„HKW ROYAL“ nennt sich eine
Veranstaltungsserie im Berliner Haus der Kulturen der Welt (kurz HKW) in
der die schillerndsten Stars der globalen Musikszene
präsentiert werden. Mit dem Projekt „Jamaican
Legends“ gaben sich am 29.06.2012 Ernest Ranglin, Tyrone
Downie, sowie Sly & Robbie, vier legendäre
jamaikanische Musiker im HKW die Ehre.
Tyrone Downie ist für Monty
Alexander eingesprungen, der wegen Krankheit
verhindert war. 254 Jahre und fast eben so viel jamaikanische
Musikgeschichte bringen die vier auf die Bühne.
Wer sie in dieser Zusammenstellung noch erleben
möchte muss sich sputen, denn bei der Vielzahl der
musikalischen Projekte der Vier ist ungewiss, ob sie sich so bald
wieder gemeinsam präsentieren werden oder können.
Und jünger werden sie ja leider auch nicht mehr. Ob Tyrone
Downie bei den späteren Terminen wieder gegen Monty Alexander
ausgetauscht wird, ist ebenfalls noch ungewiss.
Hier der gegenwärtige Tourplan einschließlich der
zurückliegenden Stationen:
28.06.2012 – France – Blainville Crevon / Archeo
Jazz 29.06.2012
– Germany – Berlin / House of World Cultures (HKW)
30.06.2012 – Portugal – Loulé / Festival
Med
02.07.2012 – Slovenia – Maribor / Lent Festival
04.07.2012 – Turkey – Istanbul / Jazzfest
06.07.2012 – Slovakia – Trencin / Pohoda
07.07.2012 – Eire – Dublin / Button Factory
13.07.2012 – Belgium – Gent / Jazz
19.07.2012 – Finland – Pori / Jazz Festival
25.07.2012 – France – Bagnols sur Ceze / Garance
Reggae Fest
29.07.2012 – UK – London / Jamaica 50 @ O2
01.08.2012 – UK – Bristol / Colston Hall
03.08.2012 – Portugal – Zambujeira / Sudoeste
05.08.2012 – Switzerland - St Moritz / Festival da Jazz
08.08.2012 – France – Sete / Fiest á
Sète
10.08.2012 – France – Vence / Nuits du Sud 11.08.2012
– Germany – Jena / Kulturarena 12.08.2012
– Germany – Hamburg / Fabrik
13.08.2012 – Sweden – Stockholm / Summer Festival @
Mossebacke Terrasse
16.08.2012 – Spain – Benicassim / Rototom Sunsplash
Es bestehen also noch ein paar Chancen, eines der kommenden Konzerte
selbst hierzulande zu besuchen.
Ernest
Ranglin wurde bereits am 19.06.1932 geboren und ist
damit der Alterspräsident der vier Musiker. Schon im
Kindesalter zog es ihn zur Musik, und er begann leidenschaftlich auf
der Ukulele zu
spielen. Erste Auftritte, die er
oft zusammen mit Monty Alexander durchführte, folgten bereits
in seiner Jugendzeit. Mit 15 trat er
in die Val Bennett Band ein. Später folgten die Eric Deans
Band and Count Boysie. In den frühen 50er Jahren war Monty
Alexander zu einem geübten Jazz-Gitarrist herangereift und
tourte bereits im Ausland. Aber nicht nur Jazz war seine Bestimmung.
Aus den 50er Jahren gibt es auch eine Vielzahl von raren Mento
Aufnahmen mit ihm, die 2010 glücklicher Weise neu aufgelegt
worden sind. Ernest Ranglin begann in der Folge mit Produzenten wie
Chris Blackwell und Coxsone Dodd zusammenzuarbeiten und spielte mit
fast allen namhaften Musikern der Insel in jener Zeit. Ernest
übte großen Einfluss auf die Entwicklung des
Ska´s aus. Ska-Musiker wie zum Beispiel Prince Buster, Byron
Lee und Roland Alphonso schätzten die Zusammenarbeit mit ihm.
