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DENNIS BOVELL & THE DUB BAND & ADRIAN SHERWOOD
21.10.2016 - YAAM BERLIN

Dennis Bovell & Adrian Sherwood
Dennis Bovell und Adrian Sherwood an einem Abend zusammen auf der Bühne zu sehen, war für die Freunde von Dub & Reggae eine gute Nachricht. Immerhin sind die beiden Künstler zwei der wichtigsten Vertreter der britischen Szene. Dennis Bovell ist seit über 40 Jahren einer der meist verehrten Dub- und Reggae-Produzenten. Er hat unter anderem für I Roy, Steel Pulse, Linton Kwesi Johnson, Errol Dunkley, Johnny Clarke und viele andere gearbeitet. Aber auch als Solokünstler mit seiner Dub Band und Sänger der ehemaligen britischen Band Matumbi, hat er zahlreiche Meilensteine hinterlassen. In der Erwartung, dass nun Soundtüftler Adrian Sherwood noch einige tolle Effekte beisteuert, haben sich viele Dub- und Reggae-Fans auf den Weg nach Berlin gemacht. Aber es sollte am Ende alles ganz anders kommen.
In Erinnerung des schon lange zurückliegenden und beeindruckenden Auftritts von Lee "Scratch" Perry mit Adrian Sherwood im Berliner Haus der Kulturen der Welt zum Wassermusik-Festival 2009, haben auch wir auf eine gemeinsame Bühnenshow gehofft. Aber als wir im YAAM eintreffen und die Bühnenaufbauten näher betrachten, wird schnell klar, dass für Adrian Sherwood kein "Arbeitsplatz" vorgesehen ist. Es wird also zwei getrennte Shows und keinen gemeinsamen Auftritt geben.

Dennis Bovell

Aber gut, das wäre wohl zu viel der Außergewöhnlichkeiten gewesen. Also konzentrieren wir uns zuerst auf eines der raren Konzerte von Dennis Bovell, der sich schließlich gegen 22:30 Uhr mit seiner Dub Band entscheidet auf die Bühne zu kommen. Der einst auch als "Blackbeard" bekannt gewordene Künstler schreitet in einer komplett weißen Anzugsordnung vom Basecap bis zu den Schuhen und mit einer grünen Gitarre bewaffnet auf die Bühne. Von der außergewöhnlichen Gesichtsbeharrung, die ihm den Spitznamen Blackbeard eingebracht hat, ist allerdings schon seit vielen Jahren nichts mehr vorhanden. Nur wer genau hinsieht kann noch ein paar beeindruckende schwarze Haarbüschel an den Ohren entdecken. Ein Phänomen wie man es wohl sonst bei keinem weiteren Künstler sehen kann.

The Dub Band Dennis Bovell

Dennis Bovell

Dennis Bovell Dennis Bovell



Live Video: Dennis Bovell & The Dub Band - 1/7 - Dub Master

Auf der Bühne stehen neben Dennis Bovell, der Gitarrist John Ogetti Kpiaye, an den zwei Keyboards sein Schulfreund Nicholas Bailey alias Nick Straker und Henry Holder, sowie hinter den Drums Paul Blake. Nick Straker? Da war doch noch was? Ja klar, "A walk in the park" mit der Nick Straker Band im Jahr 1979. Wer hätte das gedacht?

