Zum
Fünfzehnten Mal trafen sich im November die Freunde
von Ska, Rocksteady, Early Reggae und
Skinhead Reggae beim
Dynamite Skafestival in
Leipzigs schönstem Ballsaal. Auch wir haben uns wieder
einmal unter die Karohemden gemischt und uns beim
zweitältesten deutschen Festival des Genres ein wenig
umgeschaut. Die Fahrt zum großen Bruder, dem This Is Ska,
haben wir leider auch in diesem Jahr nicht geschafft, aber
auch die kleineren Geschwister, wie das Dynamite Ska, das
Berlin Ska City oder die Ruhrpott Ska Explosion,
können einen guten Eindruck vermitteln. Hinter den Kulissen
wirkt sowieso immer dasselbe Organisationsteam und davor kann man mit
etwas Glück auch einige Künstler des großen
TIS sehen.
Dieses Mal sind besonders Freddie Notes,
The Soul Radics und The Selecter daran "schuld", das wir uns auf den
Weg nach Leipzig begeben haben.
Wer sich neben den Tageseindrücken auch für die
Historie des Festivals und die
Geschichte des imposanten
Austragungsortes interessiert, schaut einfach noch einmal in
den 2015er Bericht
hinein.
Aber
begeben wir uns nun ohne weitere lange Vorrede nach Leipzig und
lassen das diesjährige
Dynamite Skafestival auf uns einwirken. Wir liegen gut in der Zeit und
schaffen es bis zum Festivalauftakt im Ballsaal aufzuschlagen.
Gegenwärtig ist noch nicht so viel Betrieb und der Saal ist
etwas umgestylt. Die schönen Arkaden, die zur
Tanzfläche etwas höher liegen, hat man mit
Planen zu gehangen. Rein optisch zerstört das den Charme
des ehrwürdigen Bauwerks und die Atmosphäre
im Saal. So
kann man heute eher schlecht von den Seiten in den Saal schauen.
Besonders hart trifft dies die Händler, die so vom
Bühnenblick völlig abgeschnitten sind.
Wir können nur vermuten, dass heute nicht so viele Besucher
erwartet werden und man so den Saal etwas verkleinern wollte. Trotzdem
hätte man wenigstens die Seite mit den Händlern offen
lassen sollen.
Die
Eröffnung des Festivals obliegt heute der Leipziger Band Tetréte. Das
dereinst im Jahr 2005 von Grune, Marcus und Felix als Rockband
gegründete Projekt, ist inzwischen auf 10 Musiker angewachsen.
Dazwischen lagen Jahre des Probierens, der Weiterentwicklung, sowie
Umbesetzungen bei den Musikern und Wechsel von Instrumenten. Den Rock
hat man nach einiger Zeit abgeschafft und sich dem Ska zugewendet. 2009
veröffentlichten sie ihre erste EP "Vielen Dank, Sie
hören von uns". 2010 und 2011 folgen die Alben "Port Royal"
und "One Way Ticket to Ska".
Zwei Jahre später gibt es
schließlich auch ein Live-Album von einem Auftritt auf der
Leipziger Moritzbastei. Inzwischen kehren sie jährlich zum
Jahresende auf die Moritzbastei mit ihrem eigenen kleinen Ska-Festival
zurück. Das "Ska Delicious", ein Gemeinschaftsprojekt mit der
Moritzbastei, hat im Dezember seinen vierten Geburtstag. Ihr bisher
aktuelles Album heißt "757" und wird heute genau 1 Jahr alt.
Die gegenwärtige Besetzung besteht aus Yvonne
(Gesang),
Sandy (Gesang),
Marcus (Gitarre),
Karl (Gitarre),
Micha (Bass),
Grune (Schlagzeug),
Julia (Saxophon),
Ralph (Saxophon),
Nils (Posaune) und
Björn (Tuba).
Nach dem vierten Ska Delicious zum 01.12.2017, ist der fünfte
Streich bereits für den 21.12.2018 geplant.
