtest du als stilistischen oder intentionalen Nachfolger von Bob Marley?“
Worauf ich antworten würde, dass neben seinen Söhnen wie Ziggy Marley, Damian „Junior Gong“, Ky-Mani oder auch Stephen diese natürlich genealogisch als direkte Nachfolger zu betrachten sind. Allerdings ist im Mythos „Bob Marley“ natürlich mittlerweile weit mehr als nur ein Stil oder eine Haltung enthalten. Es ist auch eine Marke, ein Label, welches seinerzeit auf Künstler wie Dennis Brown genauso übertragen wurde, wie es heute Artists wie Chronixx angedichtet wird. Meiner Meinung nach nimmt das diesen Künstlern etwas von ihrem eigenen Stil und überhaupt ist es schwer ein Phänomen wie es mitunter durch Bob Marley entstanden ist, zu kopieren. Auch im Kontext dieser Tribute Band kommt es mir weniger darauf an, Bob Marley zu imitieren. Viele seiner Texte haben mich zum Nachdenken angeregt und zu eigenen Aussagen gebracht, die ich dann auch im Live-Kontext, wenn es passt, mit einfließen lasse. So habe ich zum Beispiel die Lyrics von „War“, die ja auf einer Rede Haile Selassie’s beruhen und eine weitestgehend ethnische Argumentation aufweisen, durch eine von mir geschriebene Strophe mit Bezug auf aktuelle neokolonialistische und wirtschaftsimperialistische Phänomene ergänzt. Summa Summarum gibt es also viele Künstler und Aspekte in deren Werken, die sich auf den Einfluss Marley’s zurückführen lassen, aber doch als eigenständig zu betrachten sind.
Wenn du mit deiner Frage allerdings meinst, welchen Künstler ich im ästhetischen Sinne „nach“ Bob Marley persönlich interessant finde, beziehungsweise welche Künstler ich noch höre oder lese, dann wären einige zu nennen. Wobei ich dazu eingangs anmerken muss, dass diese nicht „vor“ oder „nach“ Bob Marley kommen, sondern dass ich, je nach meiner persönlichen Stimmung, Lust auf den einen oder anderen habe.
Bevor ich aber jetzt eine ewig lange Liste anführe, beschränke ich mich chronologisch und stilistisch auf einen Überblick. Das würde im Klassik-Bereich von Leopold Mozart’s „Schlittenfahrt“ bis zu Karl Orff’s Carmina Burana, im Blues von John Lee Hooker bis Richie Havens, im Rock von The Doors über das Spätwerk von Queen bis zu Muse, im Reggae (neben den bereits erwähnten) von Burning Spear bis Buju Banton, im Dancehall von Beenie Man bis Busy Signal oder im Jungle von General Levy bis 6Blocc gehen. Die Liste der neueren Musikstile wie DubStep, Grime oder Moombahton sind teilweise so vielfältig, dass man kaum einen Überblick bewahren kann und seien an dieser Stelle ohne exemplarischen Protagonisten erwähnt.
Reggaestory.de: Doch nun ein wenig zu deiner Biografie. Eigentlich findet man ja noch gar nichts über dich im Web? Ich habe dich lediglich schon einmal als Toaster bei Selector Barrio Katz, beim 2013er Dubmatix Auftritt in Dresden gesehen. Und heute hast du gesagt, dass du in Dresden studierst, um später Englischlehrer zu werden. Dann bin ich aber schon am Ende mit meinem Latein. Erzähle doch einmal ein bisschen über dich. Fangen wir doch mit deinem richtigen Namen und deinem Alter oder Geburtstag an.