1962 spielte er den Soundtrack für den in Jamaika gedrehten
Bond Film „Dr. No“. 1964 erlangte er mit seiner
Produktion „My Boy Lollipop“, für die
Sängerin Millie Small, internationalen Erfolg. Ja und der Rest
ist Geschichte. Auch wenn sich Ernest Ranglin später vermehrt
dem Jazz zuwendet, ist er auf einer Vielzahl von Ska-, Rocksteady- und
Reggae-Alben zu hören.
Bild 1: Boss Reggae – 1969 Bild 2: Below The Bassline –
1996 Bild 3: Sounds & Power
– 1997 Bild 4: Rocksteady – 2004 Bild 5: Surfin – 2005 Bild 6: Alex Town – 2008 Bild 7: Order Of Distinction
– 2009 Bild 8: Ranglin
& Friends
– 2009 (Empfehlung für den Reggae-Fan!)
Lowell „Sly“ Dunbar (10.05.1952) und Robert
„Robbie“ Shakespeare (27.09.1953), a. k. a. Sly &
Robbie wurden schon zu den glorreichen und Stadion
füllenden Zeiten von Black Uhuru als Sly Drumbar &
Robbie Basspeare
bezeichnet. Heute gehören sie zu den bedeutendsten
Rhythmusgruppen der Welt. Was heißen will – nicht
nur im Reggae. Namen wie Mick Jagger, Grace Jones, Bob Dylan, Carlos
Santana, Serge Gainsbourg, Joe Cocker, Madonna, Marianne Faithfull,
Sinead O´Connor, No Doubt und viele andere, sprechen
hierfür eine deutliche Sprache. Reggae Artists
aufzuzählen, mit denen Sly & Robbie zusammengearbeitet
haben erübrigt sich. Es würde sich eine endlose Liste
ergeben. Besonders in der jamaikanischen Reggae-Szene gibt es nur
wenige namhafte Artists, die noch nichts mit ihnen zu
tun hatten.
Bereits 1985 schafften sie es gemeinsam mit Black Uhuru und dem Album
„Anthem“ den ersten Reggae-Grammy der
Musikgeschichte zu erobern. Als Duo gewannen die
Riddim-Twins“, wie sie auch genannt werden, 1999 einen
weiteren Grammy mit ihrem Album „Friends“, in der
Kategorie „Bestes Reggae-Album“. Inzwischen haben
sie es auf vier Grammys geschafft und ihre achte Nominierung im Jahr
2011 eingefahren, zu denen auch das 2010-er Projekt „Made In
Jamaica“ mit Bob Sinclair gehört. Nach vorsichtigen
Schätzungen gehen auf das Konto der Riddim-Twins über
40.000 produzierte Songs und über 200.000 Stücke, an
denen sie mitgewirkt haben. Und die äußerst
erfolgreiche Arbeit geht weiter. Bis heute sind Sly & Robbie
bestens im Geschäft.
Mehr zu Sly & Robbie gibt es hier und
einen noch ausführlicheren Einblick in ihren unglaublichen
Schaffenskatalog hier.
Bild 1: Black Uhuru – Red
– 1981 Bild 2: Black uhuru – Anthem
– 1984 Bild 3: Black Uhuru –
Liberation - The
Island Anthology (2 CD) – 1993 Bild 4: Sly & Robbie
– Friends – 1998 Bild 5: Yami Bolo – Freedom
And Liberation – 1999 Bild 6: Horace Andy –
Livin´ It Up – 2007 Bild 7: Bob Sinclar – Made
In Jamaica – 2010 Bild 8: Sly & Robbie
– Blackwood Dub - 2012
Tyrone Downie, geboren am 20.05.1956, wurde besonders ab 1974 als
Keyboard-Player bei Bob Marley & The Wailers bekannt und hatte
einen nicht unwesentlichen Anteil an der weltweiten Verbreitung des
Reggae. Neben den Wailers arbeitete er aber auch mit Artists wie
Augustus Pablo, Burning Spear. Peter Tosh, Bunny Wailer, Israel
Vibration, Culture, Lee Perry, The Heptones, Pablo Moses, The
Abyssinians und vielen anderen erfolgreichen Reggae Artists zusammen.