Im Basar hinter den Planen, ist inzwischen auch der
Merchandise von
The Selecter fertig eingerichtet. Pauline Black lehnt ganz entspannt am
Tisch und schwatzt mit ihrem Management. Fans lassen leider noch auf
sich
warten, ... aber man kann Pauline ja auch nicht entdecken, wenn man
nicht gerade direkt hinter die Planen schaut. In den Jahren zuvor,
hatte
man freien Blick von der Tanzfläche aus, wie umgekehrt.
Hoffentlich ändert das die Location beim nächsten Mal
wieder in dieser Richtung ab.
Pauline
Black am Merchandise mit zwei der letzten Selecter Alben
"Subculture" (2015) und "Daylight" (2017)
Gaps ist leider noch nicht zu entdecken, aber wir werden ihn ganz
sicher noch erwischen und den Stand bei jeder Gelegenheit im Auge
behalten.
Davor fällt uns aber noch ein ganz anderer Umstand ins Auge.
An verschiedenen Stellen ist eine neue Running Order angeschlagen und
wir können Freddie Notes darauf nicht mehr entdecken.
Das kann
doch wohl nicht wahr sein!? Noch vor der Abfahrt von zuhause waren
keine
Änderungen in Sicht. Was es dann dazu zu lesen gibt, spricht
für sich. :-(
Das entschuldigt natürlich alles, ... da sind wir voll auf der
Seite des Veranstalters. So etwas darf man natürlich keinem
Künstler durchgehen lassen.
Inzwischen
ist der letzte Ton von Tetréte verklungen und es geht in die
Umbaupause. Der nächste Act kommt aus Dänemark und
heißt Babylove
& The Van Dangos.
Die Band hat sich 2004 in Kopenhagen zusammengefunden und
gehört zu den wichtigsten Ska-Formationen ihres Landes. Ihr
erstes Album "Run Run Rudie", haben sie bereits im darauf folgenden
Jahr veröffentlicht. 2006 wurde noch eine Version für
die USA nachgeschoben. Inzwischen haben sie fünf Studioalben
auf den Markt gebracht, zwei davon beim hiesigen Pork Pie Label. Dies
sind das 2012er "Let It Come, Let It Go" und das noch aktuelle
2015er "On My Life".
Live
Video:
Babylove & The Van Dangos - 1/2 - The Cracks
Aktuell gehören Daniel Broman (Gesang, Melodica, Harmonika),
Johan Bylling Lang
(Saxophon, Flöte), Bjarke Nikolajsen (Trompete), Jonathan
Rahbæk (Bass), Jakob Thomhav (Gitarre) und Mikkel "Slave"
Szlavik (Schlagzeug, Percussion) zur Band.
Live
Video:
Babylove & The Van Dangos - 2/2 - Old Man Trouble
Neben der verschlechterten Optik des Saales, wegen der zu gehangenen
Arkaden, stimmt auch etwas mit dem Sound nicht. Im Vergleich zu den
Vorjahren ist der schön volle und schwere Sound nicht mehr
spürbar. Babylove & The Van Dangos sind
überhaupt nicht zufrieden und versuchen immer wieder auf die
Technik einzuwirken, aber so richtig bekommt man das heute nicht in den
Griff.
Da können sich Babylove & The Van Dangos anstrengen
wie sie
möchten, aber ihre schöne Mischung aus Ska,
Rocksteady und
Early Reggae, kommt nicht so recht zur Geltung, wie es sein
könnte.
In der folgenden Umbaupause entdecken wir schließlich auch
Arthur "Gaps" Hendrickson am Merchandise von The Selecter. Da
müssen wir natürlich noch einmal vorsprechen, um die
beiden noch verbliebenen Gründungsmitglieder und
Sänger der Band, zusammen vor die Linse zu bekommen.
Pauline
& Gaps von The Selecter - ... und weil
ich mich nicht entscheiden kann, welche Bilder ungezeigt
bleiben sollen, ... gibt´s eben ein paar mehr an dieser
Stelle. ;-)
Auf
der Bühne geht es nun mit The Soul Radics
in die nächste Runde. Leider eben ohne Freddie Notes, aber
dafür kommt Dani Radics in voller Konzertlänge zum
Einsatz. Die Sängerin der Band überzeugt vollends und
schwingt sich zu dem Ereignis des Abends auf. Man
könnte glatt
sagen, für The Soul Radics ist es ein Glücksgriff,
das Freddie Notes über die Strenge geschlagen hat und aus dem
Rennen geworfen wurde. So kann die Band ihre eigenen
Qualitäten präsentieren und muss nicht nur als
Backing Band für Freddie Notes agieren.