Dubmatix, Barrio Katz & Dreadeye

Mit Dubmatix und Selector Barrio Katz am 05.11.2013 in der Chemiefabrik Dresden

DreadEye: Mit Vornamen heiße ich Lucas, wobei die meisten meiner Bekannten und Freunde mich Luc nennen. Mit meinem Nachnamen hingegen sprechen mich dann eher meine (Nachhilfe-)Schüler an. Im Hinblick auf zukünftige Arbeitgeber, sprich Schuldirektoren und implizit Kultusministerien (die mittlerweile auch gerne mal den Kandidaten für einen Posten „googeln“), halte ich so die bürgerliche Identität und das künstlerische Alter Ego auseinander. Denn leider gibt es heutzutage noch zu viele, wenn natürlich auch zum Teil berechtigte Vorurteile gegenüber Musikern, aber im Besonderen gegenüber Reggae-Musik. Im besten Fall wird Reggae vom Laienpublikum ja mit „Bop Mahlii“ und langen Haaren assoziiert. Häufiger aber leider mit nicht-spezifiziertem Drogenkonsum und der in den letzten Jahren immer wieder aufflammenden Homophobie-Debatte.
Als Lehrer habe ich eine hohe Verantwortung für und einen gewissen Einfluss auf die mir anvertrauten Schüler und auch wenn ich natürlich auch meine Persönlichkeit im Unterricht zeige und als Mensch auf die Schüler zugehe, so muss ich doch auch eine gesellschaftliche Institution repräsentieren und die Schüler zu einem offenen, kompetenten und auch eigenständigen Umgang mit dieser befähigen.
Beispiel: Wenn ich als „rappender“ oder „toastender“ Lehrer vor die Schüler trete, finden einige von diesen das bestimmt „cool“, aber ich würde damit meine eigene Person und indirekt meine Wertvorstellungen und Weltanschauungen zur Norm erheben. Wie stark uns Lehrer beeinflussen können, weiß denke ich jeder, der sich an den fiesen Mathelehrer oder Geschichtslehrer in der 9. Klasse erinnert.
Lehrer sollten meiner Meinung nach als Orientierungs- und Reflexionshilfen der heranwachsenden Generation im Umgang mit der Gesellschaft dienen und nicht blinden Normgehorsam in die Schüler prügeln. Normen verändern sich ständig und es bedarf eines gestärkten und reflektierten Selbstbewusstseins, um mit diesen Veränderungen umzugehen. Wenn ich aber nun „I shot the sheriff, but I didn’t shoot the deputy“ zur Norm erhebe, hören manche Achtklässler nach „I shot the sheriff“ auf zu zuhören.
Ohne jetzt in eine Analyse dieses Songs zu verfallen, sei gesagt, dass meiner Meinung nach nicht das Töten oder Anfeinden von Autorität im Mittelpunkt des Songs steht, sondern die Beschreibung des Missbrauchs von Macht und die Grenze dessen, was ein Individuum an Unterdrückung vertragen kann, bevor es zu radikalen Mitteln greift. Um diesen Kontext aber einem heranwachsenden Menschen zu vermitteln, muss ich ihn zunächst im Bezug auf die Diskurse „Ghetto-Life“, „Rassendiskriminierung“, „Gewaltenteilung“ etc. unterrichten und dann muss ich neben diesem Faktenwissen auch noch die Fähigkeiten vermitteln, die eine objektive Analyse und Beurteilung der Situation bewirken können. Das wären Anforderungen, die ich höchstens in einem gymnasialen Leistungskurs stellen könnte, aber nicht auf den Schulalltag applizieren kann.
Ein anderes vielleicht besseres Beispiel: Gesetzt den Fall, dass ich meine Identität auf Reggae-Musik, und damit diese Kultur und/oder speziell die Rasta-Ideologie reduzieren würde, könnte ich dann noch die Aussage von Lessing’s „Ringparabel“ vermitteln?
Soviel zunächst einmal zum Latein. ;-)
Es gibt tatsächlich recht wenig von mir, also von DreadEye im Netz, vorrangig deshalb, weil ich sehr kritisch mit meinen Produktionen bin und lieber einen Song nicht hochlade, als etwas Halbfertiges in die Welt zu schicken.
Es gibt ein paar Momentaufnahmen mit Volkanikman auf YouTube, die meisten davon von seinen „iNaDeM“ bzw. „Action No Words“ Veranstaltungen. Ansonsten nur kurze Snippets von Soundchecks oder Videos, bei denen jemand zufällig aus dem Publikum gerade einen Kameraschwenk Richtung Bühne macht. Den obligatorischen Soundcloud-Account gibt’s natürlich auch, aber da ist auch nur eine Handvoll Tunes drauf.