Neben seiner Mitwirkung als Musiker am Keyboard, Synthesizer, Piano und
anderen arbeitete und arbeitet er aber auch als Komponist und
Produzent. Gegenwärtig lebt Tyrone Downie in Frankreich und
ist Mitglied der Tourband von Youssou N´Dour, wo er auch als
Produzent mitwirkt.
Einen Einblick in Tyrone Downies musikalisches Schaffen bekommt man hier.
Bild 1: The Abyssinians –
Satta Massagana – 1976 Bild 2: Peter Tosh –
Legalize It – 1976 Bild 3: Bob Marley & The
Wailers – Babylon By Bus – 1978 Bild 4: Burning Spear – Hail
H.I.M. – 1980 Bild 5: Tiken Jah Fakoly –
Coup De Gueule – 2004 Bild 6: Israel Vibration –
Stamina – 2007 Bild 7: Alpha Blondy – Jah
Victory – 2007 Bild 8: Youssou N´Dour
– Dakar-Kingston – 2010
Bild 1: Tyrone Downie (in rot) am
Keyboard bei Yossou N´Dour – 03.07.2011 - Summerjam
Nun kann sicher jeder nachvollziehen, dass der Konzerttitel
„Jamaican Legends“, mehr als zutreffend ist.
Aber genug der Vorrede. Begeben wir uns in das Berliner HKW
für ein paar Eindrücke des Abends.
Im Umfeld der „Schwangeren Auster“, wie das HKW
auch
genannt wird, sieht es mit den Parkplätzen heute nicht
besonders
rosig aus. Die „Straße des 17. Juni“, die
sich in der
Nähe befindet, ist wieder einmal abgesperrt. Dadurch geht eine
Vielzahl an Parkplätzen verloren, was die Suche nicht gerade
vereinfacht. Aber wie heißt es doch so schön:
„Zeitiges Kommen sichert gute Plätze“. Und
das sind
wir heute. Da haben wir noch einmal Glück gehabt und
können
eine der letzten Lücken erobern.
Wir haben noch etwas Zeit, um auf der Dachterrasse
der Auster etwas Entspannung von der langen Fahrt zu tanken, bevor sich
gegen 20:00 Uhr die Türen zum Saal des
Auditoriums öffnen.
Bild 1 + 2: Auf der Dachterrasse des HKW
Heute also mal ganz entspannt ein Reggae-Konzert mit
Bestuhlung, mit garantiert freier Sicht auf die Bühne und
natürlich noch dazu völlig rauchfrei. Wir sind echt
gespannt
wie das Ganze ablaufen wird. So richtig 100% Reggae soll es ja gar
nicht werden – eher so nach dem Motto „Jazz trifft
Reggae“. Langsam füllt sich der Saal und viele
bekannte
Gesichter der Berliner Künstler- und Veranstalterszene tauchen
auf. Zumindest soweit es Reggae betrifft. Was den Jazz-Bereich angeht
kann ich leider nicht mit reden.
Obwohl natürlich jeder eine
Platzkarte hat, gibt es ein paar Bereiche, wo man auch als
Sitzplatzverweigerer den anderen nicht die Sicht nimmt. „Ich
setze mich doch bei einem Reggae-Konzert nicht hin. Da werde ich ja
verrückt.“, meint ein Berliner Drummer zu mir.
Als sich der Saal verdunkelt, begebe ich mich erst einmal in Richtung
Bühnenkante. Fotografen sind heute rar gesät. Nur ein
kleiner
Kreis, der ausdrücklich von Sly & Robbies Management
genehmigt
werden musste, hat die begehrten Pressekarten bekommen. Aber
unabhängig davon, ist wegen der räumlichen Situation
verständlich, dass man hier anders agieren muss.