Live
Video:
The Soul Radics - 1/3 - Mood For Love + Two Devils
Die Soul Radics kommen aus Nashville, der Hauptstadt des
US-amerikanischen Bundesstaates Tennessee. Die Gründung der
Band geht auf das Jahr 2011 zurück. Seit dieser Zeit machen
sie sich einen Namen mit ihrer Mischung aus Ska, Rocksteady, Reggae und
Soul. Im Dezember 2012 veröffentlicht die Band ihr Debutalbum "Down
To The Hall" und sorgt für Aufsehen rund um den
Globus.
Live
Video:
The Soul Radics - 2/3 - Won’t Let You Go + Change My Mind +
Everything I Said
In den letzten Jahren war die Band vorwiegend als Backingband zur
Unterstützung verschiedener junger Talente und alten
jamaikanischen Ska- und Rocksteady-Legenden unterwegs. Am 27.03.2015
veröffentlicht die Band mit "Big Shot" ihr zweites Album. Die
bisher aktuellste Scheibe ist das 2016er "Radication".
Live
Video:
The Soul Radics - 3/3 - My Baby´s Mine
Sehr bemerkenswert ist auch der Gesangspart des Keyboarders, der leider
nur mit einem eigenen Song zum Einsatz kommt. Das Keyboard wird
während dieser Einlage von Dani Radics übernommen.
Leider können wir dazu kein Video präsentieren. Ein
paar ordentliche Fotos zu erwischen ist leider auch ein Problem. Im
Saal wird es zunehmend undurchsichtiger, da irgendjemand seine Freude
an einer Nebelmaschine entdeckt hat. Hinzu kommt eine streckenweise
sehr ungünstige Bühnenbeleuchtung. Schade, denn
dafür sind wir leider nicht wirklich ausgerüstet.
Nachsatz: Ebenfalls sehr bedauerlich ist, dass sich die Band noch im
November aufgelöst hat. Auf ihrem facebook ist dazu
am 27.11.2017 zu lesen: "Soul
Radics are going on an indefinite hiatus.
We've been very grateful for the opportunities we've had, and would
like to thank everyone who has supported us over the years. It's been a
wild ride!"
Das ist wirklich sehr schade.
Mit
dem Soundcheck des heutigen Headliners The Selecter keimt
der Streit um die Soundqualität noch einmal auf. Die Band
fühlt ihre Ansprüche nicht so recht umgesetzt. Aber
was will man machen, wir kennen die Gründe nicht. Die Band
muss schließlich die Gegebenheiten so hinnehmen wie sie sind
und
das Beste daraus machen.
Zuletzt heben wir über The Selecter im
Festivalbericht zum
Berlin Ska City vom 23.01.2016
äußerst ausführlich berichtet. Wer
weitere Informationen zur Band haben möchte, sollte also dort
noch
einmal nachschlagen.
Live
Video:
The Selecter - 1/5 - Frontline
Als Vertreter der 2-Tone Welle aus Großbritannien, haben sich
Selecter seit 1979 einen Namen gemacht. Mit ihrer legendären
Sängerin Pauline Black und Arthur "Gaps" Hendrickson, stehen
heute noch zwei Bandmitglieder der ersten Stunde auf der Bühne.
Live
Video:
The Selecter - 2/5 - Daylight
Live
Video:
The Selecter - 3/5 - Remember Me
Nach ihrem 2015er Album "Subculture" haben sie ganz frisch ihr
erst am 06. Oktober veröffentlichten
Longplayer "Daylight" mitgebracht. Selbstverständlich, dass
davon einige Songs auf der Setlist vertreten sind. Mit "Frontline",
"Daylight", "Remember Me" und "The Big Badoof", gibt es vier der besten
Songs des Albums.
