CULTURE
FEAT. KENYATTA HILL - TRIBUTE TO JOSEPH "CULTURE" HILL
Support: BRINA
13.03.2013 - YAAM Berlin
Über 6 Jahre ist es schon wieder her,
als Joseph Hill, der legendäre und bis dahin unverwechselbare
Lead Singer von Culture, während seiner Europa Tournee
plötzlich verstarb. Wir denken noch einmal kurz
zurück. Joseph Hill befand sich gerade mitten in einer
längeren Europa Tournee und hatte bereits viele Festivals und
Städte in Deutschland, Belgien, Holland und Schweden besucht.
Am Sonnabend den 19.08.06 erreichte sein Tourbus Berlin. Sein
nächster Auftritt war für 22:30 Uhr in der Berliner
Kulturbrauerei geplant. Aber dazu sollte es nicht mehr kommen. Joseph
Hill kollabierte nach der Ankunft in seinem Berliner Hotel und wachte
nicht mehr auf.
Joseph
meinte nach dem Verlassen des Busses, dass ihm nicht gut sei und legte
sich noch einmal hin. Der Tourmanager holte inzwischen den Notarzt, der
aber leider nicht mehr helfen konnte. Um 11:50 Uhr mittags
verließ uns eine große Stimme des Reggae
für immer.
Aber Culture und das Vermächtnis von Joseph Hill leben weiter.
Albert Walker, Telford Nelson und Joseph Hills Sohn Kenyatta, haben
sich kurz darauf dafür entschieden, die langjährige
Erfolgsgeschichte von Culture im Sinne von Joseph Hill
weiterzuführen. Kenyatta Hill übernahm somit die
Position des Lead Singers. Inzwischen beweist Kenyatta mehr als
eindrucksvoll, dass diese Entscheidung die richtige war. Und dass seine
Stimme fast genauso klingt wie die seines Vaters, kann jedermann auf
dem aktuellen Album „Live
On – Tribute To Culture“
nachhören.
Kürzlich stellte Kenyatta „Culture“ Hill
seine Fähigkeiten auf einer neuen Europa Tournee wieder unter
Beweis.
Hier
ein Auszug vom Tourplan:
12.03.2013 – DEU - Hamburg / Fabrik >>
ausgefallen
13.03.2013 – DEU - Berlin / YAAM
14.03.2013 – DEU - Stuttgart / Universum
17.03.2013 – NLD - Alkmar / Victorie Grote Zaal
18.03.2013 – FRA - Mulhouse / Le Noumatrouff
21.03.2013 – GBR - Newcastle Upon Tyne / The Cluny
22.03.2013 – GBR - Manchester / Band On The Wall
23.03.2013 – GBR - Kendal / Brewery Arts Centre
24.03.2013 – GBR - Glasgow / 02 ABC 2
26.03.2013 – GBR - London / Islington Assembly Hall
Leider hatten die Fans von Hamburg bei dieser Tour das bedauerliche
Nachsehen. Grund war ein erneuter Wintereinbruch mit starkem Schneefall
und Schneegestöber, welcher der Band auf dem Weg von London
nach Hamburg erheblich zusetzte. Mit sage und schreibe 20
zermürbenden Stunden erreichte der Tourbus eine
„Bestleistung“ an Fahrzeit, was leider erst zu
einer mitternächtlichen Ankunft in Hamburg führte. So
war es unmöglich geworden, das Konzert noch
durchzuführen. Somit blieben von den drei deutschen Shows nur
noch zwei übrig, und das Berliner YAAM konnte das erste
Konzert der neuen Europa Tournee präsentieren.
Dies soll zur Einführung genügen. Begeben wir uns ins
Berliner YAAM und lassen das Konzert vom 13. März noch einmal
Revue passieren.
Das immer noch unwirtliche Wetter hat das
Außengelände des YAAM leer gefegt. Ausgerechnet ein
paar Afrikaner lassen sich nicht davon abschrecken und stehen um eine
Feuertonne herum. Alle anderen Besucher haben ihre Gespräche
in den Saal verlagert, der auch nicht besonders gefüllt
aussieht. Leider kommen die meisten Besucher immer viel zu
spät, oft erst nach dem offiziell angesetzten Showbeginn. Das
kann auch mal gewaltig schiefgehen, wie sich beim kürzlich
stattgefundenen Ky-mani Marley Konzert gezeigt hatte. Nutzen wir die
Zeit um schon einmal die Band zu begrüßen.