Großen
Presseauflauf kann man sich hier gar nicht leisten. Die
Bühnenoberkante liegt nur wenige Zentimeter über dem
Fußboden und nicht weit weg von der ersten Stuhlreihe. Bilder
von
der Seite zu schießen wird sich schwierig gestalten. Um den
Gästen nicht die Sicht zu nehmen, muss man also auf den Knien
an
der Bühnenkante entlang rutschen. Macht aber nichts, da alles
mit
Textilbelag ausgelegt ist.
Schließlich werden die Künstler des Abends
angekündigt.
Als Sly Dunbar die Bildfläche betritt, traue ich meinen Augen
nicht und bin mächtig erschrocken. Mit langsamen kurzen
Schritten,
gestützt auf einen Stock begibt er sich an das Schlagzeug. Was
ist
nur passiert? Vor drei Jahren beim Summerjam, wo ich ihn zum letzten
Mal getroffen habe, war er noch total fit. Sly ist in einen roten
Overall gekleidet und hat einen farblich dazu passenden
Arbeitschutzhelm auf dem Kopf. Am Schlagzeug angekommen, verschwindet
er wie in einem Formel-1-Boliden, und nur die Oberseite des Helms
bleibt noch sichtbar. Er hält den Kopf soweit gesenkt, dass
man
nahezu keine Chance hat, ein Blick auf sein Gesicht zu bekommen. Ernest
Ranglin und Robbie Shakespeare sehen im Vergleich zu früheren
Jahren aus wie immer. Selbst Basecap und Sonnenbrille scheinen mit
Robbie schon verwachsen zu sein. Tyrone Downie kommt im Selassie Shirt
auf die Bühne und gibt den Moderator.
Er sagt den ersten Titel
an,
den die Vier Jackie Mittoo zu Ehren spielen. Jackie Mittoo ist leider
schon am 16.12.1990, im Alter von 42 Jahren, verstorben. Wie Tyrone war
er ebenfalls Keyboarder und Gründungsmitglied der Skatalites.
Ein
völlig anderer Sound erfüllt das Auditorium, als man
bisher
von den jeweiligen Stücken gewohnt ist. Tyrone Downie hat eine
Tastenwerkstatt um sich aufgebaut und kann vom Keyboard über
Synthesizer, PC bis zum Piano variieren. Dementsprechend wechselt auch
der Sound. Mal jazzig, dann wieder mehr in Richtung Reggae bis hin zu
klassischen Tönen. Die Mehrheit der Stücke sind alt
bekannte
Reggae-Klassiker, nur in überwiegend instrumental gehaltenen
Versionen, leicht vom Jazz angehaucht, aber nicht dominierend. Sly
& Robbie liefern dabei die tragenden Säulen des
Reggae, wie es
schon immer die Aufgabe von Drum und Bass war. Ernest Ranglin mal
sitzend und mal stehend, entlockt seiner Gitarre sein alt bekanntes
Spiel und verleiht den Reggae-Klassikern ein völlig neues
Gesicht.
Die Vier zaubern ein wunderschönes Klanggebilde, wie ich es in
dieser Form noch nicht gehört habe. Reggae trifft Jazz und
klopft
an die heiligen Hallen der klassischen Musik an. So in etwa
könnte
man die Show umschreiben.
Dazwischen gesteht Tyrone Downie, dass er heute zum ersten Mal
gemeinsam mit Ernest Ranglin auf der Bühne steht und wirft
sich in
seine Richtung zu Boden, um ihm so seine Ehrerbietung zu bezeugen.
Eigentlich erstaunlich, dass sich zwei solch große Musiker
nicht
schon eher auf der Bühne begegnet sind, zumal sie beide von
einer
nicht allzu großen Insel kommen.
„Satta Massagana“,
„Lively Up Yourself“, „No No
No“ oder
„Shine Eye Gal“, um nur einige zu nennen, sind die
Glanzlichter des Abends.
Live
Mitschnitte:
Satta Massagana und Lively Up Yourself
Dazwischen immer wieder lang anhaltender
Beifall und Jubel von den Rängen. Als „No No
No“
beginnt und Robbie die Rolle von Dawn Penn übernimmt, ist kein
Halten mehr im Saal. Die Sitzordnung beginnt sich aufzulösen
und
zwischen den Rängen bewegen sich die ersten Tänzer.