Was meine Live-Aktivitäten betrifft, sieht das allerdings etwas anders aus. Hier mal ganz grob eine Auswahl von Projekten der letzten Jahre:

>>> MC bei Kunst:Stoff Breakz (Dresdner Sound Crew, Schwerpunkte: Wonky, Breakz, House, Status: aufgelöst – allerdings stehe ich gelegentlich als MC nach wie vor an der Seite eines meiner besten Freunde und Mitstreiter bei Kunst:Stoff, der mittlerweile in Berlin wohnt und hauptsächlich House spielt)

DreadEye 2004 DreadEye 2010

Links: DreadEye in 2004 beim Kunst:Stoff Breakz
Rechts: DreadEye in 2010

>>> MC und Mit-Organisator bei Whitebread Hi-Fi (dienstältestes Soundsystem der „neuen“ Bundesländer (seit 1995), based in Dresden, Schwerpunkte: Reggae/Dancehall/Soca/Dub/Ska etc., Status: aktiv, - Hier bin ich „Junior Member“, also erst dabei, seit ich in Dresden wohne. - Mit Ken Saro betreibe ich zusammen den „Thursday Thunder“ weiter (monatliche Veranstaltung)
>>> MC und Frontman bei „jamkabOOm“ (Live-Band, Schwerpunkte: Drum´n´Bass, Dubstep, Status: aufgelöst - Hier habe ich Johannes kennen gelernt. ;-)
>>> Gelegentlich MC bei Pepe Le Moko bzw. MC für DJ Barrio Katz (DJ-Team, Schwerpunkt: MashUp, Status: aktiv (monatliche Veranstaltung in Dresden namens „Fat Kat“)

DreadEye + Barrio Katz - 2013

Barrio Katz + DreadEye in 2013

>>> MC, DJ und Mit-Organisator bei der „Global Bangerz – Rum & Bass Posse“ (DJ Team, Schwerpunkte: Moombahton, Bassline House, Trap/DeepStep, Status: aktiv – monatliche Veranstaltung in Dresden)
>>> Organisator, Techniker, Catering-Service ;-) und MC bei „Outta Many One Sound“ (alljährliche Veranstaltung zur BRN in Dresden mit ALLEN lokalen Sounds und Freunden, Schwerpunkt: Reggae/Dancehall, Status: aktiv)