Live
Video:
The Selecter - 4/5 - The Big Badoof + Train To Skaville
Live
Video:
The Selecter - 5/5 - On My Radio + Too Much Pressure
Mit den Hits "On My Radio" und "Too Much Pressure" geht es
schließlich in die Endrunde. Zu der im Vorfeld angedachten
Zugabe kommt es leider nicht mehr. Offensichtlich war das Publikum mit
seinem Applaus nicht ausdauernd genug.
Am
Merchandise in der Umbaupause
In der Pause strömen die Fans, wie übrigens jedes
Mal, wieder nach
draußen. Da ist der Saal fast wie leer gefegt. Erstaunlich
wie groß die Zahl der Raucher ist.
Das Rauchverbot ist ja eigentlich selbstverständlich und
löblich, und dessen strikte Einhaltung durch die Fans echt
bewunderungswürdig, aber in Anbetracht des Nebels auf dem
Saal,
den wohlgemerkt nicht die Raucher verursacht haben, kommt man sich mit
der Beschilderung schon ein wenig veräppelt vor. ;-)
Als
die ersten Klänge der Inciters
im Nebel erklingen, herrscht noch gähnende Leere im Ballsaal.
Das wirkt aber wie eine Pausenklingel und schneller als man denkt, ist
der Felsenkeller wieder gefüllt.
Die Inciters kommen aus den USA, genau genommen aus Santa Cruz
in Kalifornien. Mit 12 Künstlern, ist das heute die
zahlenmäßig stärkste Truppe am Set. Mit
vier
Bläsern, zwei Gitarren, einmal Bass, Drums und vier
unübersehbaren Sängerrinnen, geht´s in die
vorletzte Runde der Running Order. Ein Keyboard verwendet die Gruppe
nicht.
Die Band gibt ihren musikalischen Style mit "Northern Soul Music" an.
Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit, denn sonst
wären sie ja nicht hier. Die ersten
Veröffentlichungen
der Inciters gehen auf ihr Gründungsjahr 1995 zurück.
Dabei handelt es
sich um zwei Kassetten mit jeweils 8 Titeln, unter dem Namen The
"In"Citers! Eine davon auf Ska ausgerichtet und die andere mehr auf
Soul. 1997 folgt schließlich ihr Debutalbum "Movin´
On" beim US-Label Mighty Recording und 2001 noch einmal beim deutschen
Label Elmo
Records. In Deutschland wurden auch die beiden nachfolgenden Alben
"Doing Fine" (2000) und "Well, Well, Well ..." (2003)
veröffentlicht. 2005 brach die Band auseinander und erlebte
erst in 2009 ihre Reunion mit veränderter Besetzung. Ihr
bisher aktuellstes Album ist das 2012-er "Soul Clap" und wurde
beim
US-Label Jump Up! Records veröffentlicht.
Auch wenn im Felsenkeller noch weiter kräftig abgefeiert wird,
ist für uns der Höhepunkt des Festivals
überschritten. So zumindest was unseren Geschmack betrifft.
Eine gute Sache, wenn die Highlights nicht erst am
Ende der Running Order stehen. So
fällt es auch nicht so schwer langsam den Rückzug
anzutreten oder das Festival entspannt ausklingen zu lassen. Das sehen
auch andere so, und die Zuhörerschaft vor der Bühne schmilzt immer weiter
zusammen. Der echte Hardcore-Fan bleibt natürlich bis zum
letzten Knistern in den Boxen. Für Mark Foggo´s Finale werden schon
noch genug Fans übrig bleiben.
Wir verschieben das aber erst einmal auf ein nächstes Mal und
treten nunmehr die lange Heimreise an. ;-)
Wir sehen uns ganz sicher auf einem der nächsten Festivals von
Jörg, Franze & Co!
Copyright: www.reggaestory.de
Text und Videokamera: Peter Joachim
Fotos: Marion und Peter Joachim
Mein Dank geht an Jörg Folta, Franze Vogel, Lars
Kranenkamp, an alle weiteren
Organisatoren und natürlich besonders an die Künstler
des Dynamite Skafestival 2017.