Neben der Band ist auch Brina mit
dabei, eine jamaikanische Sängerin, von der wir im letzten
Beitrag schon berichtet haben. Sie ist immer noch in
Berlin unterwegs, um ihr im April 2012 erschienenen Debutalbum „Under One
Sun“ zu promoten. Erst gestern hatte sie ein
Konzert in voller Länge, im Rathaus Charlottenburg, zu dem
nicht einmal Eintrittsgeld fällig war. Die Band ist gut
gelaunt und gerade mit dem reichhaltigen Buffet beschäftigt.
Mit dabei sind Cyrus Richards und Jahmel Ellison, zwei Musiker von Rasites.
Bevor sie sich meinen Fotowünschen stellen, fühlen
sie sich aber bemüßigt mich fragend
aufzuklären: „Warum, wir sind doch nur die
Musiker!“. „Ich weiß, aber die Band ist
auch sehr wichtig.“, gebe ich zurück, was sie
natürlich freut und in Bewegung bringt. Leider viel zu oft
sind es die Musiker, die nicht ins rechte Licht gerückt werden
und die meistens keiner kennt.
Bild 1 - 6: YAAM Backstage Bild 1: Von links: Cyrus Richards
(Rasites), Martin Augustin, Jahmel Ellison alias Talliss Ites
(Rasites), Brian Gustave alias RimBim Bild 6: Martin Augustin, Brina und
Jahmel
Ellison
Gegen 22:00 Uhr, als schließlich Brina auf der Bühne
mit der Aufwärmphase beginnt, ist der Saal leider immer noch
nicht richtig gefüllt. Wo sind sie nur, die vielen Fans von
Culture? Wenn sie das nur später nicht bereuen.
Brina präsentiert heute nur drei Titel im Rahmen einer
Soundsystemshow. Vielleicht befürchtet sie, das Berliner
Publikum auf Grund ihrer Auftrittshäufigkeit der letzten
Wochen zu langweilen. Das ist natürlich nicht der Fall. Ihre
ausdrucksstarke kräftige Stimme lässt dafür
überhaupt keinen Raum.
Bild 1 - 6: Brina
Eine halbe Stunde später geht es in den Hauptteil des Abends.
Die Band erscheint auf der Bildfläche und Jahmel Ellison alias
Talliss Ites übernimmt erst einmal die Funktion des Moderators
und Lead Singers.
Er eröffnet zur Einleitung mit dem Bob Marley Klassiker
„War“.
Live Video: Jahmel Ellison – War
Danach kommen Albert, Telford und Kenyatta nacheinander auf die
Bühne, um mit Kenyattas Hit „The Message“
auf dem „Natural Mystic Riddim“, vom 2007er Album
„Pass The Torch“, die Culture Show zu
eröffnen. Das genannte Album enthält sowohl Hits von
Joseph und Kenyatta Hill und ist somit gleichzeitig Josephs letztes und
Kenyattas erstes Album. Schon auf diesem Album konnte man das Potential
von Kenyatta Hill erahnen und die verblüffende
Ähnlichkeit seiner Stimme zu der seines Vaters erkennen.
Nahtlos weiter geht es mit „Iron Sharpening Iron“,
ein Culture Stück vom Album „Harder Than The
Rest“.
Live
Video:
Culture feat. Kenyatta Hill – The Message + Iron Sharpening
Iron
Verdammt schlechte Bühnenausleuchtung ist heute wieder einmal.
Wer sich nicht gerade im Streubereich des statischen Scheinwerfers
befindet, der das YAAM Logo über dem Drummer beleuchtet, hat
schlechte Karten deutlich gesehen zu werden. Cyrus Richards am rechten
Keyboard, ist ohne kräftigen Blitz gar nicht zu erkennen.
Bassist Jahmel ist überwiegend nur kopflos in der Dunkelheit
auszumachen. Auch Albert und Telford, besser gesagt nur Albert, kommt
lediglich zeitweilig in den Genuss einer roten Randstrahlung, die ein
wenig seine Position erhellt. Sehr schade für den optischen
Konzertgenuss, der natürlich neben dem tollen Sound auch nicht
fehlen darf.
Es folgen „See Them A Come“ vom Album
„Two Sevens Clash“ und „Jah
Rastafari“ vom Album „International
Herb“. Die Massive kommt jetzt richtig in Form, jubelt und
singt lautstark mit. Der Geist von Joseph Hill ist
allgegenwärtig. Kenyatta bringt das perfekt rüber und
treibt mir fast die Tränen in die Augen.
