BUNNY
WAILER & THE SOLOMONIC REGGAESTRA
20.08.2015 - SUMMER SPECIAL - YAAM BERLIN
Wie lässt sich eine Ikone in Worte
fassen? Über die Anzahl der Alben und Hits? Über die
zahlreichen Auszeichnungen? Oder reicht ein Satz: Bunny Wailer ist
Reggae!
Der letzte Überlebende der weltbekannten Wailers, der letzte
aus der illustren Reihe derer, die Begründer eines Spirits
waren, der bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat. Sein
Style hat vor Jahrzehnten bereits absolute Klassiker der Szene
hervorgebracht und ist trotzdem immer noch modern! Seine
Leistungen und
seine Bedeutung für Reggae, Jamaica und die Musikgeschichte
insgesamt, haben ihm im Jahr 2012 den "Order of
Jamaica" eingebracht, der eine der höchsten
Auszeichnungen des Landes ist.
Und das
der dreifache Grammy Gewinner musikalisch immer noch zur 1. Liga des
Reggae gehört, hat er kürzlich auf seiner einzigen
Indoor-Clubshow Deutschlands, im YAAM Berlin, zusammen mit
seiner zehnköpfigen Band "The Solomonic Reggaestra",
eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Für reggaestory.de war
das natürlich eine Pflichtveranstaltung, die es keineswegs zu
verpassen galt.
Bevor wir
ein paar Eindrücke aus dem Berliner YAAM Revue passieren
lassen, schauen wir uns kurz einen Auszug seiner
diesjährigen Tour an:
09.07.2015 - SE - Sandbergen - Öland Roots
12.07.2015 - GB - Bristol - O2 Academy
15.07.2015 - IE - Dublin - Button Factory
16.07.2015 - GB - Liverpool - O2 Academy
17.07.2015 - GB - London - O2 Academy
18.07.2015 - GB - Birmingham - O2 Academy
21.07.2015 - NL - Amsterdam - Paradiso
23.07.2015 - IT - Latisana - One Love Reggae Festival
25.07.2015 - BE - Boechaut - Sfinks Festival
26.07.2015 - FR - Sélestat - Summer Vibration Reggae Festival
11.08.2015 - IT - Verona - King & Rock
12.08.2015 - FR - Nice - Theatre De Verdure
13.08.2015 - FR - Fraisans - No Logo Festival
17.08.2015 - ES - Benicassim - Rototom Sunsplash
19.08.2015 - DE - Chiemsee Reggae Summer 20.08.2015 -
DE - Berlin - YAAM
21.08.2015 - SK - Bratislava - Uprising Reggae Festival
22.08.2015 - DE - Wuppertal - U-Club Open Air
23.08.2015 - SE - Malmö - Kulturbolaget
Ein "wenig" überrascht sind wir, als wir das YAAM eine halbe
Stunde nach Einlassbeginn erreichen. Hier sieht es leider noch gar
nicht so aus, als ob eine lebende Legende des Reggae, zur
Party
eingeladen hat. Das Management ist unzufrieden mit dem
"Besucheransturm". Hin und wieder wundert sich sogar manch einer
über den Eintrittspreis der im Vorverkauf mit 25,00 EUR zu
Buche stand und heute für 28,00 EUR zu haben ist. Aber hallo,
es ist Bunny Wailer!!? Der letzte Überlebende der
bahnbrechenden Truppe! Was würdet ihr denn eigentlich zahlen,
wenn ihr die anderen beiden noch einmal sehen könntet?