Es ist
halt doch nicht so einfach bei den rhythmischen Klängen ruhig
sitzen zu bleiben.
Live
Video: No
No No
Black Uhuru´s fantastisches
„Shine Eye
Gal“ ist leider das Abschlussstück. Wenn jetzt noch
Michael
Rose als Überraschungsgast auftreten würde, ich
glaub´
ich würde durchdrehen.
Die Vier „Jamaican Legends“ verlassen unter
tosendem
Beifall die Bühne. Jetzt erscheint auch Sly endlich mal in
voller
Ansicht und winkt dem Publikum zu. Eine kurze Pause folgt, bevor es in
eine sehr kurze Zugabe geht. Sieht und hört sich fast so an,
als
wäre die gar nicht geplant gewesen. Der Höhepunkt der
Show
war eindeutig davor.
Als sich das Auditorium schon langsam leert, ist Sly Dunbar der einzige
Artist der auf das Publikum zugeht und ein Bad in der Menge nimmt.
Autogrammstunde, Fotosession und Begrüßung alter
Bekannter
ist angesagt. Seinen Fans zu Liebe steht Sly geduldig mit einem
Lächeln im Gesicht, so lange zur Verfügung, bis auch
der
letzte sein Autogramm oder sein Foto in der Tasche hat. Erst als kein
Fan mehr weit und breit mit Wünschen in Sicht ist, dreht sich
Sly
um und verlässt langsam den Saal.
Joseph
Blue Grant alias Still Cool, hat sich auch nicht
nehmen lassen, Sly zu begrüßen.
Bild 1: Sly Dunbar mit
Joseph Blue Grant und dessen Partnerin
Reggaestory.de:
Hallo Joseph wie hat dir die Mischung aus Jazz und Reggae gefallen? Still Cool:
Ich finde es sehr interessant und es zeigt die Großartigkeit
der Reggae-Musik, dass sie nicht nur eine Hinterhofmusik ist, wie sie
einige gerne klassifizieren möchten. Ich bin sehr stolz auf
diese Musik, es ist die Musik die alle Völker der Erde
erreicht, unabhängig ihrer Rasse und Sprache. Deshalb
weiß ich, dass Babylon nichts tun kann um die Reggae-Musik
aufzuhalten. Reggaestory.de:
Ich nehme an, du und Sly ihr kennt euch persönlich? Nach der
freudigen Begrüßung sieht es zumindest so aus
für mich. Habt ihr schon einmal zusammen gespielt? Still Cool:
Wir kennen uns schon seit sehr langer Zeit, als wir in den 70er Jahren
unsere Musikkarriere aufbauten. In jener Zeit war er einer der besten
Schlagzeuger, einer den ich sehr bewunderte. Wir haben niemals
irgendwelche Projekte zusammen gemacht, weil ich mit Albert Johnson
(Ilawi), ein anderer großartiger Schlagzeuger der Advotes
Steel Band und in den Studios, zusammen arbeitete. Er und Sly waren
meine Helden in jener Zeit und auch in diesem Augenblick,
großartige Schlagzeuger von denen viele junge Schlagzeuger
viele Fähigkeiten lernen könnten. Reggaestory.de:
Gibt es bei dir ein neues Projekt? Was machst du zur Zeit? Still Cool:
Ich bereite gerade ein neues Album vor. Viele Stücke sind
fertig geschrieben und komponiert, aber die Auswahl ist riesig. Ich bin
gegenwärtig im Auswahlprozess welche Titel nicht so gut sind,
um auf das Album zu kommen. Aber bald wird es fertig sein und du wirst
einer der Ersten sein, der es hören wird. Reggaestory.de:
Hast du schon einen Namen und ein Cover für das neue Album? Still Cool:
Nein dafür ist es zu früh. Zuerst muss die
Musikproduktion abgeschlossen sein.