Dennis Bovell Dennis Bovell

Dennis Bovell

Dennis Bovell Dennis Bovell



Live Video: Dennis Bovell & The Dub Band - 2/7 - Judy

Dennis Bovell wurde am 22. Mai 1953 in Saint Peter auf Barbados geboren. Als er 12 Jahre alt war, zog er mit seinen Eltern nach London. Noch in der Schulzeit gründete er seine erste Band "Road Works Ahead" und später die Gruppe "Stonehenge". Dabei erfasste ihn schnell die musikalische Kultur der jamaikanischen Einwanderer Londons, insbesondere der Rocksteady. 1970 gründete er die dritte Band und nannte sie "Matumbi". In der Sprache der Yoruba bedeutet das "Wiedergeburt". Mit dabei schon damals sein Schulfreund Nicholas Bailey, der später als Nick Straker bekannt wurde.
Anfang der 70er Jahre spielten sie als Backingband für jamaikanische Artists wie Ken Boothe, Pat Kelly und andere. In jener Zeit begann sich die jamaikanische Musik ein breites internationales Publikum zu erobern. Matumbi brachte einige anonyme Singles heraus, die reißend Absatz fanden, da man glaubte die neuesten Scheiben aus Jamaika vor sich zu haben. Irgendwann ließ sich die Herkunft aber nicht mehr länger verleugnen, da die Gesangsstimme zu markant war und Matumbi eindeutig zugeordnet werden konnte. 1973 spielten sie als Vorband für die Wailers in Edmonton, zur Unterstützung der Hungersnot in Äthiopien. Die Presse hatte Matumbi damals als die bessere Band angesehen, was denen sichtlich peinlich war, weil eigentlich die Wailers ihre Helden waren. Matumbi unterschrieb bei Trojan Records und erlangte 1976 mit ihrer Version von Bob Dylan´s "Man In Me" den großen Durchbruch. Sie wurde weltweit die am besten verkaufte britische Reggae-Single.

The Dub Band - Henry Holder

The Dub Band - John Kpiaye Dennis Bovell

The Dub Band - Nick Straker



Live Video: Dennis Bovell & The Dub Band - 3/7 - Pretender (Junior Murvin lässt grüßen ;-))

Nach ersten Umbesetzungen innerhalb der Band, brachten sie im Jahr 1978 schließlich ihr Debutalbum "Seven Seals" heraus. Ein Jahr später schoben sie das zweite Album "Point Of View" nach, welches bedeutend erfolgreicher wurde. Die späteren Nachfolger reichten leider nicht mehr an die Erfolge ihrer Vorgänger heran. Nach Veröffentlichung ihres 1982er Album "Testify" löste sich die Band schließlich auf.
Nebenher hatte sich Dennis Bovell bereits einen Ruf als erstklassiger Musiker, Produzent und Toningenieur erworben, der mit großen Künstlern wie I Roy, Steel Pulse, Errol Dunkley und Johnny Clarke zusammenarbeitete. Er produzierte Janet Kay´s 1979er Hit "Silly Games", der Platz 2 in den britischen Charts erreichte und eröffnete schließlich auch sein eigenes Record Label "Studio 80".

Dennis Bovell

The Dub Band - Paul Blake

Dennis Bovell

Nachdem Dennis Bovell Matumbi verlassen hatte, gründete er die Dub Band und begann seine lange Partnerschaft mit dem Dub-Poeten Linton Kwesi Johnson.
Dies schlug sich unter anderem in Alben wie "Forces of Victory" (1979), "Bass Culture" (1980), "Tings An’  Times" (1991) und "LKJ in Dub: Volume One and Two" (1981, 1992) nieder. Das bedeutete schließlich auch für Dennis Bovell & The Dub Band ein weltumspannendes Touring von Südafrika bis Schweden und von Japan bis Deutschland.
Linton Kwesi Johnson - Bass Culture

In den 80er Jahren entwickelte sich Dennis zu einem gefragten Produzenten und arbeitete auch für Artists anderer Genres wie The Slits, Chalice, The Thompson Twins und Bananarama. Er mixte Alben für den großen Marvin Gaye, für Wet Wet Wet und The Boomtown Rats und arbeitete eng mit dem Nigerianer Fela Anikulapo Kuti zusammen. Weitere große Künstler wie Alpha Blondy, Ryuichi Sakamoto, Dexys Midnight Runners, Edwyn Collins, Pablo Moses und andere folgten.
Aber auch auf dem Gebiet von Film und Fernsehen fasste er Fuß. Er war musikalischer Direktor für den 1980er Franco Rosso Film "Babylon" und an der 1983er Fernsehserie "The Boy Who Won the Pools" beteiligt. Er schrieb auch die Titelmusik für die Dokumentarfilmreihe "The Bandung File" und das BBC 2 Programm "Rhythms of the World".
Aber auch seine Karriere als Solokünstler setzte er während dieser Periode weiterhin fort und veröffentlichte eine Reihe von Alben.