Vielleicht sogar ein Glück, dass sie das nicht mehr erfahren
müssen. :-(
Klar ist die Fangemeinde des Reggae nicht unbedingt die
finanzkräftigste, aber allgemein sollte man mit den
Eintrittspreisen doch sehr zufrieden sein, wenn man einmal in Richtung
Rock und Pop über den Zaun schaut. Dort ist man oft mit dem
zwei- bis dreifachen Türzoll dabei, und an die Zahlen bei
Künstlern mit Legendenstatus oder hohem Bekanntheitsgrad,
wollen wir lieber gar nicht erst denken. Manch halb bis ganz
vergessener Schlagerfuzzi oder Volksmusikant kostet da oft schon mehr,
... von frisch gepuschten DSDS-Sternchen ganz zu schweigen. Aber was
will
man machen?
Gegen 22:00 Uhr ist das Publikum schließlich doch noch auf
zirka 650
Leute angewachsen und hat somit eine einigermaßen akzeptable
Größe erreicht. Die Show kann beginnen. Bunny
Wailers Solomonic Reggaestra nebst
Backgroundsinger erscheinen auf der Bühne und beginnen mit der
Aufwärmphase.
Live
Video: The
Solomonic Reggaestra
Mit dabei ist der legendäre Gitarrist Dwight Pinkney
von den Roots Radics, die erst kürzlich zusammen mit Israel
Vibration im YAAM zu sehen waren. Nach der kurzen Einstimmung mit The
Solomonic
Reggaestra geht´s fast nahtlos über zum "Rastaman
Chant" und Bunny Wailer wird jubelnd von der Massive
begrüßt.
Live
Video:
Bunny Wailer - 1/12 - Rastaman Chant
Live
Video:
Bunny Wailer - 2/12 - Bald Head Jesus
Mit "Bald Head Jesus" greift Bunny sofort in seine umfangreiche
Hitkiste, sorgt für Glückseeligkeit bei den Fans und
hat gleich einen mehrere hundert Stimmen starken Backgroundchor auf
seiner Seite. Bunny hat es nicht mehr nötig mit
irgendwelchen Stücken von neuen Alben zu
experimentieren und gibt den Fans was sie von ihm erwarten.
Live
Video:
Bunny Wailer - 3/12 - Love Fire + Ballroom Floor
Live
Video:
Bunny Wailer - 4/12 - Rock And Groove
Es folgt ein Klassiker nach dem anderen. Es fällt mir schwer
etwas auszulassen, aber noch
schwerer wird irgendwann meine Videokamera. Egal, tauschen wir erst
einmal die Technik, denn ein paar Fotos
müssen schließlich
auch noch werden. In Situationen wie diesen ist man immer hin- und
hergerissen. Es gibt aber wenige Künstler, die
tatsächlich von Anfang bis Ende ein durchgängiges
Hitprogramm auf der Bühne abliefern.
Live
Video:
Bunny Wailer - 5/12 - Rootsman Skanking
Neville O'Reilly Livingston, alias Bunny Wailer, kam am 10. April 1947
in Kingston, Jamaica, zur Welt. Die ersten Jahre seiner Kindheit
verbrachte er jedoch in Nine Mile, einem Dorf in St. Ann, wo er
Freundschaft mit Bob Marley (Robert Nesta) schloss. Zusätzlich
verband sie eine verzwickte Familiengeschichte, da Bob Marleys Mutter
Cedella (geboren Cedalla Malcolm, dann Marley und
später nach der Scheidung von Norval Marley, seit 1963 Marley
Booker) mit Pearl, auch eine Tochter von Bunny Wailers Vater Taddeus
"Toddy" Livingston hatte. Bob und Bunny hatten sozusagen eine
gemeinsame Halbschwester. War das jetzt verständlich? Wenn
nicht, dann werft bitte einmal hier
einen Blick rein.