Neben diesen Projekten gab es über die Jahre immer wieder verschiedene Zusammenarbeiten mit Producern, Live-Bands oder anderen DJ’s, vorrangig aus Dresden, Berlin, Leipzig und Münster, aber auch einige „internationale“ Features wie zum Beispiel mit Blend Mishkin oder The Dirty Dubsters.
Natürlich variiert mein Input je nach gespieltem Sound oder Anlass: mal bin ich tatsächlich nur ein reiner Host, häufiger aber erweitere ich das MC-Dasein um Live Lyrics. Zum Beispiel zusammen mit Barrio Katz (da kann es schon mal passieren, dass Ray Charles „I got a woman“ auf einem Drum and Bass Track oder „Wonderwall“ von Oasis auf einem Soca Riddim landet. Bei der Rum & Bass Posse gibt’s dann Nirvana-Texte auf House Music oder was mir grad einfällt. :-)
Es gab natürlich auch diverse Auftritte mit Solo-Projekten, bei denen ich Sets aus meinen eigenen Lyrics präsentiere. Meistens mische ich die aber auch in den „normalen“ Auftritten mit ein, je nachdem, wo und wann es sich anbietet.
Reggaestory.de: Und was war eigentlich dein Schlüsselerlebnis, um sich mit Reggae näher zu befassen?
DreadEye: Ich habe mich wie bereits erwähnt, sehr früh schon für Musik interessiert. Ich habe beispielsweise meinen CD-Player gekauft als ich 6 oder 7 war und ich glaube zu meinem achten Geburtstag einen Walkman von meinem besten Freund geschenkt bekommen. Dieser Walkman hat mich von da an, beinah überall hin begleitet und ich habe mir CD’s aus der Bibliothek ausgeliehen und diese dann auf Tape überspielt, um sie mir unterwegs anzuhören.
Als ich so 11 oder 12 Jahre alt war und meine Mutter mit meinem Bruder und mir in den Urlaub gefahren ist, geschah das, was den meisten der Walkman-Generation schon mal passiert ist: Mein Rock-Tape (mit Songs von Queen, The Police, Jimi Hendrix u.a.) hatte einen „Bandsalat“ und war nicht mehr zu retten. Ich stand also für 3 Wochen irgendwo auf einem Campingplatz im Süden Portugals ohne Musik da. Ich wusste aber, dass meine Mutter im Handschuhfach des Auto’s immer einen (im wahrsten Sinne des Wortes) Haufen verschiedener Tapes rumfliegen hatte. Ich hatte mich da auch früher schon bedient und zum Beispiel ein Tape mit Blues und Soul Arists der 1950er und 1960er gefunden, auf dem von Ben E. King über Ray Charles bis Aretha Franklin alles vertreten war.
So wühlte ich auch bei dieser Gelegenheit im Handschuhfach und stieß auf ein Tape ohne Beschriftung, legte es ein und hörte eine rauchig tiefe Stimme folgendes singen: „Strange this feeling I’m feeling, but Jah love we will always believe in. Though you may think my faith is in vain … ‘til Shiloh we chant Rastafari’s name!” (Buju Banton, Intro zum Album “Til Shiloh”, 1994)
Mein Englisch war noch nicht so gut, dass ich jedes einzelne Wort verstand, aber diese Stimme und die Emotion ließen mich aufhorchen und gleichzeitig erstarren. Nach einer kurzen Stille hörte ich einen Rhythmus, der mich entfernt an Blues erinnerte, aber irgendwie „belebender“ war und eine andere Stimme sang: „One good thing about music: when it hits you, you feel no pain … so hit me with music!” (Bob Marley, “Trenchtown Rock”, 1971)
Soviel Englisch konnte ich wiederum schon verstehen und von da an war es um mich geschehen. Die nächste Zeit hörte ich das Tape rauf und runter, bis ich es einem Freund auslieh, der es leider verloren hat. Ich machte mich darauf auf die Suche „nach den Stimmen“ und da ich von meiner Mutter einen Anhaltspunkt hatte, dass diese Musik wohl „Rägä“ hieß, fragte ich mich als Jugendlicher durch die Plattenläden, stieß auf Buju Banton, Peter Tosh, Bob Marley, Linton Kwesi Johnson, Burning Spear, Jacob Miller, Gregory Issacs, Dennis Brown, Garnet Silk und viele mehr.
Im Laufe der Jahre lernte ich natürlich den Unterschied zwischen Reggae und Dancehall kennen, besuchte meine ersten Dances und während die meisten meiner Freunde Cypress Hill, Tupac oder Wu-Tang hörten, war ich dem „one drop“ verhaftet.
Im Jahr 2002 fuhr ich schließlich zum Summerjam, um mir Gentleman’s „Journey to Jah“ in Live zu geben, und als wir auf den Abend warteten und ich vorschlug zu Anthony B zu gehen, überredete mich ein Bekannter, dass „Tuuts“ viel besser sei. Nur widerwillig ging ich mit, aber mit den ersten Takten der Konzerteröffnung erkannte ich eines meiner Lieblingslieder „des Tapes“ wieder („Pressure Drop“) und hatte die letzte Stimme mit der von Toots Hibbert gefunden.
Es gab natürlich noch viele weitere Momente, die mich im Bezug auf Reggae geprägt haben, aber dieses Tape und die „Suche nach den Stimmen“ waren mein „Introductory Course“.
Reggaestory.de: Wie kam es zum Spitznamen DreadEye und welche Schreibweise ist die richtige?
DreadEye: Als ich (wahrscheinlich an einem chilligen After-Show-Sonntag) mal wieder eine Platte von Linton Kwesi Johnson hörte, kam in einem Lied („Route 66“) die Zeile „feelin Irie, dread I“ vor. Das ging mir nicht aus dem Kopf. Ich drehte und wendete die Formulierung in meinem Kopf und interpretierte sie auf verschiedene Weisen, so dass ein „sprechender Name“ entstand:

a) Dread = dreadlocks I = ich Interpretation: ich trage Dreadlocks als signifikante Praxis
b) Dread = dreadlocks = pars pro toto Repräsentation einer Kulturauffassung und einer Weltanschauung
I = ich
Interpretation: Ich teile bestimmte Aspekte einer Lebens-Philosophie
c) Dread = dreadlocks = pars pro toto Repräsentation einer Kulturauffassung und einer Weltanschauung
I / EYE = Wahrnehmung / Identität
Interpretation: Durch die Gleichlautung von „I“ und „Eye“, ist es meine Wahrnehmung, das was ich „sehe“, was meine Identität bestimmt
d) Dread (das Verb im Imperativ) = bewahre dich vor, hüte dich vor
I = Ich
Eye = Wahrnehmung
Interpretation: Hüte dich davor, wenn ich meine Meinung sage

Der letzte Aspekt ist besonders signifikant, da ich „Reggae“ und die Aussagen der diversen Artists als ungeschönte, wahrhafte und ehrliche Beschreibung einer bestimmten Lebens-Realität erfahren habe. Besonders im Hinblick auf Themen wie „Kritik an rassistischen Ideologien“, „kapitalistische Ausbeutung“ u.A. finde ich es wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten.
Mir ist natürlich im Laufe der Jahre die Diskrepanz aufgefallen, die zwischen mir, der in einer europäischen, konkret der deutschen Gesellschaft aufgewachsen ist, besteht, und einem Menschen, der in einer jamaikanischen „Garrsion“, einem südamerikanischen „Barrio“ oder einem südafrikanischem „Township“ aufgewachsen ist.
Daran schließt sich die Frage, inwieweit ich vor diesem Hintergrund eine Position bzw. eine Haltung vertreten kann, die einer völlig anderen sozialen und ökonomischen Lebensumwelt entspringt, wenn ich einen Anspruch auf „Truthfullness“ (=Ehrlichkeit/Wahrhaftigkeit) erhebe.
Ehrlichkeit/Wahrhaftigkeit sind für mich besonders wichtige Eigenschaften, nicht nur im Bezug auf meine Selbstwahrnehmung, sondern auch im Umgang mit anderen Menschen. Ergo: Kann ich die Aussagen/Haltungen von beispielsweise jamaikanischen Reggae-Artists nicht einfach kopieren, sondern muss mich kritisch mit diesen auseinander setzen, um zu einer eigenen Aussage zu kommen.
So müsste ich, aus heutiger Perspektive gesprochen, bestimmte Aspekte, die sich mit einem Namen wie „DreadEye“ assoziieren lassen, durchaus revidieren bzw. neu definieren. Da ich aber nach wie vor zu gewissen Grundaussagen stehe und diese auch weiterhin repräsentieren will, bleibe ich dabei.
Pragmatisch betrachtet gibt es natürlich noch den praktischen Grund, dass ich seit Jahren diesen Künstlernamen benutze und mich somit viele unter eben diesem kennen.
Letztlich ist ein Name oder eine Schreibweise (natürlich mit Rücksicht auf bestimmte Kontexte) aber für mich weniger wichtig, als der Charakter der Person, die dahinter steht.
Regaestory.de: Auf deinem Hemd sehe ich einen Aufnäher vom Mecklenburger Fusion Festival, dessen Logo in kyrillischer Schrift dargestellt wird. Das kann heutzutage gar nicht mehr jeder hierzulande lesen. Welche Beziehung hast du zu dem Festival?