Auch Rainer
Bratfisch, Verfasser des Reggae-Lexikons und Kenner der
Jazz-Szene seit vielen Jahren, ist unter den Besuchern. Reggaestory.de:
Hallo Rainer, du hattest ja den besten Platz vom gesamten Auditorium,
erste Reihe und genau in der Mitte. Danke noch einmal
dafür, dass ich deinen Platz eine Zeit lang als
Rückzugsposition beim fotografieren nutzen durfte. Rainer
Bratfisch: Keine Ursache. Ja ich war auch der erste
Kartenkäufer, der vorab übers Internet bestellt hat. Reggaestory.de:
Deine Meinung als Jazz-Kenner und Reggae-Fan, ist für mich
besonders interessant. Wie lautet dein Statement für den
heutigen Abend? Rainer
Bratfisch: Dass Mento, Ska, Reggae und Dancehall aus
Jamaica kommen, weiß jeder. Aber Jazz? Dabei waren doch Jazz
und Rhythm & Blues in den 1950er Jahren Geburtshelfer des Ska,
aus dem später der Reggae resultierte. Diese Tradition ist
heute in Jamaica nahezu vergessen. Auf der Bühne des Jamaica Jazz
& Blues Festivals sind die
Reggae-Größen präsent, auch
Céline Dion und die reanimierten Temptations. Aber Jazz?
Fehlanzeige. Das kleine oder große Geld wird in Jamaica mit
dem Reggae verdient, Jazz kommt nur am Rande vor. Wenn da nicht der
Pianist Monty Alexander wäre – seit Jahrzehnten
Aushängeschild des Jazz in Jamaica. Schade, dass er nicht
kommen konnte. Aber auch Tyrone Downie war das Wiederhören
wert. Sly & Robbie zu loben, hieße, Ackee nach
Jamaica zu exportieren. Bleibt Ernest Ranglin – für
mich DER STAR des Abends. Mit seinen 80 Jahren zeigt er den jungen
echten oder vermeintlichen Gitarren-Heroes noch immer, wo’s
langgeht – locker, stilsicher, spielwitzig, cool, nonchalant,
unaufdringlich, in jeder Sekunde innovativ. Jazz? Reggae? In seinem
Gitarrenspiel werden die Unterschiede unwichtig. Er spielt das, was er
seit Jahrzehnten spielt. Quality never goes out of style. Reggaestory.de:
Du hast einmal erzählt, dass du an einem neuen Buch
über Jazz arbeitest. Wie ist dort der Stand? Rainer
Bratfisch: Das Buch heißt „Berlin
Jazz – Stile, Szenen, Stars“ und
wird im Oktober diesen Jahres in den Handel kommen. Reggaestory.de:
Dann wünsche ich dir jetzt schon viel Erfolg damit.
Bild 1: Buchcover – Freie
Töne
– Die Jazzszene in der DDR – Rainer Bratfisch -
2005 Bild 2: Buchcover - Berlin
Jazz
– Stile, Szenen, Stars – Rainer Bratfisch -
2012
Wir begeben uns jetzt in Richtung Backstage, um noch ein paar Fragen an
die Künstler des Abends los zu werden und vielleicht noch das
eine oder andere Bild in ungezwungener Umgebung zu schießen.
Robbie sitzt im Außenbereich und befindet sich in angeregter
Unterhaltung mit einer Ansammlung afrikanisch stämmiger Damen.
Lange wird es nicht mehr dauern, denn Wind kommt auf und Blitze zucken
durch die Nacht. Wir haben Glück und können kurz vor
Ausbruch des großen Regens mit Robbie Shakespeare ein paar
Worte wechseln und die Autogrammsammlung erweitern.
Ernest, Sly und Tyrone haben es sich drinnen gemütlich gemacht
und essen erst einmal Abendbrot. Wir warten. Nach einer knappen Stunde
ist es dann schließlich so weit. Wir dürfen
hereinkommen und stellen uns noch einmal vor.