Live
Video:
Bunny Wailer - 6/12 - Cool Runnings
Beide Familien zogen 1952 nach Kingston. Bob und Bunny übten
sich bereits an selbst gebauten Instrumenten. Gleich um die Ecke wohnte
der Sänger Joe Higgs (vom Gesangsduo Higgs & Wilson),
der jungen Talenten aus der Nachbarschaft half und in seinem Wohnhaus
Gesangsunterricht erteilte. Dort stießen Bob und Bunny auf
zwei gleichermaßen interessierte Jugendliche. Das waren
Winston Hubert McIntosh (später als Peter
Tosh bekannt) und Junior Braithwaite. Zuerst hatte Bob Marley eine
Solokarriere
im Sinn, diesen Gedanken aber nach einer gescheiterten
Vorsprache beim
Produzenten Leslie Kong wieder verwarf. So kam es schließlich
dazu, dass die vier Jungs gemeinsam mit den
Backgroundsängerinnen Beverley Kelso und Cherry Smith im Jahr
1963 die Gruppe The Teenagers gründeten. Der Name wechselte
später in The Wailing Rudeboys, dann zu The Wailing Wailers,
bis sie sich letztendlich The Wailers nannten.
Live
Video:
Bunny Wailer - 7/12 - Ram Dancehall
1964 brachten sie ihre erste Hitsingle "Simmer Down" bei Coxsone Dodd
heraus. Eine Reihe weiterer Singles folgte noch im selben Jahr. 1965
verließen Junior Braithwaite und die beiden
Backgroundsinger die Gruppe. Die ersten Songs der Band waren vom damals
auf der Insel populären Ska gekennzeichnet, bis Ende der
1960er Jahre zusätzlich Elemente der afrikanisch
geprägten jamaikanischen Volksmusik einflossen. Als
schließlich das Trio mit Lee Perry zusammentraf, nahm die
musikalische Ausrichtung eine entscheidende und
geschichtsträchtige Wende. Lee Perry verlangsamte den
schnellen Beat des Ska, bis schließlich der Reggae als neue
Musikrichtung geboren war. In verschiedenen Quellen wird zwar auch
Toots Hibbert (Toots and the Maytals) als Erfinder des Reggae
geführt, dies geht aber wohl darauf zurück, weil er
vermutlich als erster das Wort "Reggae" im Sprachgebrauch benutzte. Wem
nun tatsächlich die Krone der Schöpfung
gebührt, wird wohl nie abschließend ausgestritten
werden können.
Live
Video:
Bunny Wailer - 8/12 - Trench Town + Trench Town Rock
Dieser neue Rhythmus begeisterte die Massen, und die Wailers, die sich
später Bob Marley And The Wailers nannten, waren bis Ende 1973
die unangefochtene Spitze dieser neuen Musik. Nach einem Streit
zwischen Bob und Winston, verließen Neville (Bunny Wailer)
und Winston (Peter Tosh) 1974 die Band und begannen jeweils ihre
Solokarriere. Alle
drei brachten es später in ihrer jeweiligen
Konstellation zu Weltruhm. Bob Marley, Peter Tosh und Bunny Wailer
haben sich für alle Zeiten ein Denkmal gesetzt.
Live
Video:
Bunny Wailer - 9/12 - Easy Skanking
Bunny Wailer brachte 1976 sein Debutalbum "Black Heart
Man" heraus und
gründete sein eigenes Label Solomonic
Records Ltd., wo auch die meisten seiner nachfolgenden Alben
erschienen sind. Inzwischen sind seiner ersten
Soloveröffentlichung über 20 weitere Alben gefolgt,
dem zahlreiche unvergessene Hits entsprungen sind. Ein Teil davon haben
wir heute schon gehört. Leider können nicht alle an
dieser Stelle wiedergegeben werden. Dafür wären noch
ein paar Konzerte nötig.
Live
Video:
Bunny Wailer - 10/12 - Legalize It
1991 gewann er mit "Time Will Tell - A Tribute To Bob Marley" einen
Grammy in der Kategorie "Beste Reggae-Aufnahme". Weitere Grammys
folgten 1995 und 1997 mit "Crucial! Roots Classics" und "Hall Of Fame -
A Tribute To Bob Marley's 50th Anniversary", jeweils in der Kategorie
für das "Beste Reggae-Album". 2012 wurde er
für seinen Beitrag zur musikalischen Entwicklung
Jamaikas, mit dem "Order
of Jamaica" ausgezeichnet. Einer der höchsten Orden
des Landes.