DreadEye: Zunächst finde ich es mutig und einen besonderen Ausdruck von Interkulturalität einen anglo-amerikanischen Begriff in kyrillischer Schrift wiederzugeben. Soviel zu sogenannten „Sprachbarrieren“ als Grenzen von Kultur.
Und natürlich hast du Recht zu sagen, dass das die meisten nicht lesen können – ich kann zum Beispiel diese Schrift auch nicht lesen – aber wie du selber sagtest: es ist ein Logo, ein Symbol und dies wird von vielen Leuten erkannt, auch wenn sie die Sprache nicht sprechen.
Ich habe dreimal auf dem Festival gespielt, unter anderem mit Pepe Le Moko, aber auch als Solo-Artist. Auch wenn sich natürlich dieses Festival unter dem enormen Besucheransturm der letzten Jahre und auch aus anderen Gründen verändern musste, so finde ich die Grundkonzeption im Vergleich zu anderen Festivals doch wesentlich ansprechender.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Anstatt einem LineUp (bzw. Headlinern) und einer Timetable hinterher zu rennen und ansonsten mit Scheuklappen über ein Festivalgelände zu laufen, kann man auf dem Fusion-Festival gar nicht alles sehen und hören. Nachdem ich beim ersten Besuch am ersten Tag bestimmt viermal das Gelände umrundet hatte, meine Socken und Füße durchgelaufen waren, habe ich mich entschlossen, mich treiben zu lassen. Anstatt zu bestimmten Uhrzeiten zu bestimmten Acts zu gehen, habe ich mich spontan von dem, was um mich herum geschah, ansprechen lassen. Dadurch habe ich Musiker und Poetry Slammer gehört oder Schauspiele und Tanzperformances gesehen, auf die ich sonst wahrscheinlich nicht geachtet hätte. So findet man sich plötzlich Samstag nachts zur Prime Time, während das Festival um einen herum tobt, mit einem älteren Herren wieder, der aus seinem Wohnwagen heraus einen exzellenten Chai-Tee anbietet und selbst-produzierten Goa-Trance im Hintergrund laufen lässt und sich über das „special ingredient“ für seinen Chai und andere „secret recipes“ und Kochtipps unterhält, die er von seinen Reisen mitgebracht hat.
Neben dieser Offenheit ist das Festival auch ein erstaunlich friedliches. Durch das vielfältige künstlerische Angebot kommen die verschiedensten Leute dorthin, die sonst wahrscheinlich wenig aus ihren Szenen hinauskommen. So sieht man beim Frühstücksstand einen Punker in halb-zerfetzten Klamotten neben einem durchgestylten und mit Glitzer-Konfetti überzogenen jungen Mann sitzen.
Das faszinierendste für mich also ist, das Neben- und Miteinander verschiedenster Menschen und Kulturen. Natürlich läuft das Festival nur für ein paar Tage und danach trennt man sich wieder, aber für eine kurze Zeit lebt man dort eine Multikulturalität und Offenheit für seine Mitmenschen, die man auf anderen Festivals oder gar im Alltag nur selten in dieser Form vorfindet.
Reggaestory.de: Was machst du neben Studium und Musik? Gibt es da noch Hobbys?
DreadEye: Ich nehme mir viel Zeit, den Kontakt zu Freunden und Familie zu halten.