Reggaestory.de:
Euer Project „Jamaican Legends“ ist eine
großartige Idee. Große Reggae Klassiker im neuen
Gewand. Reggae und Jazz in einem. Das war ein großes Erlebnis
für uns. Habt ihr Zeit für ein paar Fragen? Sly Dunbar:
Sicher, es ist immer eine Freude mit Journalisten und Reportern zu
sprechen.
Tyrone übernimmt gleich die Rolle des Regisseurs
und gibt seine Anweisungen. „Erst Ernest, dann Sly &
Robbie und zuletzt ich!“, so die Ansage. Offenbar ganz nach
Rang und Namen oder Alter.
Ernest sieht erholt aus. Keine Spur vom vorangegangenen Konzert.
Für ihn könnte es offenbar gleich weiter gehen.
Reggaestory.de:
Vor ein paar Tagen hast du deinen 80. Geburtstag gefeiert. Ich
wünsche dir noch nachträglich alles Gute! Wie
fühlst du dich? Ernest
Ranglin: Sehr gut, mit diesen drei Gentlemen zu spielen
ist eine Freude, wir haben eine Menge Spaß. Reggaestory.de:
Die meisten Leute sehen dich als Jazz Musiker. Aber du spielst auch
Ska, Rocksteady und Reggae. Wie siehst du dich selbst? Ernest
Ranglin: Ich sehe mich in erster Linie als Musiker. Der
Name der Musik ist Musik, es spielt keine Rolle ob es Ska, Reggae oder
Jazz ist, es ist nur Musik. Reggaestory.de:
Im Januar fand in Kingston, Montego Bay und Trelawny das
„Jamaica Jazz & Blues Festival“ statt. Aber
die meisten Künstler waren Reggae Artists. Kein Jazz, kein
Blues und kein Ernest Ranglin. Warst du jemals dort? Und warum gibt es
dort
keinen Jazz und Blues? Das ist ein wenig irreführend. Ernest
Ranglin: Ich weiß es nicht, die Frage
müsstest du den Promotern stellen. Reggaestory.de:
Jamaica ist für mich ein Reggae-Land. Welchen Stellenwert hat
der Jazz heute in Jamaica? Ernest
Ranglin: Es gibt eine überraschende Resonanz. Die
Leute in Jamaica lieben gute Musik, und dort gibt es gute Jazz Musiker.
Sly hat sein strahlendes Gesicht verloren, wie er es noch unmittelbar
nach der Show gezeigt hat. Er macht einen nachdenklichen und
müden Eindruck. Den Arbeitsschutzhelm hat er nun abgesetzt und
gegen eine bequemere Kopfbedeckung ausgetauscht.
Reggaestory.de:
Was ist das Geheimnis der erfolgreichen und beständigen
Zusammenarbeit von Sly & Robbie? Sly &
Robbie:
Die Liebe zur Musik und harte Arbeit, wir kreieren noch
täglich einen neuen Riddim. Vielleicht werden einige von ihnen
ein Hit, oder auch nicht. Aber wenn du nicht daran arbeitest, wird gar
nichts geschehen. Und außerdem respektieren wir einander. Die
Chemie ist einzigartig zwischen uns. Sly & Robbie sind
größer als Sly oder Robbie, verstehst du? Reggaestory.de:
Sinéad O`Connor´s Album “Throw Down Your
Arms” wurde produziert von Sly & Robbie. Für
mich ist es eines der großartigsten Roots-Reggae Alben des
letzten Jahrzehnts. Aber Sinéad O`Connor ist eigentlich gar
kein Reggae Artist. Wessen Idee war das, eure oder
Sinéad´s? Können wir auf eine Fortsetzung
hoffen, auf ein neues Reggae Album mit Sinéad? Sly &
Robbie:
Wir sind jederzeit bereit. Es war großartig das Album mit ihr
zu machen und das Touren war sehr angenehm. Reggaestory.de:
Ihr arbeitet mit vielen Künstlern in allen möglichen
Musikrichtungen zusammen und nicht nur im Reggae. Welches Angebot oder
welchen Auftrag würdet ihr niemals annehmen? Sly &
Robbie:
Wir halten uns fern von schlechten Sachen für die wir kein
gutes Gefühl haben. Es geht dabei immer ums Gefühl,
Emotionen, Dinge die vom Herzen kommen, verstehst du?