Dennis Bovell

Dennis Bovell Dennis Bovell

Dennis Bovell

Seitdem und bis heute ist Dennis in den verschiedensten Projekten involviert und arbeitet mit den unterschiedlichsten Künstlern in allen möglichen Genres zusammen. Da tauchen zum Beispiel Namen wie Hollie Cook, Boy George, Shakira, Rihanna, Sade, Joss Stone, Hot Chocolate und viele andere auf. Dennis Bovell ist ein vielseitiger Mann und für alle Musikrichtungen offen. Er lässt sich ungern in eine bestimmte Schublade stecken, obwohl Reggae und Dub seinem Herzen am nächsten liegen, wie er selbst sagt.
Sein neuestes Album ist das diesjährige "A to Z" und leider bisher nur als digitaler Download erhältlich.

The Dub Band

Dennis Bovell Dennis Bovell

The Dub Band - Nick Straker



Live Video: Dennis Bovell & The Dub Band - 4/7 - Pow Wow

Was war das denn!? Dennis Bovell hat doch tatsächlich "Good night!" gesagt und ist von der Bühne gegangen. Die Massive scheint verwirrt und weiß nicht so recht, was sie davon halten soll. Ich schaue ungläubig auf meine Uhr. Das kann nicht sein. Es sind erst 45 Minuten vergangen, seitdem die Show begonnen hat. Der richtige Abschlussjubel will nicht so recht aufkommen, auch die Rufe nach einer Zugabe kommen recht spärlich. Nach nur 45 Minuten Showtime kann man auch nicht so recht davon reden. Zum Glück kommt Dennis Bovell doch noch wieder bevor es zu Auflösungserscheinungen kommt und der Applaus womöglich ganz verstummt.



Live Video: Dennis Bovell & The Dub Band - 5/7 - Row, Row, Row

Dennis Bovell

Dennis Bovell



Live Video: Dennis Bovell & The Dub Band - 6/7 - Come With Me

Irgendetwas scheint mit der Technik heute nicht richtig zu klappen. Es kommt manchmal zu Übersteuerungen und Rückkopplungen. Nick Straker springt zeitweise vom Keyboard zurück und hält sich entsetzt die Ohren zu. Irgendwie fehlen mir bei einem musikalischen Thema wie heute auch die richtigen Dub-Effekte. Einige im Saal anwesende Berliner Reggae-Artists kommen mit dem Sound auch nicht ganz klar. Die hören natürlich noch mehr als wir. Schließlich bricht es beim letzten Titel aus Dennis heraus, und er staucht mehrfach den Techniker zusammen. Aber der scheint wohl auf "Autopilot" geschalten zu haben und ist vielleicht gar nicht da, denn es ändert sich trotz der Ermahnung von Dennis Bovell überhaupt nichts. Wenn ein Perfektionist wie Dennis Bovell etwas kritisiert, sollte man schon daran glauben. Seinen letzten Song spielt Dennis nicht mehr richtig aus und verlässt genervt die Bühne. So ein Mist aber auch. Das kennt man vom YAAM überhaupt nicht. Am Sound gab´s eigentlich noch nie etwas auszusetzen. Sicherlich liegt es daran, weil es kürzlich einen Technikerwechsel gegeben hat.

Dennis Bovell

The Dub Band - John Kpiaye The Dub Band - Nick Straker

Dennis Bovell



Live Video: Dennis Bovell & The Dub Band - 7/7 - Lovers Rock

Das war hart. Wenn ein Techniker seine "Technische Scheiße" von einer Legende wie Dennis Bovell um die Ohren gehauen bekommt, ist das bestimmt nicht gerade ermutigend. Aber viel schlimmer ist es, dass Dennis nun deswegen aufgehört hat zu spielen. So ist die Show nach einer knappen Stunde leider schon vorüber.

Später im Backstage versucht Dennis´ Tourbegleiterin zu beschwichtigen, als wir versuchen über die abgebrochene Show zu sprechen. So richtig will man den Abbruch nicht bestätigen. Offenbar bereut Dennis die Sache im Nachhinein ein wenig. Wie lang die Setlist tatsächlich gewesen wäre, können wir aber nicht in Erfahrung bringen, ... logischer Weise. ;-)
Zwei Tage danach gibt Dennis folgenden Kommentar auf Facebook ab:
"The most part of the show was fine and not blaming the engineer. The bass and my voice could have been louder. It was different when we came back the second time tho. History now. All good. I enjoyed the show and my band did a great job as always. Thanks for support!"