Reggaestory.de: Was sind Deine Ziele und Wünsche für die Zukunft?
DreadEye: Aktuell mache ich gerade die Prüfungen zum 1. Staatsexamen, dass ich gut abschließen will. Danach werde ich mich voraussichtlich irgendwo zwischen Lehrer- und Musikerdasein einpendeln.
Reggaestory.de: So umfangreich und tiefgründig deine Antworten bisher ausgelegt waren, sollte es mich nicht wundern, wenn du irgendwann noch ein Stückchen weiter studierst. Gehen wir deshalb zur Auflockerung mit ein paar kurzen Fragen in etwas leichtere Gefilde über.
Was ärgert dich am meisten?
DreadEye: Ignoranz.
Reggaestory.de: Mit was kann man dir eine Freude bereiten?
DreadEye: Mit Perfektem Sound.
Reggaestory.de: Schwimmen oder Laufen?
DreadEye: Sonntagsspaziergang durch den Wald.
Reggaestory.de: Lesen oder Fernsehen?
DreadEye: Lesen.
Reggaestory.de: Was war deine erste Platte oder CD?
DreadEye: Das erste Tape: W.A. Mozart’s „Eine kleine Nachtmusik“. Die erste CD: The Police „Live“. Die erste Platte: Queen “Queen I”.
Reggaestory.de: Bist du lieber ein Stadt- oder Landmensch?
DreadEye: Grenzgänger, aber zur Zeit lebe ich mitten in der Stadt.
Reggaestory.de: Bier, Wein oder alkoholfrei?
DreadEye: Zu einem Dance gerne mal ´n Rum&Coke, Sonntag abends Single Malt Scotch, ansonsten Tee.
Reggaestory.de: Dein Lieblingsessen?
DreadEye: Lecker, warm und reichlich.
Reggaestory.de: Was gibt´s zu Weihnachten?
DreadEye: Die ganze Familie um einen Tisch.
Reggaestory.de: Vollmilch- oder Bitterschokolade?
DreadEye: Beides.
Reggaestory.de: Fährst du Auto?
DreadEye: Ich kann Auto fahren, habe aber keines und benutze, wenn möglich auch lieber die öffentlichen Transportmittel.
Reggaestory.de: Raucher oder Nichtraucher?
DreadEye: Smoker.
Reggaestory.de: Hund oder Katze?
DreadEye: Katze.
Reggaestory.de: Sommer oder Winter?
DreadEye: Zu dem Thema hab ich mal ne Kurzgeschichte geschrieben. Die spar ich dir aber jetzt. ;-) Nur soviel: Sommer und Winter, Tag und Nacht oder Ying und Yang, das eine bestimmt das andere und ist somit Teil dessen. Wie könnte ich den Sonnenschein als solchen kennen und schätzen wissen, wenn ich die Nacht nie erfahren hätte?
Reggaestory.de: Letzte Frage. Möchtest du noch selbst etwas an die Frau oder den Mann bringen?
DreadEye: Beachte deine Freiheit dort als begrenzt, wo die Freiheit deines Mitmenschen beginnt. (frei nach J.P. Satre)
Reggaestory.de: Ich danke dir für Deine Zeit und das äußerst ausführliche Interview. Ich wünsche dir viel Erfolg für die Zukunft!
DreadEye: Und ich danke dir, für deine Mühe und Unterstützung!

Copyright: www.reggaestory.de
Text + Fotos + Videokamera: Peter Joachim
Fotos ohne Kennzeichnung: Mit freundlicher Genehmigung von DreadEye

Mein besonderer Dank geht an Bodo Martin alias Mr. Crazy Hair, Luc alias DreadEye und alle anderen Künstler des Abends.

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Weltecho Chemnitz