Tatsächlich lehnen wir eine Menge von Projekten ab, wenn wir
nicht das Gefühl haben, dazu etwas beitragen zu
können. Einige Projekte sind auch ohne uns gut genug, und es
ist nicht notwendig Sly & Robbie zu engagieren, nur der Sache
wegen, verstehst du? Wir pushen nicht irgendetwas oder irgendjemand.
Wir mögen positive Vibes, mit Leuten die wir als Mensch
mögen, wie Bitty Mc Lean, Cherine oder Bob Dylan. Die ganzen
Jahre lang hatten wir Glück gehabt oder waren gesegnet, ganz
wie du magst …
Bild 2 + 3: Albumcover - Sinéad
O`Connor - “Throw Down Your Arms” - 2005
Tyrone Downie sitzt am Laptop und sieht sich irgendwelche
Konzertmitschnitte an. Gerade will er sich eine Zigarette
anzünden und wird vom Sicherheitsdienst ermahnt, dies bitte
draußen zu tun. Also gehen wir gemeinsam in den
Außenbereich. Den Genuss seiner Zigarette möchte er
nicht hinausschieben.
Reggaestory.de:
Du hast erzählt, dass du das erste Mal mit Ernest Ranglin
zusammen gespielt hast. Geplant war ja Monty Alexander für
dieses Projekt. Wie ist es möglich in so kurzer Zeit den Teil
von Monty Alexander einzuüben, oder ist das Programm etwas
umgestellt worden? Tyrone Downie:
Wir sind Profis, aber gleichzeitig bringe ich meine eigenen Dinge in
das Gesamtpaket ein, und offensichtlich ist mein Style nicht
Monty´s Style. Es ist ein anderer Ansatz zum Konzept. Aber
ausgehend von der Reaktion der Massen, mögen sie das, und das
ist es was zählt. Reggaestory.de:
Was ist deine beste oder schönste Erinnerung an deine Zeiten
mit Bob Marley & The Wailers? Tyrone Downie:
Die ganze Sache war prima. Reggaestory.de:
Was hast du gegenwärtig noch für Projekte neben
dieser Tour „Jamaican Legends“? Tyrone Downie:
Mein Freund Guillaume Bougard, der das Projekt „Jamaican
Legends“ in Ergänzung seiner Arbeit mit
Bitty Mc
Lean und Sly & Robbie zusammengestellt hat, drängt
mich seit vielen Jahren ein Soloalbum aufzunehmen. Und jetzt habe ich
eines, welches ich gerade fertig stelle. Ich möchte gerne noch
Sly & Robbie´s „Magic Touch“
hinzufügen. Tatsächlich hatte ich schon vor vielen
Jahren ein Album mit Sly & Robbie aufgenommen, aber die Record
Company muss wohl die Bänder verloren haben, wie sie niemals
das Album herausgebracht haben. Zu schlecht für sie, das war
sehr schlimm. Wir benutzten das Studio von Compass
Point, zwischen Projekten mit Grace oder Joe Cocker. Das war
eine Menge Spaß.
Reggaestory.de:
Vielen Dank für die Zeit die ihr euch für uns
genommen habt. Wir wünschen euch allen eine schöne
und erfolgreiche Tour, alles Gute für die Zukunft und
für uns natürlich weiterhin großartige
Musik von euch!
Trotz langer Wartezeit und Backstagetermin sind wir heute
früher dran als sonst und können ganz entspannt und
munter den Heimweg antreten. Es ist noch nicht einmal Mitternacht. Das
ist einer der Vorteile an den Konzerten im HKW.
Copyright: Text und Fotos by Reggaestory
Mein besonderer Dank geht an das Team vom HKW, Guillaume Bougard und
Mark Van Bergh vom Management, und natürlich an die Artists
des Abends.