Live
Video:
Culture feat. Kenyatta Hill – See Them
A Come + Jah Rastafari
Mit „Same Situation“ folgt wieder eines von
Kenyattas eigenen Stücken vom Album „Pass The
Torch“., an dem sich der nächste Culture Hit
„Tell Me Where You Get It“ vom Album
„Harder Than The Rest“ anschließt. Die
Erleuchtung des Publikums mit Begrüßungsjubel setzt
hier erst ein, als Kenyatta beim Refrain angekommen ist. Bei diesen
vielen Hits von Culture ist es eben manchmal nicht so einfach, sofort
den richtigen Titel zu erkennen.
Live
Video:
Culture feat. Kenyatta Hill – Same Situation + Tell Me Where
You Get It
An dem darauf folgenden „Money Girl“ von
„Culture At Work“, schließt sich die
erste Dancehalleinlage an. Eigentlich war es ja auch eher Dancehall,
was Kenyatta für sich entdeckt und bei seinem letzten Auftritt
2005 in Berlin präsentiert hatte. Da er aber nun das Erbe
seines Vaters angetreten hat, ist diese Liebe seitdem ein wenig in den
Hintergrund getreten. Kenyatta fragt vorsichtshalber in den Saal, ob er
auch etwas Dancehall machen kann. Wirklich? Na klar.
Live
Video:
Culture feat. Kenyatta Hill – Money Girl
Nächster bejubelter Culture Klassiker ist „Zion
Gate“, in dessen Anschluss sich Kenyatta auch ein wenig in
das Gebiet des Soca begibt. Hier muss ich passen und weiß
leider nicht wie das Stück heißt.
Live
Video:
Culture feat. Kenyatta Hill – Zion Gate
Dann geht´s weiter zur Kräutermischung des Abends.
Mehrere Herb Songs hat Kenyatta in ein Stück verpackt. Leider
sind mir die Einzelkomponenten dieser Mischung viel zu gering dosiert.
Wenigstens „Legalization“ von
„Payday“ hätte ein Stück
länger sein können. Aber man kann eben nicht alles
haben, sonst müsste Kenyatta wohl viele Stunden auf der
Bühne bleiben, wenn er alle Culture Hits ausreichend
würdigen wollte.
Live
Video:
Culture feat. Kenyatta Hill – Legalization + Mariwanna +
International Herb
Weiter geht es in die History von Joseph Hill und Culture.
„Too Long In Slavery“, vom Album
„International Herb“, ist der nächste
Culture Klassiker, der jubelnd begrüßt wird. Aber
ich wiederhole mich. Tatsächlich gibt es wohl keinen Titel der
Show, der nicht gebührend gefeiert wird. Immer wieder knallen
die Böden der Bierflaschen lautstark auf die Boxen, was mich
aber wiederum etwas nervt. Das Rumgespritze mit dem Bier ist das eine,
aber das Risiko irgendwann Glasscherben um die Ohren zu bekommen das
andere Ding.
Live
Video:
Culture feat. Kenyatta Hill – Too Long In Slavery
„Stop The Fussing And Fighting“, von
„Harder Than The Rest“ und „Two Sevens
Clash“ vom gleichnamigen Album, setzen die Culture History
fort. Einfach unglaublich, wie sich Kenyatta all diese Hits
verinnerlicht hat. Ein echter Augen- und Ohrenschmaus. Während
„Two Sevens Clash“ stellt Kenyatta
ausführlich alle Mitglieder der Band vor und holt sich
dafür wiederum die Zustimmung aus dem Publikum ein. Wie bei
Bandvorstellungen üblich, gibt es Zeit für jeweilige
Soloeinlagen.
Pauline Hill
am Merchandise Shop
Kenyatta
"Culture" Hill & Chris "Peanut" Whitley
Albert Walker gibt eine Probe seiner Gesangskünste, nimmt im
Anschluss sein Basecap ab und vorbeugt sich vor dem Publikum. Ein
seltener Moment ihn ohne Kopfbedeckung zu sehen. Kaum wieder zu
erkennen. Der stets sehr zurückhaltende Telford Nelson schenkt
uns leider keine Soloeinlage. Schade, hätte ihn gerne einmal
allein singen gehört. Dann folgt eine Liebeserklärung
an Kenyattas Mutter, die neben der Bühne einen kleinen
Merchandise Shop eingerichtet hat und viele Alben der Culture History
im Angebot hat. Eine schöne Geste von Kenyatta. Sicher
hätten es sonst wohl auch die wenigstens Fans mitbekommen,
dass Pauline Hill den Shop betreibt. Seit Kenyattas Vorstellung seiner
Mutter, hat sich nun die Blitzlichthäufigkeit stark in
Richtung Merchandise Shop verlagert.