Live
Video:
Bunny Wailer - 11/12 - Thank You Jah
Am 28. September 2013 erschien bei Tad´s Record Bunny Wailers
bisher letztes Werk.
"Reincarnated Souls" kommt als Box mit drei CD-s und zwei DVD-s daher.
Die
CD-s umfassen 50 Tracks und passen somit zum Untertitel der Box, der
auf 50 Jahre Ska, Rocksteady und Reggae Music ausgerichtet
ist. Momentan ist die Kiste schwer beschaffbar und die DVD-s nur mit
US-Playern abspielbar. Aber vielleicht ändert sich ja
künftig noch etwas daran. Weitere Informationen zum Inhalt der
DVD-s gibt´s hier
und in alle 50 Kompositionen von Bunny Wailer, die bisher noch nie so
veröffentlicht worden sind, könnt ihr hier
reinhören. Einige Titel kennt man zwar trotzdem schon, dann
aber in einer anderen Version, andere wiederum scheinen nicht so recht
ins Bild zu passen. Bunny Wailer durchforstet offenbar sein
Archiv, bevor es später womöglich jemand anderes
für ihn tut
und dieser zu jedem Jubiläum den Fans
bröckchenweise etwas zuteilt, wie man das von Bob Marleys
Vermächtnis her kennt. Das wollen wir natürlich auch
nicht. ;-)
Inzwischen sind wir leider mit "Keep On Moving" schon am Ende der
heutigen Show und unserer Auszüge davon angelangt. Nach 1
Stunde und 45 Minuten verlässt der Meister die Bühne.
Da gibt es nichts zu meckern, auch wenn es leider keine Zugabe mehr
gibt.
Live
Video:
Bunny Wailer - 12/12 - Keep On Moving
Jetzt dreht die Massive noch einmal richtig auf und lärmt mit
jeder Sekunde lauter. Es wird einfach keine Ruhe im Saal, auch als die
Musiker längst die Bühne verlassen haben. Heute
hört es einfach nicht von allein auf. Bunny kommt aber leider
nicht mehr zurück. Erst als mit dem Erklingen des Soundsystems
Zeichen gesetzt werden und die Techniker beginnen den
Bühnenaufbau zu zerlegen, wird es wieder ruhiger im Saal.
Bunny Wailer persönlich, erreichen wir leider nicht mehr. Er
hat sofort den Backstage verlassen und sich ins Hotel bringen
lassen. Er soll sich nicht richtig wohl gefühlt haben. Wir
auch nicht, denn im Backstage empfängt uns ein eiskalter Wind,
der kräftig von der Decke herabströmt.
Wir
ziehen die Köpfe
in die Kragen unserer Jacken zurück, wie eine
Schildkröte den Kopf in ihren Panzer und verkrümeln
uns ebenfalls so schnell wie möglich. Zeitgleich mit dem Ende
der Show hat man die Klimaanlage angeworfen, die offenbar mit geballter
Kraft besonders in den Backstage einfällt. Das ist keineswegs
gesund und besonders für die durch geschwitzten
Künstler nicht zumutbar. Das sollte man lieber schon ein paar
Minuten vor dem Ende der Show und mit geringerer Stärke
durchführen.
Mehr zu Bunny Wailer gibt es unter anderem in der nebenstehenden Riddim
Nr. 36. Wenn ihr das Cover anklickt kommt ihr zum Bestellformular.
Auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal!
Copyright:
www.reggaestory.de
Text + Videokamera: Peter Joachim
Fotos: Marion + Peter Joachim
Mein Dank geht an Christoph von Revelation Concerts, Frank von Topline
Events, das YAAM Team und natürlich ganz besonders an die
Künstler des Abends.