Dennis selbst ist unmittelbar nach der Show auch nichts anzumerken. Er ist keineswegs verärgert, ganz im Gegenteil. Er ist gut gelaunt und zu Späßen aufgelegt.

Dennis Bovell

Dennis Bovell - Words Dennis Bovell

Dennis Bovell

Dennis posiert hier mit der riddim Nr. 14 aus dem Jahr 2004, in der ein ausführlicher und interessanter Beitrag über ihn und seiner Anfänge mit Matumbi enthalten ist. Einfach den Link anklicken und bestellen.

Dennis Bovell

Dennis Bovell

Versuchen wir zum Abschluss noch ein Gruppenfoto zu arrangieren. Aber das ist nicht so einfach, wie man denkt. Drummer Paul möchte einfach nicht mit auf´s Bild. Erst nach langem Hin und Her und strengen Blicken von Dennis, lässt er sich endlich überzeugen. Aber in die Kamera möchte er auf gar keinen Fall schauen. Nur von hinten oder maximal von der Seite möchte er ins Bild geraten. Da will man schon mal die Musiker mit in Szene setzen, die oft viel zu kurz kommen, .... und er möchte nicht. Was soll man dazu sagen? Letztendlich wird es aber doch ganz gut.

Dennis Bovell & The Dub Band

Dennis Bovell & The Dub Band

Dennis Bovell & The Dub Band Dennis Bovell & The Dub Band

Dennis Bovell & The Dub Band

Dennis Bovell & The Dub Band

Dennis Bovell & The Dub Band - Von links: Henry Holder (Keys), Nick Straker (Keys,), Dennis Bovell (Bass + Vocal), John Kpiaye (Guitar) und Paul Blake (Drums)

Im Saal hat derweil Adrian Sherwood mit seinem Programm begonnen. Was wir bisher im Hintergrund gehört haben hat uns eher weniger veranlasst unseren Besuch bei Dennis Bovell und der Dub Band abzukürzen. Das was wir uns vorgestellt haben, nämlich Dub und gut gehenden dubbigen Reggae, gewürzt mit Adrian Sherwood´s Effekten, bleibt bisher leider die rühmliche Ausnahme.

Adrian Sherwood

Wieder im Saal angekommen blicken wir weitestgehend in emotionslose und enttäuschte Gesichter. Das was Adrian Sherwood präsentiert, will die heutige Massive eigentlich nicht so recht serviert bekommen. Hat er denn gar nicht mitbekommen was Dennis Bovell gespielt hat? Man kann doch nicht einfach eine völlig andere Richtung einschlagen, zumal Adrian Sherwood genau das abliefern könnte, was erwartet wird. In seiner Zusammenarbeit mit verschiedenen Reggae Artists, insbesondere mit Lee Perry, hat er das eigentlich schon eindrucksvoll und zur Genüge unter Beweis gestellt.

YAAM Berlin- Bei Adrian Sherwood

Adrian Sherwood

Adrian Sherwood Adrian Sherwood

Adrian Sherwood

Es weiß zwar jederman, welche Musik Adrian Sherwood überwiegend verkörpert, aber genau so gut wissen alle was er noch kann und im Anschluss zu Dennis Bovell´s Show gut passen könnte. Also das ist jetzt überhaupt nicht unser Ding. Wenn man zu einer reinen Techno Party gehen wollte, geht man doch nicht zum Reggae Konzert. Nichts gegen diese Musik, aber hier und jetzt passt sie einfach nicht.

Adrian Sherwood

YAAM Berlin - Bei Adrian Sherwood

Begeisterung sieht anders aus. ;-)

Leider ändert sich nach geraumer Wartezeit immer noch nichts am Stil der Musik. Da brechen wir lieber unsere Zelte ab und begeben uns auf die Heimreise. Nicht das wir stundenlang warten, um später erkennen zu müssen, dass es umsonst war.

Auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal!

Copyright: www.reggaestory.de
Text + Videokamera: Peter Joachim
Fotos: Marion + Peter Joachim

Mein Dank geht an das YAAM Team und natürlich ganz besonders an die Künstler des Abends nebst Dennis´ Tourbegleiterin Mimmi.

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