Jahmel
Ellison alis Talliss Ites
Brian
Gustave alias RimBim
Live
Video:
Culture feat. Kenyatta Hill – Stop The Fussing And Fighting
Live
Video:
Culture feat. Kenyatta Hill – Two Sevens Clash
Dann geht es mit „I´m Not Ashamed“ vom
Album „Two Sevens Clash“, leider schon wieder in
die Endrunde. Lead Gitarrist Martin Augustin läuft hier mit
schön rockigen Solis zur Hochform auf. Hört man sonst
nicht so. Live ist eben live.
Live
Video:
Culture feat. Kenyatta Hill – I´m Not
Ashamed
Gegen 0:00 Uhr verlässt Culture die Bühne. Eine
Zugabe wird es aber hoffentlich noch geben. So ist es auch. Culture ist
sogar schneller zurück als gedacht, und der ausgerechnet jetzt
fällige Speicherkartenwechsel für die Videokamera
noch nicht abgeschlossen. Verdammt, jetzt fällt mir auch noch
ein Teil der Ausrüstung zwischen die vielen
Füße vor der Bühne, und ich muss
schnellstens auf die Suche gehen. So höre ich ausgerechnet
„Addis Ababa“ vom Album „One
Stone“, einer meiner Lieblingshits von Culture, aus einer
denkbar ungünstigen Perspektive.
Culture feat. Kenyatta Hill
haben voll unsere Erwartung erfüllt und einen tollen Auftritt
hingelegt. Wer sich noch nicht im Vorfeld mit dem neuen Klangbild von
Culture auseinandergesetzt hat, wird überrascht von Kenyattas
Performance gewesen sein. Culture lebt, und die Geschichte geht weiter.
All die alten Fans, die sich gesagt haben: „Was will ich dort
– Joseph ist ja eh nicht mehr dabei.“, und heute
nicht gekommen sind, hätte Kenyatta eines Besseren belehren
können. Kenyatta ist ein würdiger Nachfolger, und die
alten Hits von Culture sind bei ihm bestens aufgehoben.
Versuchen wir nun unser Glück, um noch ein paar Fragen an
Culture los zu werden.
Alle drängen sich im kleinen Backstage um etwas Wärme
vom Ofen abzubekommen. Immer wieder kreist ein Tablett mit einer
Galerie von braunen Kurzen darauf herum, was mir eigentlich etwas
Sorgen bereitet, wenn man die zurückliegende Geschichte von
Joseph Hill und seinem Leberversagen kennt. Aber denken wir positiv und
hoffen, dass es nur heute wegen der Kälte so ist.
Der
große Backstage ist verwaist, viel zu kalt dort
drüben, obwohl dort erheblich mehr Platz wäre. Lassen
wir den Knoten sich erst einmal auflösen, bis alle
erdenklichen Fotos geschossen und Autogramme abgearbeitet sind.
Mittendrin Pauline, Kenyattas Mutter, die sich erst ziert, dann aber
doch überzeugt werden kann, sich an den Gruppenfotos zu
beteiligen. Irgendwie ist ihr der Trubel unangenehm. So im Mittelpunkt
stehen zu müssen, ist ihr offenbar noch nicht so oft passiert.
Als sich das Gedränge etwas gelegt hat und alle
Wünsche der Anwesenden abgearbeitet sind, entfliehen wir mit
Kenyatta, Albert und Telford in den größeren
Backstagebereich, um zur Ergänzung des Abends noch ein kurzes
Interview abzuhalten. Verdammt frisch und dunkel hier.
Es dauert eine
Weile, bis wir einen einigermaßen ausgeleuchteten Platz
einrichten können. Albert hat sich schon wieder eingepackt und
die Kapuze ins Gesicht gezogen, als gelte es auf eine Polarexpedition
zu gehen, lässt sich aber zum Glück
überzeugen, sich für das Interview wieder etwas
freizulegen.
Hier zum Abschluss noch das musikalisch umrahmte Kurzinterview:
Live
Video:
Culture feat. Kenyatta Hill - Interview
Zum
Verständnis der zweiten Frage im Interview, nachfolgend zwei
Bilder der
Grabstelle von Joseph Hill.
Bild 1 + 2: Jamaica - Spanish Town -
Dovecot Memorial Park - Grabstelle von Joseph Hill Bild 2: Grabplatte mit dem Todestag
12. August (tatsächlich jedoch am 19. August)
Copyright: www.reggaestory.de
Text und Fotos: Peter Joachim
Videokameraführung: Marion Joachim
Mein besonderer Dank geht an Lena und das YAAM Team, Christoph von
Revelation Concerts und natürlich an die
Künstler des Abends.